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Medien: Friede mit sich selbst

Sie wollte immer nur Harmonie, heißt es in der Biografie von Friede Springer. Scheinbar hat sie das Ziel erreicht

„Ik ha’t skafet“ – „Ich habe es geschafft“ heißt das letzte Kapitel von Friede Springers Biografie. Auf diesen letzten Seiten beschreibt die Autorin, Inge Kloepfer, wie die fünfte und letzte Frau von Axel Springer den 8. Oktober 2002 verbracht hat. An jenem Abend rief sie ihre Schulfreundin an und sagte auf Friesisch, der Sprache ihrer Kindheit: „Tattje, ik ha’t skafet“.

Was hatte sie geschafft? War sie erleichtert, den Verlag, das Lebenswerk ihres Mannes – anders als Axel Springer – vor Begehrlichkeiten anderer gesichert zu haben? War sie froh, die anderen Erben endgültig ausgeschaltet zu haben? War sie glücklich, es allen gezeigt zu haben, die sie zeitlebens unterschätzt hatten? Oder war sie stolz, zum ersten Mal in ihrem Leben selbst etwas erreicht zu haben – jetzt, da sie unbestrittene Mehrheitsaktionärin der Axel Springer AG war und nichts mehr gegen ihren Willen geschehen konnte?

Wer sich über Friede Springer informiert, gerät an Menschen, die viel Schlechtes sagen über diese zierliche, blonde Frau mit einem Lächeln, das sie an- und ausknipsen kann wie eine Lampe, die ebenso diszipliniert wie spröde wirkt. Manche sagen, sie sei berechnend, obendrein geizig, mit einem Herz, so kalt und so hart wie Stein. Sie sagen, ihr einziges Bestreben sei gewesen, sich an Axel Springer zu bereichern. Am Verlag liege ihr herzlich wenig, wie sonst hätte sie es übers Herz bringen können, das gemeinsam eingerichtete Gut Schierensee zu verkaufen – einfach so, ohne mit der Wimper zu zucken. Es müsse nur ein attraktives Angebot kommen, schon wäre sie bereit, den ganzen Laden abzugeben. Friede Springer, geborene Riewerts, sei und bleibe die einfache Gärtnerstochter, die der Insel Föhr entfloh, um – weil sie nichts gelernt hatte – als Kindermädchen in der Welt der Reichen und Gebildeten auf fremde Kosten ein luxuriöses Leben zu führen. Auf diese Weise sei sie an den dreißig Jahre älteren Verleger geraten, habe ihn mit ihrer Jugend verführt und sich nach seinem Tod des Verlags bemächtigt.

Inge Kloepfer, Wirtschaftsredakteurin der „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“, zeichnet ein anderes Bild von Friede Springer. Ein Bild, das ihr zugesteht, sich entwickelt zu haben, an ihren Aufgaben gewachsen zu sein. Gespräche mit der Familie, mit Freunden, Gegnern, Angestellten, Wegbegleitern, vor allem aber zahlreiche Gespräche mit der in der Öffentlichkeit sonst so zurückhaltenden Friede Springer bilden die Grundlage der – abgesehen von den Zitaten – unautorisierten Biografie (Hoffmann und Campe). Ehrlich habe sie geantwortet, verbindlich sei sie gewesen, vorbehaltlos offen und ohne Rücksicht auf die eigene Person; um keine Frage habe sie sich gewunden, keine einzige unbeantwortet gelassen, erinnert sich die Autorin. Friede Springer wollte sich auf Anfrage zu Details der Biografie nicht äußern. Sie sagte nur: „Weil ich Vertrauen zu Frau Inge Kloepfer hatte, habe ich ihr viel erzählt. Sie hat sehr einfühlsam geschrieben, aber das Buch ist ihre Sicht auf die Dinge, das heißt in der Verantwortung der Autorin. Es ist nicht von mir autorisiert.“ Um es vorwegzunehmen: Der Mix aus trivialem Liebesroman und spannendem Wirtschaftskrimi, auf angenehm lakonische Weise erzählt, fesselt den Leser bis zur letzten Seite.

Vor wenigen Jahren wäre eine Biografie der heute 62-Jährigen fehl am Platz gewesen, denn diese Frau führte kein eigenes Leben. Friede Springer lebte erst in Diensten und später zu Diensten Axel Springers. Bis an die Grenzen der Selbstverleugnung lebte sie sein Leben, widersprach ihm nie, wollte ihm alles recht machen, himmelte ihn an, ließ sich von ihm vereinnahmen, formen, alles vorschreiben und in jungen Jahren wie eine Mätresse aushalten. Axel Springer sagte ihr, sie solle sich gerade hinsetzen, beauftragte eine Vertraute, ihr angemessene Kleider zu kaufen und eine entsprechende Erziehung angedeihen zu lassen. Friede Springer erscheint in solchen Passagen als ahnungsloses, alles erduldendes Wesen ohne Eloquenz, das sich erst nach dem Tod des Verlegers in eine einsame, misstrauische, ängstliche, sich ihrer Schwächen durchaus bewusste Frau wandelt, die nicht mehr wie eine Marionette von anderen geführt wird, sondern selbst die Fäden in der Hand hält. Erst seit wenigen Jahren lebt Friede Springer ihr eigenes Leben, das allerdings ziemlich reduziert zu sein scheint auf diese eine, ihr von Axel Springer übertragene Aufgabe: sein Lebenswerk, den Verlag, zusammenzuhalten und zu sichern. So schildert es Kloepfers Biografie. Sie erscheint im Jahr des zwanzigsten Todestages von Axel Springer.

Das Buch lässt nicht nur Friede Springer in einem neuen Licht erscheinen. In gewisser Weise demontiert es Axel Springer. Er wird als rastloser, unentschlossener, blauäugiger Mann beschrieben, der keine verbindlichen Entscheidungen traf und ein Erbe hinterließ, das alles andere als geordnet war. Er war es, der Kirch den Einstieg ermöglichte. Springer hatte einen Konzern aufgebaut, von dessen schierer Größe er sich überfordert fühlte. Immer wieder wollte er die wirtschaftliche Verantwortung loswerden, das Sagen aber behalten. Und plötzlich war Friede Springer, ahnungslos in kaufmännischen wie journalistischen Dingen, Testamentsvollstreckerin und Haupterbin in einer Person, dafür verantwortlich, die Geschicke des Verlags zu leiten. „Friede, du wirst das schon machen“, hatte Axel ihr gesagt. „Zum ersten Mal war sie die letzte Instanz, nicht Axel Springer“, schreibt Kloepfer.

Friede Springer hat die Verantwortung angenommen. All die Gefechte mit Leo Kirch, Burda, wieder Kirch, der WAZ und immer wieder Kirch erzählt Inge Kloepfer weit gehend chronologisch und lückenlos. Sie beschreibt anschaulich, wie wenig Axel Springers vermeintlich engste Vertraute von Friede Springer hielten, wie wenig sie ihr zutrauten, wie intrigant sie ihre Machtansprüche ausfochten. Zu ihrer Ängstlichkeit und ihren Zweifeln gesellte sich nach mehreren Vertrauensbrüchen das Misstrauen, zu ihrer Verantwortung hohe Schulden, die sie anhäufte, um Miterben und Mitgesellschafter herauszukaufen und weitere Aktien zu erwerben, die ihr die unbestrittene Mehrheit sicherten. An jenem Tag, an dem das erreicht war, sagte Friede Springer: „Ik ha’t skafet.“ Folgt man Inge Kloepfers Beschreibungen, wollte Friede Springer immer nur eines: Harmonie. Ein schlichtes Ziel, passend zum schlichten Gemüt einer wenig selbstreflexiven Frau.

Eine Schlüsselfunktion kommt Mathias Döpfner zu, dem ersten Vorstandschef, der Axel Springer nie persönlich begegnet ist. Als er, damals Chefredakteur bei Gruner + Jahr, Friede Springer kennen lernte, soll er erstaunt gewesen sein, wie wenig diese mächtige Frau redet. Er interpretierte es nicht wie seine Vorgänger als Zeichen mangelnder Eloquenz, sondern als sympathische Bescheidenheit. Er akzeptierte sie und bewies von Anfang an Wertschätzung. Das hatte zuvor keiner getan.

So kommt es zu jener bezeichnenden Szene vom 1. Juni 2003, in der zwei Männer und eine Frau in Tel Aviv unterwegs sind zur Ben-Gurion-Universität. Ihr hatte Axel Springer 22 Jahre zuvor den Bau eines Auditoriums ermöglicht, das seitdem seinen Namen trug. Damals, schreibt Inge Kloepfer, war Springer persönlich angereist mit seiner Frau Friede und Ernst Cramer. Jetzt sollte das Auditorium, das die Axel Springer Stiftung renovieren ließ, wiedereröffnet werden: „Friede Springer verfolgte Döpfners Rede in der ersten Reihe, genauso wie sie den vielen Auftritten ihres verstorbenen Mannes beigewohnt hatte: den Blick gerade nach oben gerichtet, ihr freundliches Lächeln auf den Lippen. Ihre Augen strahlten. Sie war stolz auf Mathias Döpfner. (…) Er (Cramer) war ihr Verbindungsglied zu ihrem Leben mit Axel. (…) Döpfner war die Zukunft, sie setzte alle Hoffnungen in ihn. (…) Zukunft und Vergangenheit befanden sich für sie in diesem Moment im Einklang – endlich. Zum ersten Mal seit Springers Tod.“

Damit endet die Biografie. Es ist ein Happy End wie es in einem Rosamunde-Pilcher-Film nicht kitschiger geraten könnte. Friede Springer sagt, das Buch drücke Inge Kloepfers Sicht der Dinge aus, und doch beschreibt es in weiten Teilen die Gedanken und Erinnerungen Friede Springers.

Was bleibt? Mathias Döpfner ist der von Friede Springer auserwählte Vorstandsvorsitzende, ihr Nachbar, ihr Vertrauter, der Vater ihres Patenkindes, ein loyaler Freund, mit dem sie ebenso über Berufliches wie Privates redet. Seine Pflicht ist es, stets im Sinne aller Aktionäre zu handeln. So war das auch im Kampf gegen Leo Kirch. Er ging so aus, wie Friede Springer es sich immer gewünscht hatte.

Aus Sicht des Unternehmens ist die wichtigste Botschaft dieser Biografie, dass die Eigenständigkeit des Verlags bei Friede Springer Priorität genießt. Nie wieder soll ein Aktionär über so viele Stimmrechte verfügen, dass er bei Springer mitreden kann.

Für den Moment hat sie das erreicht. Die Frage, ob es von Dauer ist, könnte sich bald wieder stellen, sollte Springer zur Finanzierung der Übernahme von ProSiebenSat 1 ein Aktienpaket anbieten.

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