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Auch im Internet: die Berliner Fabian Lustenberger (l), Sebastian Langkamp (M) und Niklas Stark.

© dpa

Fußball und Internet: Für Fans, von Fans

Blogs, Foren, Videokanäle: Der Fußball hat im Netz seinen eigenen Mikrokosmos. Immer mehr Vereine suchen den direkten Kontakt zu ihren Anhängern

Am Sonntag kommen sie wieder. Dann ziehen die Fahrradfahrer durch (Ost-)Berlin. Los geht’s an der Eberswalder Straße, am Alex und am Ostkreuz vorbei bis runter nach Köpenick. Ihr Ziel: das Stadion An der Alten Försterei. Dort spielt der 1. FC Union gegen Greuther Fürth.
Es ist Tradition geworden, dass einige Fans des Berliner Fußball-Klubs mit dem Fahrrad zum Spiel kommen. Sie organisieren sich über Facebook. Wer mitmachen will, muss nur der Gruppe „Mit dem Fahrrad zu Union“ beitreten. Treffpunkte, Abfahrtzeiten und Routenplan sind dort einsehbar. Aktuell zählt die Gruppe 91 Mitglieder.

Cybermobbing und Hatespeech sind auch in Fußball-Foren ein Problem

„Mit dem Fahrrad zu Union“ ist eine von vielen privaten Gruppen, in denen sich Fans des Berliner Zweitligisten zusammenschließen, Stadionbesuche planen, diskutieren oder einfach nur Austausch unter Gleichgesinnten suchen. Im Netz hat sich im Bezug auf den Fußball ein eigener Mikrokosmos entwickelt. Mittlerweile ergänzen Foren, Blogs, Fanpages und Podcasts die herkömmliche Berichterstattung aus Fernsehen und Printmedien. Sie sind vielfältiger, spezieller und stärker auf einen bestimmten Klub zugeschnitten. Die meisten Angebote sind unabhängig und von Privatpersonen initiiert. Fanforen etwa. Offiziell von den Vereinen betrieben werden nur noch wenige. Das war vor einigen Jahren anders, Probleme mit der Forenhaftung und Urheberrechten veranlassten viele Profiklubs zum Umdenken, weil User Bilder von Fotografen, Artikel oder anderen geschützten Content verlinkten. Den Klubs wurde der Aufwand zu groß, als es darum ging, die Diskussionen zu moderieren. Das ist aber nötig, Cybermobbing und Hatespeech sind auch in Fußball-Foren ein Problem. Gerade bei Themen wie Homosexualität und Politik. „Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Menschen, die sehr aggressiv und wenig sachlich ihre Meinung in den Foren kundtun“, sagt Marco Wurzbacher, einer der Gründer von „hertha-inside“, dem Fan-Portal des Bundesligisten.

Ärger gab es auch in Köln wegen des offiziellen Vereinsforums

Wurzbacher rief das Forum zu Beginn des Jahrtausends ins Leben, als unabhängiges Projekt. Es dauerte nicht lange, ehe sich der Verein bei ihm und seinen Mitstreitern meldete. „hertha-inside“ wurde offizielles Vereinsforum, schnell aber kam es zu Interessenkonflikten zwischen dem Klub und Wurzbachers Crew. Vor allem als es Hertha sportlich immer schlechter ging und die Kritik der Fans im Forum lauter wurde. Der Verein habe dann immer öfter um die Löschung von Beiträgen gebeten. Heute ist „inside-hertha“ wieder unabhängig, der Bundesligist unterhält ein offizielles Forum unter forum.herthabsc.de. Wurzbacher hat sich aus dem operativen Geschäft zurückgezogen, seit er Mitglied im Präsidium von Hertha BSC ist.
Ärger gab es auch in Köln wegen des offiziellen Vereinsforums. Am „fc-brett“ nahmen Cybermobbing gegen eigene Spieler und unsachliche Kommentare so stark zu, dass sich der Verein 2009 entschied, nur noch Mitgliedern des 1. FC Köln sowie des Fanprojektes den Zugang zu ermöglichen. Der Aufschrei der Netzgemeinde war groß, viele User beschwerten sich über die „geschlossene Gesellschaft“. Inzwischen ist das „fc-brett“ unabhängig. Andere bedeutende Foren sind „Schwatzgelb“ von Borussia Dortmund oder Werder Bremens worum.org.
Für Marco Wurzbacher haben Foren, egal ob offiziell oder von Privatpersonen geführt, den Höhepunkt ihrer Beliebtheit überschritten. Aufgrund der teilweise unsachlichen Diskussionskultur würden sich viele User nun lieber unter Blogs oder über die sozialen Netzwerke Facebook, Twitter und Instagram austauschen. „Die Leute verbringen an sich schon viel Zeit dort und nutzen Social Media natürlich auch, um über ihren Verein zu diskutieren oder sich zu vernetzen“, sagt Sebastian Fiebrig, der regelmäßig über den 1. FC Union bloggt und zu den Betreibern von „Textilvergehen“, einer Fanpage des Berliner Zweitligisten, zählt.
Fiebrig glaubt, dass Podcasts für die Profiklubs in Deutschland immer stärker an Bedeutung gewinnen werden. Von den 18 Bundesligisten gibt es aktuell 15, die Gegenstand von Podcasts sind. Lediglich Ingolstadt, Wolfsburg und Hoffenheim sind in dieser Hinsicht noch nicht vertreten.

Alle lieben Fußball wegen der Emotionalität

In den Sendungen geht es um alles Mögliche: Fanthemen wie Choreografien, Aktionen oder Erlebnisse auf Auswärtsreisen. Gern wird auch das vergangene Spiel noch mal analysiert. Und natürlich geht es auch um die Mannschaft, den Trainer und den kommenden Gegner. Die Berichte sind nah am Verein und weniger kontrovers. Von Fans, für Fans. So hat sich im Netz unter anderem eine Meinungskultur entwickelt, die sich als Gegengewicht zu den traditionellen Medien versteht. Viele Anhänger sind nicht mehr gewillt, die mediale Deutungshoheit über ihren Verein anderen zu überlassen. Sie verstehen sich als ein Teil des Klubs und nicht als Betrachter von außen. Im Netz nehmen sie die Verteidigerrolle ein. Eine Wagenburgmentalität ist die Folge: „Wir gegen die da draußen“. „Alle lieben Fußball wegen der Emotionalität, klar, dass es dann auch beim Thema Medien emotional wird“, sagt Fiebrig. Zuletzt wurde sich auf den Fanpages darüber beschwert, wie in Zeitungen oder im Fernsehen über die Entlassung des Trainers Norbert Düwel berichtet wurde. Willkür, fehlender Sachverstand oder Arroganz sind gängige Vorwürfe an die Journalisten. Im „unionforum“ schrieb der User „Maler Mario“ über die Antrittspressekonferenz des neuen Trainers Sascha Lewandowski: „Nach der Vorstellung des neuen Trainers blieb der Rest beim bekannten Muster: wir die Presse und Du nichts. Verharrend bei der Suche nach dem Haar in der Suppe, der Schlagzeile, dem Aufhänger.“

Trotzdem glaubt Union an das Konzept und sieht darin viel Potenzial

Immer mehr Vereine suchen über das Internet den direkten Kontakt zu den Anhängern. Der 1. FC Union betreibt einen eigenen Videokanal: AFTV, Fernsehen aus der Alten Försterei. Zu sehen gibt es dort Berichte aus dem Vereinsleben, exklusive Interviews mit Spielern und Trainer oder Spiele in voller Länge. „Wir wollen die Dinge, die wir zu sagen haben, auf direktem Wege zu denen bringen, die sich dafür interessieren: unseren Fans“, sagt Unions Pressesprecher Christian Arbeit. AFTV kostet im Monat 3,95 Euro, als Jahresabo 3,30 Euro. Derzeit haben etwas mehr als 3500 Anhänger das Angebot über Youtube abonniert. Nicht genug, um traditionellen Fernsehformaten Konkurrenz zu machen. Trotzdem glaubt Union an das Konzept und sieht darin viel Potenzial. Das Modell der Eigenkommunikation ist für viele Vereine interessant. Die großen Klubs im europäischen Fußball wie Bayern München, der FC Barcelona oder Real Madrid betreiben seit Jahren eigene Fernseh- und Videokanäle. Sehr professionell geführt, stellen sie für die Klubs auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einen Faktor dar. „In Zeiten sinkender Auflagen suchen die Klubs nach anderen Möglichkeiten, Aufmerksamkeit, gerade im Bezug auf Werbepartner, zu generieren“, sagt Fiebrig. Seiner Meinung nach beginnen viele Klubs langsam zu realisieren, welche Möglichkeiten das Netz bietet.

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