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Medien: Fürchtet euch nicht

Alte Fronten und neue Allianzen beim Medienforum NRW

Pantoffelkino, das klingt so schön nostalgisch. Aber diese Zeiten sind natürlich längst vorbei: Mit Pantoffeln kommt man nicht weit auf der digitalen Datenautobahn. Wer heute Fernsehen produziert, hat andere Sorgen. Dem Zuschauer sind die in der Regel egal. Aber es regen sich doch leichte Mitleidsgefühle, wenn ein gestandener ZDF-Intendant solche Visionen hat: „Warum sollen wir freiwillig das Haupt auf das Schafott legen?“, fragte Markus Schächter gestern zum Auftakt des 18. Medienforums NRW in Köln. Ja, warum? Vielleicht wegen der „ganz neuen Revolution“, die Pro Sieben Sat 1-Chef Guillaume De Posch erkannt haben will? So blutig wird’s wohl nicht werden, aber tatsächlich wird die klassische Rundfunkwelt durch die Digitalisierung durcheinander geschüttelt. Internet- und Handyfernsehen stehen vor der Tür, die Vergabe der Bundesliga-Rechte wird zu einem komplizierten Vertragsdschungel, das private Fernsehen womöglich bald zum Pay-TV. „Die digitale Dividende zahlt in erster Linie der Verbraucher“, sagte WDR- Intendant Fritz Pleitgen. Bei diesem Satz wird auch das Publikum hellhörig.

Bei der traditionellen „Elefantenrunde“ waren sich die Chefs der größten TV-Sender weitgehend einig. Selbst die leidige Gebührendebatte fand sich nur noch am Rande wieder. Aber in der Frage der Verschlüsselung des Fernsehprogramms für Satellitenkunden taten sich noch die alten Fronten auf. Die Betreiberfirma Astra will demnächst eine Plattform anbieten, über die RTL, Sat 1 und Pro7 ihre Programme nur noch verschlüsselt ausstrahlen. Laut RTL-Chefin Anke Schäferkordt ist dies „die Eintrittskarte in die digitale Welt“ und im Ausland sowieso längst üblich. Fritz Pleitgen fürchtet dagegen, dass dadurch die Digitalisierung verzögert werde. Natürlich geht es bei der Verschlüsselung ums Geld, aber auch um eine genauere regionale Abgrenzung etwa bei der Verwertung von Sportrechten und darum, „den Zuschauer für uns adressierbar zu machen“ (Schäferkordt). Soll heißen: über Rückkanäle mehr individuelle Auswahlmöglichkeiten anzubieten, aber auch mehr Informationen über die Abonnenten zu gewinnen. Markus Schächter warnte denn auch vor dem „gläsernen Kunden“ und wies darauf hin, dass ARD und ZDF die nächsten sportlichen Großereignisse (Fußball-Welt- und -Europameisterschaften, Olympische Spiele) unverschlüsselt ausstrahlen werden.

Aber alte Gegner bilden in diesen Tagen auch neue Allianzen. Gemeinsam wiesen die Fernsehmanager sorgenvoll auf die neuen Konkurrenten hin: Netzbetreiber wie Unity Media, Kabel Deutschland und T-Online werden zu Programmanbietern und verfügen über wertvolle Rechte. Da fürchtet Premiere-Chef Georg Kofler, der bis vor kurzem beim Pay-TV selbst noch konkurrenzlos war, dass die Unity Media ihren Bundesliga-Sender Arena bevorzugen und Premiere den Zugang zu ihren Kabelkunden erschweren könnte. „Gleiche Regeln für alle Player im Markt“, forderte auch Anke Schäferkordt und sah sich einig mit den Vertretern von ARD und ZDF, die ebenfalls gerne auf allen (digitalen) Plattformen dabei sind.

Und dies soll nach Ansicht von Jürgen Rüttgers (CDU) auch so bleiben. „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nicht nur zum Füllen irgendwelcher Lücken da“, sagte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. ARD und ZDF hätten das Recht, sich an neuen Entwicklungen zu beteiligen, „und dazu gehört auch das Handy-TV“. Rüttgers verteidigte gegenüber der Europäischen Union das deutsche Rundfunkmodell und kritisierte, dass die EU-Kommission die Gebührenfinanzierung in Frage stelle. „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist Teil unserer Medienkultur in Deutschland, und das muss auch so bleiben“, sagte er. Wie prächtig sich die seit einem Jahr regierende CDU/FDP-Koalition und der Landessender WDR verstehen, dokumentiert auch der Wunsch einiger Rundfunkratsmitglieder vor allem aus der Union, die Fritz Pleitgen bitten wollen, über das Ende seiner zweiten Amtszeit Mitte 2007 hinaus Intendant zu bleiben. Hintergrund ist offenbar eine von der CDU gewünschte Neuordnung der WDR-Kontrollgremien. Heute soll im Rundfunkrat darüber entschieden werden, ob eine Findungskommission für die Wahl eines neuen Intendanten eingesetzt wird oder nicht. Fritz Pleitgen hielt sich gestern bedeckt. Allerdings hatte er bisher keinen Zweifel daran gelassen, dass seine Lebensplanung anders aussah.

Jürgen Rüttgers hatte freilich auch für die Vertreter der Privatsender ein Zuckerstückchen dabei: „Wer wann wie viel Werbung ausstrahlt, ist keine Frage, die der Staat entscheiden muss.“ Der umstrittene Entwurf der Fernsehrichtlinie der EU werde 2007 unter deutscher Ratspräsidentschaft abschließend beraten.

Thomas Gehringr[Köln]

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