zum Hauptinhalt
Schmidt

© ddp

Fernsehen: Nach ihnen die Sintflut

Der Lehrmeister und sein Zögling: Harald Schmidt und Oliver Pocher klammern an ihren Rollen und präsentieren gepflegte Langeweile. Ihre neue Show bleibt dabei auf der Strecke. Eine Kritik.

"Die Spannung wächst ins Unermessliche, denn jetzt ist Premiere, jetzt kommen Schmidt und Pocher." Der Letzte, der sich an diesem Abend in einen Taumel redet, ist Sven Plöger vom Wetter im Ersten. Kurz nach dem Tagesthemen-Strömungsfilm leitet er berauscht hinüber zu den Klamauk-Kollegen, zum großen Lustigen in Köln-Mülheim.

Harald Schmidt ist zurück. Braun gebrannt und edel gekleidet in feinem Hellgrau steht der Altmeister vor der deutschen Fernsehnation. Oh ja, der Nation, die man durchaus bemühen muss, denn an diesem Donnerstagabend schauen nicht nur die "drei, vier Schwarze-Rollkragen-Fredis" zu, die Stefan Raab einst als Harald Schmidts Publikum ausmachte. Nein, zu dieser spätabendlichen Stunde begrüßt Schmidt so viele Zuschauer wie schon lange nicht mehr.

Keine Höhepunkte

Doch gleich zu Beginn platzt die erste Blase: Schmidt tritt allein aus den Kulissen und spult sein altbekanntes Einleitungsprogramm ab - routiniert wie immer. War's das schon? Nein: "Ich freue mich, Ihnen eine Überraschung präsentieren zu dürfen!" Puh, na endlich, Vorhang auf für: Oliver Pocher.Was für ein Vorhang, was für ein Auftritt für den blassen, blonden und erstaunlich kleinen jungen Mann! Wie Michael Jackson zieht er halbwegs stilecht mit Hut, Gehstock und einem recht passablen Moonwalk ins Studio ein. Hoppla, jetzt kommt Pocher - das ist frisch, das ist anders, das ist mutig. Das ist es dann allerdings auch schon, mehr Höhepunkte gibt es nicht. Schon nach 15 Minuten ist die Sendung eigentlich am Ende.

Willkommen im neuen Schmidteinander, willkommen in der neuen Realität des Harald Schmidt: Allein kann er diesen Fernsehauftritt nicht mehr stemmen, auch wenn sein fixer Geist immer wieder verschmitzt aufblitzt. Weil aber Frank Plasberg mit Hart aber fair einen Tag zuvor vom WDR ins Erste wechselte, wird die Show von und mit Schmidt deshalb nun nur noch einmal in der Woche ausgestrahlt, dafür eine volle Stunde lang. Doch wie sollte Schmidt diese eine Flimmer- in eine Sternstunde verwandeln, ohne dass ihm die gelangweilten Gebührenzahler oder die über ihren Millionen-Deal enttäuschten ARD-Verantwortlichen aufs Dach steigen?

Uninspiriert, schlaff und ausgeleiert

Schmidt schwächelt seit Langem. So uninspiriert, schlaff und ausgeleiert konnte es - ob nun mit Sidekick Manuel Andrack oder ohne, ob nun mit Madame Natalie oder ohne, ob nun drei- oder einmal in der Woche - nicht weitergehen. Das wird wohl auch ARD-Programmdirektor Struve erkannt haben, der Schmidt im Dezember 2005 zurück ins Erste geholt hatte und ihm nun den selbst gewählten Blödel-Partner als Verstärkung gestattet. Jetzt also haben Schmidt und Pocher ihr Show-Geheimnis gelüftet - und können am Ende niemanden mehr überraschen. Die erste gemeinsame Sendung des Chefzynikers und des Vorzeigeproleten geriet weder zum Desaster noch zu einem Feuerwerk an Witz und Heiterkeit. Stattdessen herrschte bald gepflegte Langeweile.

Ein "satirischer Wochenrückblick" sollen die 60 Minuten künftig sein, verspricht die Eigenwerbung der ARD, mit "Reportagen" über die "wirklich wichtigen Events im Lande". Nun, die "mediale Bilderflut" reduziert sich auf einige Fotos von Kurt Beck und einen Einspielfilm über das "neue Angebot der Bahn, die Bahn-Strikecard". Alles andere, die Rettungsversuche der deutschen Sozialdemokratie, die hohen Strompreise, VW und Porsche, Nationalsozialismus, "entartete Kunst", das Werbeverbot der Öffentlich-Rechtlichen, der neueste Promi-Tratsch werden in der Schmidt-Pocher'schen Witzmaschine unbedacht zerkleinert. War da was?

Schmidt wie Pocher verharrten zu sehr in ihren Rollen. Da der große Zampano, der dem kleinen Comedy-Neuling alles ganz genau beibringen will, ihn keinen Gag allein machen lässt und am Ende in seiner Überheblichkeit ziemlich albern dasteht. Dort der Underdog und Fernsehclown, der es genießt, parallel zu Schmidts routinierten Intellektuellenwitzen die derben Klopfer direkt unter die Gürtellinie zu setzen. Gegensätze ziehen sich an - ein Erfolgsrezept, das das deutsche Fernsehen nicht erst seit Schmidt & Pocher für sich entdeckt hat.

Egomanie an erster Stelle

Bis zum Exzess getrieben allerdings, kann es nicht mehr funktioneren. Denn das Wichtigste, die Sendung, bleibt auf der Strecke. Sie wird am Ende zu einer langen Abfolge von unvollständig abgearbeiteten Parodien. Von Stefan Raab und Howard Carpendale geht es schnurstarcks weiter zu Alexander Kluge und Wolf Biermann, Martin Walser und wieder zurück zu Joy Fleming. Auch das Fernsehen (Das große Promi-Pilgern, das Frühstücksfernsehen, der Tatort, Bauer sucht Frau) kriegt sein Fett weg. Irgendwann werden wie zu besten Sat.1-Zeiten auch noch unbescholtene Zuschauer auf die Bühne gebeten - mehr als die Deko für den nächsten schwachen Gag, mehr als Staffage für den nächsten dünnen Pocher-Spruch sind sie aber nicht.

Schmidt und Pocher versuchen alles, um nicht aus ihrer jeweiligen TV-Rolle zu fallen, vergewissern sich immer wieder ihrer Unterschiede ("Ich bin jetzt viel lustiger als du", "Mein Publikum ist schon weg") und vergessen in diesem selbstreferenziellen Auftreten den Zuschauer. Offenbar hatten auch die Macher selbst wenig Vertrauen in ihre Duellanten. Denn dieser Sendung wurden von Anfang an viele doppelte Böden eingebaut. Der eine heißt Helmut Zerlett, schon Bandleader von Schmidt bei Sat.1, der andere ist Eckart von Hirschhausen, Arzt, Zauberkünstler und Kabarettist. "Die Hirschhausen-Akademie" heißt seine kleine Tummelecke, wo er "das geheime Wissen der Ärzte endlich für alle zugänglich machen" will. Serviert werden dann allerdings nur altbekannte Klischees.

Soviel geballte Manpower müsste für eine spätabendliche Fernsehstunde doch reichen, oder? Ach was, man legt gern noch einen drauf, 60 Minuten können sehr lang werden, ein Studiogast gehört eben auch noch dazu. Schmidt und Pocher begrüßen RTL-Showmaster Günther Jauch, der leicht irritiert am Moderatorentisch Platz nimmt. Die gemütlichen Cocktail-Sesselchen sind verschwunden, der Gast sitzt entweder auf einem verchromten Besucherstuhl aus der Chefetage oder auf der "Menschencouch", wie sie heutzutage in den politischen Talkshows Anne Will und Maybritt Illner für die Betroffenen bereitstehen.

Noch einmal herrscht kurz Spannung: Wie wird es sein, das Aufeinandertreffen dieser Drei? Hält sich Pocher zurück und gönnt den älteren Semestern ihre Gute-Nacht-Unterhaltung? Lässt Schmidt ihm am Ende nur den Hauch einer Chance, um auch noch eine Frage loszuwerden? Genau so ist es. Alles andere wäre auch wirklich eine Überraschung gewesen. Am Ende wird gebrüllt, auf beiden Seiten. Und irgendwie ist man zusammen mit Jauch froh, dass es mit ihm und der ARD "doch nicht so auf Anhieb funktioniert hat."

(erschienen am 26.10.2007 auf Zeit Online)

Karin Geil

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false