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Manfred "Manni" BREUCKMANN

© pa

Fußball-Reporter: Sein letzter Torschrei

Er hat ein erotisches Verhältnis zu Mikrofonen: Fußball-Reporter Manni Breuckmann geht vom Platz – nach 36 Bundesliga-Jahren.

Am Anfang stand die Klamottenfrage: Tagelang grübelte Manni Breuckmann vor seinem ersten Auftritt als Radiomann. Der Student machte sich vor der Regionalligapartie Neuss gegen Wattenscheid Gedanken über sein Outfit, „schließlich“, so beschreibt es Breuckmann in seiner Autobiographie „Mein Leben als jugendlicher Draufgänger“ mit der ihm eigenen Selbstironie, „stand ich am Beginn einer galaktischen Karriere.“ Den entscheidenden Hinweis gab Kumpel Joe, der dem Debütanten riet: „Zieh dich an wie jeden Tag. Ist doch nur Radio, dich sieht doch sowieso keiner.“

36 Jahre später spielt die Etikette längst keine Rolle mehr. Breuckmann sitzt in der Kantine des Dortmunder WDR-Funkhauses und betrachtet die Schneeflocken, die vom Himmel fallen. Er trägt eine braune Lederhose und eine dunkelblaue Strickjacke. So kleidet sich einer, der weiß, dass er sich nicht über so profane Dinge wie Kleidungsstücke definieren muss. Breuckmann überzeugt mit seiner Stimme, sie ist zu seinem Markenzeichen geworden. Und durch eine Souveränität, die er sich durch hunderte Live-Reportagen erworben hat. Wenn Manni Breuckmann über sich, den Fußball und das Radio parliert, dann ist er auf sicherem Terrain. Was soll ihm da schon passieren, wo er doch alles erlebt hat, was im Getümmel der 90 Minuten zu erleben ist?

„Ich kann beruhigt abtreten“, sagt er, „es gibt kein Potenzial mehr nach oben.“ Ja, es stimmt: Manni Breuckmann macht Schluss. Wenn morgen der VfL Bochum gegen den 1. FC Köln antritt, moderiert die „Stimme des Ruhrgebiets“ seine letzte Schicht. Danach geht es in die Altersteilzeit. Mit 57, und damit wesentlich früher, als es sich tausende Fußballfans erhofft haben, für die ihr Manni in all den Jahren zum Wegbegleiter, gar zum Kumpel geworden ist. Am vergangenen Samstag ist sein legendäres „Tooor auf Schalke“ zum letzten Mal über den Äther gegangen, als Asamoah gegen Hertha der Siegtreffer gelang. Später hat der Reporter noch über „lustige sechs Minuten plus Nachspielzeit“ referiert und beschrieben, wie der Torschütze bei seiner Auswechselung „die Faust in den Himmel reckt“. Und: „Die Nordkurve, sie tobt.“

Es war also wie immer: Knackig, erdverbunden und mit einer Attitüde, die sich zu viel Ernsthaftigkeit standhaft verweigert. So haben die Menschen im Revier den Mann lieben gelernt, den nur noch seine Mutter mit seinem Vornamen Manfred anspricht. Die Popularität schmeichelt Breuckmann, der über seinen Narzissmus offen spricht: „Ich habe ein erotisches Verhältnis zu Mikrophonen“, sagt Breuckmann, der den Verdacht nicht los wird, „dass ich im Grunde nur ein selbstverliebter eitler Gockel bin, der Radiofrequenzen missbraucht, um sein Ego anzufüttern.“

Eine solche Wahrnehmung ist wesentlich kritischer als die der Öffentlichkeit. Schließlich hat Breuckmann allen Versuchungen widerstanden, die Seiten zu wechseln. Im Gegensatz zum Kollegen Werner Hansch, der beim Privatfernsehen Geld und Popularität mehrte, aber darüber seinen Kultstatus verlor, ist Breuckmann seinem Medium und damit sich selbst treu geblieben.

Vorgezeichnet war der Weg ins Radio indes nicht. Als Kind aus einem streng katholischen Elternhaus im Revierstädtchen Datteln war die Laufbahn als kirchlicher Würdenträger bis in die Pubertät skizziert. Später folgte der Wunsch, als Jurist Karriere zu machen, doch nach dem Studium in Marburg und dem Referendariat war auch dieser Weg endlich. Der Verwaltungsrichter in Gelsenkirchen hatte den Nachwuchsreporter ermahnt, er müsse das mit dem Fußball sein lassen, weil sich eine solch profane Tätigkeit nicht mit der Würde eines Richters vereinbaren ließe.

Doch da loderte die Begeisterung für den Journalismus schon so heiß, dass die Entscheidung leicht fiel. Sechs Weltmeisterschaften und sechs Europameisterschaften hat Breuckmann begleitet, sein eigentliches Revier ist jedoch immer die Bundesliga geblieben. Samstags von kurz vor halb vier bis viertel nach fünf, das ist seine Zeit. Dann, wenn sich die Reporter in der ARD-Konferenz überschlagen. So, wie beim historischen letzten Spieltag der Saison 1998/1999, als es für Frankfurt, Rostock und Nürnberg ums nackte Überleben ging. Da begleitete Breuckmann die Hanseaten bei ihrem Kampf in Bochum, während der Kollege Günter Koch aus Franken herüberrief: „Ich melde mich vom Abgrund.“ Wenige Minuten später waren die Nürnberger einen Schritt weiter, weil die Frankfurter das eine Tor geschossen hatten, das den Nürnbergern fehlte. „Danach“, so weiß Breuckmann aus erster Hand, sei der glühende Club-Fan Koch „heimlich in sein Auto geschlichen, ’ne Runde abheulen.“

Breuckmann erzählt das mit breitem Grinsen, denn so weit würde er es nicht kommen lassen. Ganz klar, er hat ein Faible für die Reviervereine und hegt besondere Sympathien für Schalke, „aber ich bin meilenweit davon entfernt, ein Fanatiker zu sein“. Obwohl: An der Geschichte mit der Schalker Vier-Minuten-Meisterschaft hatte er „zwei bis drei Wochen zu knacken. Das hätte ich in dieser Intensität nie für möglich gehalten.“

Zu den unvergesslichen Momenten gehörte auch der Dortmunder Champions-League-Triumph 1997 gegen Juventus Turin, als Breuckmann in der zweiten Hälfte mit seherischen Fähigkeiten ankündigte, „nun kommt der Mann, der das Spiel entscheiden wird“. Sekunden nach seiner Einwechslung traf Lars Ricken und machte sich unsterblich. Und ein kleines bisschen auch den Reporter, der den verbalen Steilpass zur Heldentat geliefert hatte. Eine Woche zuvor durfte Breuckmann bereits den Sieg seiner Schalker im Uefa-Cup verkünden. Allerdings schmerzt ihn noch heute, „dass ich das Foto verloren habe, auf dem ich beim Rückflug aus Mailand mit dem Pokal zu sehen bin“.

Seitdem ist die Distanz zum Fußball gewachsen. Vor allem „dieses Marketinggeschwätz, das ich mir ständig anhören muss“, ist Breuckmann ein Greuel. Beim Thema Kommerzialisierung wird der Reporter zum Romantiker: „Fußball ist kein Produkt. Wer glaubt, das Spiel sei in erster Linie dafür da, um Geld zu verdienen, verrät es.“ Auch Politiker, die sich aus wahlkampftaktischen Gründen an Vereine ranschmeißen, widern ihn an. In solchen Momenten ist Breuckmann dankbar für die Rolle des Live-Reporters, der sich auf das Geschehen auf dem Rasen reduzieren kann.

Morgen um viertel nach fünf ist damit Schluss. Mit seinem letzten Satz wird Manni Breuckmann zurück ins Funkhaus geben. So wie immer. „Aber auf meinen vorletzten Satz“, sagt der scheidende Reporter mit gedankenschwerem Blick, „sollten die Menschen am Radio ganz genau achten.“ Man darf gespannt sein, was sich Breuckmann zurechtgelegt hat, um seinen Abgang zu inszenieren.

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