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Filmkritik: "Die zweite Frau": Matthias Brandt als Muttersohn

Matthias Brandt sucht als Muttersohn die Liebe. Der Tor und Tölpel ist eine Paraderolle für ihn, der seine sensiblen schauspielerischen Mittel so gekonnt einsetzt, dass einen die Mannwerdung des Muttersohnes rührt und überzeugt.

Wer ein saftiges Eifersuchtsdrama erwartet, wenn er „Die zweite Frau“ einschaltet, wird nicht enttäuscht. Nur spielt sich der Kampf der Weiber nicht, wie man spontan denkt, zwischen erster Frau und Nachfolgerin ab, sondern zwischen Braut und Schwiegermutter. Auch das ist ja eine vertraute Konstellation. Aber in diesem Film von Hans J. Steinbichler ist alles irgendwie anders. Die Assoziation, die der Titel weckt, dass da eine Erst-Ehefrau einer Neuen das Leben schwer macht, trifft die Sache – obwohl der Mann noch nie verheiratet war und eigentlich auch keine andere Frau will als seine Mama. Oder doch?

39 Jahre hat Tankstellenpächter Erwin Kobarek (Matthias Brandt) mit seiner Mutter (Monica Bleibtreu) zusammengelebt, und an der Art, wie die alte Dame ihrem Sohn in der Wanne den Rücken wäscht, erkennt man, dass auch erotische Valeurs in diese Beziehung eingeflossen sind. Aber so kann es nicht ewig weitergehen. Zumal Mutters Gesundheit nicht die beste ist. Und so kontaktiert das Paar eine Heiratsvermittlerin in Bukarest.

Was jetzt folgt, ist die Metamorphose Erwins vom ewigen Sohn zum Mann. Ein ordentliches Stück Arbeit, dezent und filmisch dramatisiert von Steinbichler und dem Drehbuchautor Robert Seethaler. Dialoge sind selten und knapp, häufig hingegen Blicke und kleine Aktivitäten, die oft den Charakter von Verlegenheitsgesten und Übersprung handlungen haben. Die vitale Irina (Maria Popistasu), die Erwin aus Bukarest mit in die einsame Tankstelle bringt, fasst es nicht: Männer wollten von ihr bisher immer nur das eine. Und dieser hier will gar nichts – außer mit seiner Mama gut auskommen. Irina wartet ab. Die Mama schaut auf sie herab und macht sie schlecht.

Der Tor und Tölpel ist eine Paraderolle für Matthias Brandt, der seine sensiblen schauspielerischen Mittel so gekonnt einsetzt, dass einen die Mannwerdung des Muttersohnes rührt und überzeugt. Seine Partnerin Maria Popistasu verkörpert in der neurotisch-inzestuösen Gemengelage bodenständige Normalität und anziehende Weiblichkeit – so direkt und erfrischend, dass Klemmi Erwin neben ihr doppelt hilflos herauskommt.

„Die zweite Frau“, Arte, 21 Uhr

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