zum Hauptinhalt

Medien: Freies Bild für freie Bürger

Schily und Pleitgen kritisieren den Champions-League-Rechtekauf von Premiere

Am Mittag, kurz nach eins, legten sich die Herren Delling, Pleitgen und Mahr endlich ein Croissant und ein bisschen Obst auf den Teller. Von draußen schoben sich die Sonnenstrahlen in die dunklen Räume des Olympiastadions, es wurde wieder gelacht, und Hans Mahr, der neue Sportchef von Premiere, klopfte dem WDR-Intendanten Fritz Pleitgen sogar liebevoll auf die Schulter. Eine Stunde Streit lag hinter ihnen, es ging um Millionen, ums Volk, um Fußball. Es war eine perfekte Inszenierung, großes Theater.

Für den Prolog an diesem Donnerstagmorgen in Berlin fühlte sich der Bundesinnenminister verantwortlich. „Eine herzliche Bitte“ wolle er noch loswerden, sagte Otto Schily, nachdem er bei der Medienwoche Berlin/Brandenburg ein bisschen arg routiniert über die Fußball-WM 2006 gesprochen hatte. „Fußball ist Volkssport“, sagte Schily also, machte gekonnt eine kleine Pause und fügte hinzu: „Und Fußball muss Volkssport bleiben, ja, Fußball muss im Free-TV bleiben!“ Applaus, Applaus, nur Premiere-Sportchef Mahr war wenig begeistert und fragte hinterher, warum sich jetzt eigentlich auch der Innenminister äußern müsse. „Aber so ist halt Wahlkampf“, sagte Mahr dem Tagesspiegel. „Wir halten auch das noch aus.“

Seitdem Premiere sich am Dienstag für 70 Millionen Euro pro Jahr bis 2009 die Rechte an der Champions League gesichert hat, sowohl die im Pay- als auch im Free-TV, wird der Sender scharf attackiert – zumal auch die Verhandlungen über die Bundesliga nun beginnen und Premiere auch dort alle Rechte kaufen will. Sportchef Mahr versuchte es deshalb an seinem ersten Arbeitstag gleich mit einem Gegenangriff: „Wir besorgen das Geld für die Klubs und müssen uns dafür täglich beschimpfen lassen, das kann nicht sein!“ Ihm gegenüber saß Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef von Bayern München, und der wiederum konterte: „Also bitte, Herr Mahr, Sie sollten hier nicht auftreten wie ein Mäzen der Liga!“ So ging das hin und her, es wurde geschimpft und beleidigt, am Ende stand fest, „dass Premiere nicht allein schuld ist“, sagte Rummenigge, „sondern die Uefa“. Der europäische Fußballverband hatte die Free-TV-Rechte an Premiere veräußert, was zur Folge hat, dass die Münchner nun zwar einen neuen frei empfangbaren Sender wie „DSF, TM3 oder 3Sat“ (Mahr) kaufen wollen, dort aber logischerweise nicht immer die besten Spiele zeigen. Der Fußball soll mehr Menschen überzeugen, sich ein Abonnement von Premiere zu kaufen. 3,3 Millionen seien es derzeit, sagte Mahr, „auch wenn ich Ihnen das nicht immer glaube“, sagte ARD-Mann Pleitgen.

Und dennoch kam Mahr dem Fußballvolk einen Schritt entgegen. „Trauen Sie uns Fingerspitzengefühl zu“, sagte der neue Sportchef und kündigte überraschend an, dass „wir jeden deutschen Klub einmal im Free-TV zeigen“. Auch sollen mehr als die 13 mit der Uefa vereinbarten Spiele im Free-TV übertragen werden. „Möglich ist, dass wir dienstags und mittwochs je ein Spiel zeigen, also zwei pro Spieltag“, sagte Mahr, „maximal wären das 25.“ Eine schöne Geste, und doch sehr unwahrscheinlich, weil Premiere nach dieser Rechnung (12 Spieltage mal zwei plus Finale) auch die beiden Halbfinals im Free-TV zeigen müsste. Von „Beruhigungspillen“ sprach deshalb WDR-Intendant Pleitgen und warf einen bösen Blick zu Mahr. „Im Gegensatz zu Ihnen sind wir zu Wahrheiten verpflichtet.“

Die Bundesligarechte werden das bestimmende Thema der kommenden Wochen sein. Im September beginnen die Verhandlungen mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Vermutlich wird der Spieltag ab der Saison 2006/2007 zerstückelt: Zwei Spiele am Freitag, fünf am Samstag, zwei am Sonntag soll es geben, dafür erhalten die Klubs mehr Geld. „Wir werden aber nicht solche Fehler wie die Herren in der Schweiz machen“, kündigte Bayern-Vorstand Rummenigge an und tönte: „Wir sind cleverer!“ Wieder musste Mahr ein bisschen lächeln, weil er nun wieder von allen Seiten attackiert wurde. Und als er dann Fritz Pleitgen fragte, ob denn die ARD notfalls wirklich eine Bietergemeinschaft mit Premiere eingehen wolle, wie von ARD-Programmchef Günter Struve gefordert, da blaffte Fritz Pleitgen zurück: „Mit Ihnen gehe ich keine Gemeinschaft ein!“

Das vielleicht schönste Bild jedoch gab Franz Beckenbauer ab. Der saß nämlich auch in dieser Runde. Beckenbauer drehte seinen Kopf hin und her, lauschte und sagte kein Wort. Wirklich, eine Stunde lang Stille. Von Franz Beckenbauer. Das Gespräch muss ihn sehr fasziniert haben.

André Görke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false