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© ZDF

Fernsehen: Macht und Mensch im Monolog

„Der Mann aus der Pfalz“: Eine filmische Annäherung an Helmut Kohl.

Von Robert Birnbaum

Es gibt eine Szene in diesem Film, die wäre sogar wahr, selbst wenn sie sich so nie abgespielt hätte. Es ist 1966, der Parteitag der rheinland-pfälzischen CDU in Koblenz ist zu Ende, Konrad Adenauer hat ein paar lobende Sätze über den aufstrebenden Landtagsfraktionschef Helmut Kohl gesprochen. Jetzt ist Adenauer mit dem Daimler fort, der junge Riese steht neben dem ewigen Ministerpräsidenten Peter Altmeier. Von oben herab diktiert Kohl dem Mann, den er beerben wird, wie es jetzt weitergeht: Altmeier wird noch als Spitzenkandidat in die nächste Wahl ziehen. Er wird einen gewissen Heiner Geißler als Sozialminister ins Kabinett nehmen. Er wird nach zwei Jahren abtreten. Altmeier versucht zu protestieren, aber der Junge geht bloß fort. Und der Ältere steht im Nieselregen, stumm.

Einen Fernsehfilm über Helmut Kohl zu machen, ist, wie man’s auch anstellt, ein gewagtes Unterfangen. „Der Mann aus der Pfalz“, wie der Drehbuchautor Jochen Bitzer und der Dokumentarfilmer Thomas Schadt ihren Beitrag für das ZDF genannt haben, ist im kollektiven Gedächtnis der Republik noch fest verankert. Das grenzt den Spielraum eines Doku-Spiels deutlich ein. Überdies war die ursprüngliche Idee der Macher nicht zu verwirklichen: Kohl hat ihnen stundenlange Gespräche gewährt, aber die direkte Verwertung dieses Materials dann doch versagt.

Bitzer und Schadt mussten aus all diesen Nöten eine Tugend machen. Sie haben sich im Zeitraum so radikal wie klug beschränkt: Der Film stellt Kohls Aufstieg in der Pfalz dem Kanzler im Einheitsjahr 1989 gegenüber, vom gescheiterten Putsch beim Bremer CDU-Parteitag bis zum Fall der Berliner Mauer. Thomas Thieme als der späte Kohl ist dem Original ähnlich, aber doch bis in die Thüringer Sprachfärbung so anders, dass er der Gefahr des Nachäffens entgeht. Am auffälligsten aber ist die Idee, aus den Gesprächen mit Kohl einen inneren Monolog zu destillieren. Kohl-Thieme bewegt sich durch die Szenerie; eine Stimme aus dem Off spricht dazu, was dem echten Kohl in diesem Moment durch den Kopf ging.

Das ist originell, leider aber auch der Punkt, an dem der Film nicht funktioniert. Der da spricht, ist nämlich eben nicht der Kohl, wie er 1989 dachte, sondern der von danach. Aus dem Mund des heutigen Kohl wäre das in Ordnung gewesen – „Politiker blickt auf sich selbst zurück“ lässt Raum für Vorbehalte. Der Helmut ex machina ist von einer Suggestivkraft, die jede Distanz plattbügelt. Der kann witzig sein und glaubhaft – „Wenn Maggie Thatcher das sieht, trifft sie der Schlag“ – sinniert die Stimme, bevor Kohl in Dresden vor die Menschenmenge mit all den Deutschlandfahnen tritt. Aber vor allem in den Passagen über die Einsamkeit der Macht steckt zu viel Gefühl und zu wenig Macht. So will er sich vielleicht heute sehen. So war er aber nicht. Die Original-Ausschnitte von 1989 zeigen den Unterschied im Tonfall sogar auf.

Darin, dass er diesen Kontrollblick zulässt, liegt gleichwohl eine Stärke dieses Films. Wenn die Vorgeschichte des gescheiterten Putschs von Bremen erzählt wird und man nun weiß, dass Kohl mit Höllenschmerzen und Blasenkatheter auf dem Podium hockte, um seinen Gegnern keinen Raum zu geben, wird das kurze Zucken im Gesicht, wie es die OriginalPassage zeigt, plötzlich verständlich. Und die Szenen aus der Nachkriegs-Pfalz mit Stephan Grossmann als jungem Kohl machen regelrecht Lust auf mehr. Vielleicht, weil unser kollektives Gedächtnis so weit meist nicht reicht. Kohl 1989, das ist für viele noch die eigene Gegenwart. Der Kohl davor, das ist Geschichtsstoff für Geschichten.

„Der Mann aus der Pfalz“, 20 Uhr 15,

ZDF

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