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Kommissar Frank Wolf (Hinnerk Schönemann) dämmert allmählich, dass die frühere Ermittlung den falschen Mörder „produziert“ hat.

© obs

„Für immer ein Mörder“:: Arte-Krimi bewältigt Verbrechen und Vergangenheit

Fahndung Ost, Fahndung West: Hinnerk Schönemann rollt als Kommissar einen alten Mordfall neu auf. Dabei hat Michael Gwisdek einen großen Auftritt.

Das passte doch. Wer sonst als Konrad Ritter (Luca Zamperoni), Rockmusiker und Frauenbeglücker, soll die Polizistentochter Doreen Wojcik (Katrin Wolter) getötet haben?. Damals, 1983, in der Gegend von Eisenach. Verhaftung, Verurteilung, nach anderthalb Jahren Wiederaufnahme, Freispruch. Aber Ritter bleibt verurteilt, wird ausgegrenzt, zieht sich dorthin zurück, wo ihn die Gesellschaft am liebsten sehen möchte – an den Rand. Wenn aber Ritter tatsächlich nicht der Mörder von Doreen Wojcik war, wer dann?

Das will die westdeutsche Kommissarin Yvonne Weber (Teresa Weißbach) herausfinden. Sie ist im Oktober von Frankfurt am Main nach Eisenach gewechselt, gemeinsam mit dem dortigen Kollegen Frank Wolf (Hinnerk Schönemann) soll sie den Fall neu aufrollen. Die Zeit drängt, 2000 beginnt die Verjährung für alle ostdeutschen Straftaten vor 1990. In der Dienststelle Eisenach und bei der Staatsanwaltschaft Gotha besteht keinerlei Interesse an der Fahndung nach der Wahrheit. Dicht ist die Deckung, gewachsene Bindungen, überkommene Abhängigkeiten, alte Seilschaften, was geschehen ist, soll ruhen. Im Scheinfrieden, unter und über der Erde.

Aber die Wessi-Kollegin gräbt, und der widerspenstige Ossi-Kollege, der sie als „Nervensäge“ bezeichnet, gräbt bald mit. Gegen seinen Willen, offenbar ist sein väterlicher Vorgesetzter Wolfgang Schulte ( Karl Kranzkowski) involviert. Aber dann, als Wolf in der Asservatenkammer in Gotha den beim Verhör eingesetzten Folterhocker findet, steigt er mit ganzem Einsatz in die Ermittlungen ein.

Nicht frei von Ost-West-Klischees

Holger Karsten Schmidt („Mord in Eberswalde“) hat das Drehbuch nach wahren Begebenheiten geschrieben. Weder frei von Ost-West-Klischees, weder sprühend im Fahndungsplot, bekommt der Film seine eigene Qualität mit der Figur Wolf. Einer, der bestens in den Polizeikorpsgeist passte, fahndet sich frei, Ehrgeiz und Gerechtigkeitssinn sind geweckt. Weber und Wolf tauchen tief in die Vergangenheit, Wolf zusätzlich in seine, die nicht seine Zukunft sein soll. Aufklärung beim Fall, Aufklärung im eigenen Charakter. „Der Fall Ritter“ ist auch der Fall Wolf – und der Fall einer ganzen Corona von Ermittlern und Staatsanwälten, die so unbeschadet in die neue Zeit gewechselt sind.

Rückblenden zeigen, wie sehr auf den „gewünschten“ Mörder zugearbeitet wurde. Grobe wie sanfte Ermittler-Sadisten aus Volkspolizei und Stasi haben Konrad Ritter 350 Stunden auf dem Schraubenhocker gequält, drei Mal hat Ritter gestanden, drei Mal sein Geständnis widerrufen. Dann war der Mörder „fertig“, der wahre zugedeckt und die eigene Sauerei zudem. Der Krimi wirft da ein sehr weites Netz aus, offenbar wird, wie ein Fahndungsergebnis gesucht wurde, weil ein anderes in die Ideologie von Guten und Bösen im DDR-Staat nicht passen durfte.

Verschüttetes wird ausgegraben, Grundfesten werden zerstört, Schicht für Schicht: Auch ohne vertiefte, versinnbildlichte Psychoanalyse wird Schuld zutage gefördert. Da hat sich der Film aus den Schablonen des Aufdeckungsplots längst gelöst, der Moraldiskurs drückt auch nicht mehr so stark, Krimi und zeitgeschichtliches Drama kommen in die Balance – und das Finale schwebt. Da wird nicht triumphiert, da hat Frank Wolf seinen Reifungsprozess abgeschlossen.

Die Inszenierung von Johannes Grieser sucht ein gerechtes Ergebnis. Er will das Publikum nachvollziehen lassen, warum so gehandelt wurde und wird. Die meisten, die wichtigsten Figuren bekommen ihr Unterfutter, nur bei den Stasi-Obristen verhaut sich „Ermittlungsregisseur“ Grieser. Bei (Ex-)Major Boehlke (Hilmar Eichhorn) tritt Schaum vor den Mund, Staatsanwalt Kleinert (Martin Brambach) tänzelt. Nicht zum ersten Mal in einem Fernsehfilm über die ehemalige DDR sind die so mächtigen, gefürchteten MfS-Leute Landsknechte und leise Mörder. Das geht – zu stark – Richtung Stasi-Plastinat.

Teresa Weißbach als ermittelnde WestKraft und Hinnerk Schönemann als wandelnde Ost-Ermittlung treten hervor. Als Helden? Das wäre zu viel. Als Polizisten, die die Nestbeschmutzung nicht scheuen und den Schmerz des Opfers, des gefallenen Rockmusikers Ritter, hinter dem eigenen Fortkommen nicht übersehen wollen.

Und Michael Gwisdek als damals von der Fahndung abgezogener Ermittler Walter Voss hat seinen großen Auftritt.

„Für immer ein Mörder – Der Fall Ritter“, Arte, Freitag, 20 Uhr 15

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