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Medien: Freudig erregt

Zorn ist eine Form der Erregung. Aber Zorn als Zustand freudiger Erregung?

Zorn ist eine Form der Erregung. Aber Zorn als Zustand freudiger Erregung? Nee, wollen wir nicht haben! Wäre ja noch schöner, wenn wir diesen Gemütszustand an der Grenze zum Anstand, diesen Kollaps der Zivilisation einfach veredelten. Zartes Erröten statt knallroter Kopf, heiteres Hecheln statt Hyperventilation, Lachsalve statt Wutgeheul? Nein, bitte keine negative Dialektik à la Minus mal Minus macht Plus: Zorn ist böse, und basta. Basta? Na ja, da war immerhin der 2. August 1984. An diesem nun 20 Jahre zurückliegenden Tag geriet ein gewisser Werner Zorn, damals Informatiker an der Universität Karlsruhe, in einen „Zustand freudiger Erregung“. Der Internetpionier hatte nämlich gerade die erste deutsche E-Mail verschickt, unter der vielsagenden Adresse zorn@germany. Seit Herrn Zorns historischem Mausklick hat sich das Spektrum der Gemütszustände zwischen freudig und erregt erheblich erweitert, von der leichten Pulsfrequenzerhöhung beim Aufploppen des Logos „Sie haben neue Nachrichten“ über den genervten Seufzer angesichts der Überfülle der Mitteilungen, die jederzeit allüberall zur Kenntnis genommen werden möchten, bis zum Tobsuchtsanfall bei akuten Junkmail-Attacken, von Hate-Mails zu schweigen. Die ersten Zeilen, die zorn@germany verschickte, kultivierten den Online-Benimm übrigens gleich auf denkbar formvollendete Weise: Höflich beantworteten sie den offiziellen Willkommensgruß der amerikanischen Wissenschaftskollegen: „We are glad to have you aboard.“ Am Anfang war also der Zorn. Seitdem geht die Post ab.

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