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Christine Neubauer im ARD-Zweiteiler auch noch als "Gottes mächtige Dienerin".

© ARD

Fernsehen zu Ostern: Ach, du lieber Himmel!

Ostern im Fernsehen heißt: viel Spielfilme und Dokumentationen zum Thema Kirche und Glauben – und viel Christine Neubauer.

In einem völlig anderen Zusammenhang legte sich Uli Hoeneß einmal fest, als er behauptete, der Nikolaus sei noch nie der Osterhase gewesen. Nach allem, was wir wissen, müsste das stimmen. Richtig ist wohl auch, dass der Weihnachtsmann noch nie der Osterhase war. Als wahrscheinlich gilt auch, dass es weder den Nikolaus noch den Weihnachtsmann und auch nicht den Osterhasen gibt. Dafür existiert Christine Neubauer.

Christine Neubauer ist die erfolgreichste deutsche Schauspielerin. Wenn die Frau im Fernsehen auftritt, schalten die Menschen weder um noch ab – sie schalten ein, in großer Zahl. Wenn Christine Neubauer irgendwo mitspielt, dann ist das für einen Fernsehsender, als wenn Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. Und abgesehen von ihrer eigenen Ehe gelingt der Frau quasi alles: Bücher, Diäten – selbst ein völlig verunglückter Auftritt bei „Wetten, dass...?“, als sie sich weigerte, von einem Sprungturm ins Wasser zu springen mit dem Hinweis, sie habe die falsche Unterwäsche an, minderte ihre Popularität nicht.

Deshalb kann auch nur sie für die ARD das Osterfest retten: Neubauer spielt die Hauptrolle im Zweiteiler „Gottes mächtige Dienerin“, den der Sender am Freitag und Samstag um 20 Uhr 15 ausstrahlt. In der Degeto-Produktion geht es um die wahre Geschichte von Pascalina Lehnert, einer Ordensschwester, die im München der 20er Jahre die Haushälterin von Nuntius Pacelli ist, seine engste Vertraute wird. Als Pacelli 1939 zum Papst gewählt wird, steht sie an seiner Seite. Eine einflussreiche Frau im Vatikan zur Zeit des Nationalsozialismus, gespielt von Christine Neubauer – wie muss es Veronica Ferres gegangen sein, als sie davon erfuhr?

Mit diesem aufwendigen Zweiteiler versucht die ARD, das Quotenrennen an Ostern für sich zu entscheiden. Die Chancen stehen vor allem dank Neubauer gut. Ostern und Weihnachten sind traditionell die Feiertage, an denen die Fernsehsender zeigen, was sie können – oder was für eingekaufte Blockbuster sie im Schrank haben. Aber die Idee, an diesem Ostern Kirchengeschichten zu erzählen und sich nicht auf Feiertagsdutzendware zu verlassen, ist zum einen relativ neu – und zum anderen tatsächlich auch relativ erfrischend. Gefühlte 20 Jahre zeigten die Privatsender beispielsweise an Weihnachten die Hollywood-Produktionen „Stirb langsam“ und „Stirb langsam – jetzt erst recht“ – was eigentlich nur daran liegen kann, wie diese Filme verschlagwortet werden: Beide spielen leider Gottes zu Weihnachten, demnach muss „Weihnachten“ als Schlagwort relativ weit oben stehen. Programmplaner scheint jetzt nicht unbedingt der schwierigste Beruf der Welt zu sein. „Kevin allein zu Haus“ kann man wegen nicht ganz so intensiver Brutalität schon früher senden – fertig ist das Weihnachtsprogramm. Immerhin schaffen es die Öffentlich-Rechtlichen, dagegen die Klassiker „Wir sind keine Engel“ und „Ist das Leben nicht schön?“ zu senden. Sehr einfallsreich ist das aber auch nicht.

In den kommenden Tagen versuchen ARD und ZDF etwas dagegenzusetzen – das Erste zeigt am Ostersonntag die Dokumentation „Giganten der Gotik“ – sehr aufwendig ist auch diese Produktion, die leider nicht genau weiß, was für eine Geschichte sie erzählen will, so dass der Zuschauer irgendwann die Baumeister der Gotik durcheinanderbringt und nicht mehr weiß, wer welche Kirche gebaut hat – und vor allem warum. Warum die ARD diese ambitionierten 60 Minuten ausgerechnet um 12 Uhr 30 zeigen muss, bleibt ihr Geheimnis – vielleicht wollen die nicht so viele Zuschauer haben, obwohl man der Dokumentation ansieht, dass sie von Ken Folletts Welterfolg „Die Säulen der Erde“ inspiriert wurde.

Das ZDF zeigt am selben Tag pünktlich zum Osterkaffee um 16 Uhr 15 „Mythos Konklave – Machtkampf im Vatikan“. In guter Guido-Knopp-Tradition wird hier recht konventionell nacherzählt, warum bei der vergangenen Papstwahl Kardinal Ratzinger als Sieger hervorging. Die nachgestellten Szenen nennt das ZDF „aufwendig“. Da möchte man dann lieber keine Low-Budget-Produktion des Senders erleben. Die Dokumentation ist leidlich spannend, die Geschichte, die sie erzählt, kennt man schon, bisweilen unterschätzen die Verantwortlichen auch ihre Zuschauer, beispielsweise, wenn sie ihnen den katholischen Orden „Opus Dei“ erklären – das wirkt dann ein bisschen wie „logo“, die Kindernachrichten.

Beide Dokus setzen auf ein Grundrauschen: Kirchen, Päpste – das wollen Leute an Ostern sehen? Mag sein, sicher scheinen sich die Macher nicht zu sein. Im Prinzip werden Krimis erzählt. Es geht um Macht und Intrigen, es geht nicht um Glauben, nicht um christliche Werte, möglicherweise eher Quotengift.

Auch „Gottes mächtige Dienerin“ hat wenig mit Gott, ganz wenig mit Dienen – aber immerhin ein bisschen was mit Macht zu tun. Der Glauben, das Kloster, der Vatikan – all das erscheint eher wie eine Kulisse, um zum hundertsten Mal die Geschichte über eine „starke Frau“ zu erzählen, die zum 99. von Christine Neubauer gespielt wird, die übrigens für diesen Mittwoch zu einer Generalaudienz beim Papst eingeladen wurde. Benedikt XVI. überreicht sie in Rom eine DVD ihres Films, der freut sich sichtlich über das Geschenk. Wenn man sich das anschaut, dann hofft man doch auf die 50. Wiederholung von alten Osterklassikern wie „Das rote Gewand“ oder anderem Monumentalwahnsinn, in dem Charlton Heston wahlweise Moses, Jesus, Gott oder den Heiligen Geist gespielt hat.

Gott, die Kirche, der Glauben, die Gläubigen – all das ist, egal wie man dazu steht, ein großes, ein spannendes, ein interessantes Feld voller Geschichten, die man erzählen kann. Aber der Versuch der Sender, dieses Feld zu beackern, scheitert, weil ihnen auch hier der Mut fehlt und sie auf Nummer sicher gehen wollen: alles erzählen, als wäre es ein Krimi – und wenn es irgendwo eine Hauptrolle gibt, dann muss sie Christine Neubauer kriegen.

1988 lief in der ARD die Serie „Oh Gott, Herr Pfarrer“, ausgedacht vom großen Felix Huby. Es ging um die Nöte und Sorgen und Hoffnungen eines evangelischen Pfarrers in einer kleinen Gemeinde, die Hauptrollen spielten Robert Atzorn und Maren Kroymann. Die Serie war, natürlich, spannend und unterhaltsam – aber sie erzählte auch viel vom Glauben der Menschen und ihrer Suche nach Trost. Nach 13 Episoden war es damit allerdings vorbei.

Und bereits am Ostermontag wird es mit pseudoreligiösen Programminhalten im deutschen Fernsehen vorbei sein. Dann bleibt als Enklave nur noch das „Wort zum Sonntag“, dessen Funktion wohl eine ähnliche ist wie der Kommentar bei den „Tagesthemen“: Dem Zuschauer die Gelegenheit geben, entweder ein Bier zu holen oder aufs Klo zu gehen.

Und dann, im Herbst, kommt der Papst nach Deutschland. Livebilder, Sondersendungen, „Bild“-Schlagzeilen – ein ganzes Volk wird dann für ein paar Tage zwangskatholisiert. Religion als Event, Gottesdienst als Public Viewing, Fernsehen als Glaubenssache.

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