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Für ARD und ZDF sind Fußball-Weltmeisterschaften wie 2014 in Brasilien unverzichtbar. Ein Boykott kommt für sie nicht in Frage. Einige Politiker fordern die Senderchefs dazu auf, mit ihrem Einfluss gegen Missstände wie bei den Arbeiten in Katar vorzugehen.

© picture alliance / dpa

Fußball und Fernsehen: WM-Boykott bringt nichts

Sollen ARD und ZDF auf Fußball-Weltmeisterschaften verzichten? Die Politik hat dazu eine klare Meinung.

Wer über die Fifa spricht, muss auch über die Rolle der Medien reden, speziell die von ARD und ZDF. Die beiden öffentlich-rechtlichen Sender überweisen 432 Millionen Euro an die Fifa, um die WM 2018 in Russland und 2022 in Katar übertragen zu dürfen. Sie sind Hauptgeldgeber der Fifa und stützen damit das offenbar korrupte System. „Die Fifa ist ein geschlossenes System. Die Fernsehanstalten rennen ihr die Bude ein, die Sponsoren sind sprachlos“, sagte dazu am Sonntag der Fifa-Mitarbeiter Guido Tognoni bei „Günther Jauch“:

ARD und ZDF weisen zwar gebetsmühlenartig auf kritische Berichte beispielsweise über die Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen in Katar hin, doch im Grundsatz gibt es für sie kein Wenn und Aber beim Thema Fußball-WM. „Wir wollen das Ereignis haben, das ZDF kommt an der Fifa nicht vorbei“, sagt ZDF-Intendant Thomas Bellut. Die Rechte an den Übertragungen seien erworben, weitere Vertragsverhandlungen stünden nicht an. Auch die ARD verteidigt die Position: „Zunächst einmal gilt grundsätzlich festzuhalten, dass es für uns als öffentlich-rechtliche Rundfunkanbieter eine strikte Trennung zwischen einem Ereignis und der ausführenden Organisation gibt, sowie die Tatsache, dass der Rechte-Erwerb für eine Fußball-Weltmeisterschaft generell unabhängig vom Austragungsort erfolgt“, sagt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky.

Aber reicht diese Argumentation? Müsste nicht ein öffentlich-rechtlicher WM-Fernsehboykott in Erwägung gezogen werden, um die Fifa zu reformieren? Wir haben die sportpolitischen Sprecher der im Bundestag vertretenen Parteien nach ihren Einschätzungen gefragt. Eberhard Gienger, der sportpolitische Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion, will die Ermittlungen der Behörden in der Schweiz und in den USA zum Fifa-Skandal genau verfolgen. Fraglich sei derzeit, ob auch Fifa-Präsident Blatter gegen geltendes Recht verstoßen habe. Die politische Verantwortung für den Skandal hätte er übernehmen müssen. „Erst im weiteren Verlauf der Ermittlungen können mögliche Konsequenzen diskutiert beziehungsweise erwogen werden. Bei den Folgen müssen wir beachten, dass die Sportler nicht für die Fehler der korrupten Funktionäre bezahlen müssen“, sagt der Christdemokrat dem Tagesspiegel. Die Spieler der deutschen Nationalelf seien Vorbilder hierzulande und könnten nicht in Schutzhaft genommen werden. „Ein TV-Boykott würde ohnehin nur dann Sinn machen, wenn sich alle Länder daran beteiligen.“

SPD-Sprecherin: Nicht der Fußball ist das Problem, sondern das korrupte Fifa-System

Für Michaela Engelmeier, die Sprecherin Sport der SPD-Bundestagsfraktion, ist klar, dass „das Problem nicht der Fußball und auch nicht die Veranstaltung sind, sondern das korrupte System der Fifa. Man sollte also eigentlich darüber diskutieren die Fifa als Organisation zu boykottieren und nicht über ihr Produkt.“ Im Boykott von Sportgroßveranstaltungen durch Sportler sieht die ehemalige Spitzensportlerin keinen Sinn. „Aus moralischer Sicht halte ich es für falsch, Sportler politisch zu instrumentalisieren.“ Aus politischer Sicht sei es unverantwortlich, Spitzensport zunächst zu fördern, dann aber nicht an den Spielen teilzunehmen. „So darf man nicht mit Steuergeldern umgehen.“ Außerdem sei ein Boykott unsozial gegenüber den Sportlern. Ein Boykott von Sportgroßveranstaltungen durch die Medien sei hingegen etwas grundlegend anderes. Zumal die öffentlich-rechtlichen Sender ja auch über den Gebührenzahler finanziert werden. Die Möglichkeit eines Medienboykotts sollte ergebnisoffen und mit Blick auf die Bürgerinnen und Bürger geführt werden.

„Politische Boykotte bringen aus meiner Sicht überhaupt nichts. Sie schaden am Ende nur dem Sport“, sagt dagegen André Hahn, sportpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion der Linken. Weder der Boykott der Olympischen Spiele von 1980 in Moskau durch den Westen noch die Retourkutsche 1984 in Los Angeles durch den ehemaligen Ostblock hätten irgendwelche positiven Effekte gehabt. „Zugleich wurden jedoch hunderte Spitzensportler um den Höhepunkt ihrer Karriere gebracht und Millionen Sportfans in der ganzen Welt enttäuscht.“ Die Medien haben nach seiner Meinung durchaus eine Mitverantwortung und angesichts der dreistelligen Millionensummen, um die es bei den Übertragungsrechten geht, auch reale Einflussmöglichkeiten auf die Rahmenbedingungen der Weltmeisterschaften. „Allerdings sind auch hier Boykottaufrufe wohlfeil, aber nicht wirklich umsetzbar. Die Verträge laufen über mehrere Jahre und würden selbst im Fall einer Kündigung Millionenkosten verursachen.“ Am Ende würde man ohnehin die Falschen treffen, neben den Spielern vor allem die riesige Fangemeinde des Fußballs, die weder für die Korruption an der Spitze der Fifa noch für die höchst umstrittenen Vergabepraktiken für EM und WM verantwortlich ist. Hahn fordert, Olympische Spiele oder auch Fußball-Weltmeisterschaften zu nutzen, über die Jahre nach der Vergabe hinweg politischen Druck auf den Veranstalter auszuüben, dass Menschenrechte, soziale und ökologische Standards geachtet und eingehalten werden.

Grünen-Politiker Mutlu will Rundfunkfreiheit gewahrt sehen

„Die Rundfunkfreiheit ist ein für unsere Demokratie zentraler verfassungsrechtlicher Grundsatz. Es obliegt den Gremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und nicht der Politik, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe Gelder aus der Medienabgabe für Übertragungsrechte an die Fifa gezahlt werden“, sagt Özcan Mutlu, sportpolitischer Sprecher der Grünen. „Dagegen steht selbstverständlich eine Verantwortung der Sender, über Missstände zu berichten, die mit der Fifa oder auch der Austragung der Veranstaltungen einhergehen. Ich würde mir seitens der Sender mehr Mut wünschen, Themen wie die Beachtung der Menschenrechte bei Sportgroßveranstaltungen auch vertraglich festzuhalten und zum Beispiel Ausstiegsklauseln für die Sender zu vereinbaren.“ Dies würde weiteren Druck auf die Fifa ausüben, weil zwischen der Korruption und der Vergabe der WM an Länder wie Katar ein direkter Zusammenhang besteht. „Ganz unabhängig von diesen Fragen müssen wir uns als Fußballfans aber auch an die eigene Nase fassen: Ein Boykott fängt im eigenen Fernsehzimmer an.“

„Einen TV-Boykott des besten Fußballturniers der Welt darf es nicht geben“, sagt FPD-Politiker und Vizepräsident des Europäischen Parlaments Alexander Graf Lambsdorff. „Aber wer sagt, das dies künftig noch von der Fifa ausgerichtet werden muss? Die besten Teams sollten sich zur World Football Association (WFA) zusammenschließen und ihren eigenen Titel ausspielen“, rät der Politiker, dessen Partei nicht im Bundestag vertreten ist. Der DFB sollte dabei eine Führungsrolle einnehmen. „Schließlich ist Deutschland Weltmeister, nicht Sepp Blatter!“

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