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Unter der Lupe. ARD, ZDF und Deutschlandradio nehmen jährlich 8,1 Milliarden Euro über den Rundfunkbeitrag ein. Höhe und Verwendung sind strittig.

© dpa

Fünf Prozent vom Rundfunkbeitrag: Öffnet ein Fenster für Innovationen!

Der Rundfunkbeitrag ist nicht nur für die öffentlich-rechtlichen Anstalten da. Deswegen wollte eine Innovationagentur fünf Prozent der Mittel bekommen. Eine Position.

Derzeit wird viel über Reformen bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten, ihre künftigen Aufgaben und die Höhe des Rundfunkbeitrags diskutiert. Eine Frage erscheint mir vernachlässigt: Wozu soll der Rundfunkbeitrag in der digitalen Zukunft dienen? Es ist kein Naturgesetz, dass er den Anstalten zusteht. 2013 eingeführt, knüpft er nicht mehr an das Gerät an, weil es die abgeschlossene Welt des Rundfunkempfängers nicht mehr gibt. Nun verliert auch der besondere Übertragungsweg für den Rundfunk, der dem traditionellen Begriff „Sender“ zugrunde liegt, immer mehr an Bedeutung gegenüber dem Internet.

Auch in der Zukunft macht es Sinn, audiovisuelle Inhalte zu fördern, die der Markt nicht finanzieren kann, die aber für den Zusammenhalt der Gesellschaft und die Vielfalt der Meinungen wichtig sind. Aber ein zentrales Element der Grundversorgung, die das Ziel der öffentlichen Rundfunkfinanzierung seit jeher ist, wird von den öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht mehr erfüllt: die gesamte Bevölkerung zu erreichen. Auch die Bürgerinnen und Bürger, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht nutzen, müssen den Rundfunkbeitrag bezahlen. Sie wirken an der Meinungs- und politischen Willensbildung mit, und deshalb muss es auch Ziel sein, sie zu erreichen. Besonders gilt dies für die jüngeren Generationen.

"Bild" schafft Politikberichterstattung ohne Subventionen

Ich halte es nicht für die richtige Antwort darauf, künftig auch private Veranstalter für bestimmte Programmteile aus dem Rundfunkbeitrag zu fördern (eine Ausnahme mag für regionale und lokale Inhalte gelten). ProSiebenSat 1 und RTL sind auf hohe Renditen getrimmt, und würden versuchen, Mitnahmeeffekte zu optimieren. Warum sollen sie für politische Magazine Geld bekommen, wenn die „Bild“-Zeitung ihre Politikberichterstattung auch ohne Subventionen schafft?

Es ist aber auch keine Lösung, dass der Rundfunkbeitrag praktisch ausschließlich den öffentlich-rechtlichen Anstalten zugutekommt. Sie mögen noch der Ausgleich gegen Defizite werbefinanzierter Fernsehprogramme sein. Sie sind aber kein Gegengewicht gegen die Macht global agierender Plattformen wie Facebook, Amazon und Google.

Das vorrangige Ziel des Rundfunkbeitrags, der künftig eher ein Internetbeitrag sein wird, ist nicht die Finanzierung von Anstalten, sondern die Erfüllung der Aufgabe, die Grundlagen der öffentlichen Meinungsbildung und damit der demokratischen Ordnung zu sichern. Der Entwicklungsauftrag der Verfassungsrechtsprechung darf nicht auf den Schutz bestehender Institutionen reduziert werden.

Unsere Kommunikationslandschaft geht durch grundlegende Veränderungen. Das kann nicht ohne Rückwirkungen darauf bleiben, worin die Rechtfertigung des Rundfunkbeitrags liegt und wofür er eingesetzt wird.

Die Organisationsform der öffentlich-rechtlichen Anstalt entstammt einer ganz anderen Zeit. Damals gab es noch ein Rundfunkmonopol. In den Gründungszeiten von ARD und ZDF gab es auch ein Postmonopol. Wie verschieden davon ist die heutige Telekom! Die Grundstrukturen von ARD und ZDF aber sind geblieben.

Staat kann ARD und ZDF im Netz nicht schützen

Es war und ist richtig, audiovisuelle Inhalte nicht ebenso dem Markt zu überlassen wie die Telekommunikation. Aber es darf nicht aus den Augen verloren werden, dass öffentlich-rechtliche Anstalten der Konkurrenz ausgesetzt sind, nicht nur im dualen Rundfunksystem, sondern auch durch global agierende Plattformen. Der Staat kann sie noch durch Finanzierung fördern, aber er kann sie im Internet nicht mehr so schützen, wie dies auf eigenen Rundfunkwegen möglich war. Der Zugriff der Konkurrenz auf Daten schafft Wettbewerbsvorteile.

Wenn die Anstalten sich nicht rechtzeitig verändern, gefährdet das jedenfalls vorläufig nicht ihre Finanzierung, sie verschwinden nicht vom Markt wie ein privates Unternehmen. Aber sie werden ihre Aufgaben nicht so erfüllen, wie es möglich wäre. Öffentliche Mittel werden ineffizient ausgegeben. Jeder Sachkundige weiß, wie viele Beharrungskräfte es im öffentlich-rechtlichen System gibt.

Hans Hege war von 1992 bis 2016 Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg.
Hans Hege war von 1992 bis 2016 Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg.

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Ich habe nicht die Illusion, dass in absehbarer Zeit grundlegende Änderungen möglich wären. Dazu ist die Politik zu eng mit den Anstalten verbunden, der Föderalismus mit seinem Zwang zur Einstimmigkeit zu träge. Daher der Vorschlag für eine bescheidene Reform, die aber dazu beitragen kann, dass die Legitimation des Rundfunkbeitrags nicht weiter erodiert.

Fünf Prozent des Rundfunkbeitrages sollten nicht den Anstalten zugewiesen werden, sondern einer Innovationsagentur. Schon heute werden nicht nur die Medienanstalten aus einem Teil des Rundfunkbeitrags finanziert, sondern auch eine Reihe von rundfunkfremden Aufgaben, die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs wiederholt kritisiert worden sind.

Was eine Innovationsagentur leisten kann

Es gäbe ein besseres Modell. Ich schlage vor, die Verwendung auf das zu konzentrieren, was die Anstalten nicht oder nicht hinreichend leisten. Dafür sehe ich drei Schwerpunkte:

– die Förderung audiovisueller Inhalte und innovativer Formate insbesondere für Zielgruppen, die die Anstalten nicht oder nicht mehr erreichen; diese Inhalte sollten über alle dafür geeigneten Wege und Plattformen verbreitet werden

– die Stärkung der Zivilgesellschaft als Gegenkraft zu global dominierenden Medienunternehmen. Im letzten Jahrhundert sollten offene Kanäle, aus Gebühren finanziert, eine Gegenkraft zum kommerziellen Fernsehen sein. Das sind sie nicht geworden (bieten in Berlin immerhin Freiräume für kreative Experimente). Heute brauchen wir mehr denn je ein Gegengewicht zu globalen Plattformen, aber auch den Telekommunikationsunternehmen und dominierenden Inhalteanbietern

- die Förderung unabhängiger Forschung zu Medien und Kommunikation

Eine Innovationsagentur könnte diese Aufgaben koordinieren und Mittel in transparenten Verfahren vergeben. Sie müsste bundesweit handeln und damit der Standortpolitik entzogen sein. Ein an den Aufgaben der Zukunft orientiertes Organisationsmodell müsste professionellen Sachverstand einbeziehen, mit einem kollegialen Beschlussorgan. Rundfunk- oder Medienräte sind dafür nicht geeignet. Die Agentur sollte keine eigenen Projekte durchführen, sondern vielfältige Initiativen unterstützen.

Rundfunkbeitrag muss nicht erhöht werden

Fünf Prozent für eine solche Innovationsinventur müssten nicht zu einer Erhöhung des Rundfunkbeitrags führen. Eine entsprechende Einsparung bei den Anstalten hätte den positiven Effekt, dass auf überkommene Aufgaben verzichtet würde und Prioritäten gesetzt werden müssten. Das müsste lange nicht so einschneidend sein wie Wowereits Sparmaßnahmen für Berlin, könnte aber ebenso Freiräume für Entwicklungen schaffen.

Hans Hege war von 1992 bis 2016 Direktor der Medienanstalt Berlin-Brandenburg.

Hans Hege

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