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Immer wieder sonntags. Seit 16 Jahren steht Udo Lattek um sechs Uhr auf, um von Köln nach München zu fliegen und sich beim „Doppelpass“ in den Ledersessel zu setzen.

© Sport 1

Fußballtalk: Udo Lattek hört beim Doppelpass auf

786 mal Experte: Udo Lattek verlässt Deutschlands unterhaltsamsten Fußballtalk. Als Nachfolger im "Doppelpass" schlägt er Paul Breitner vor.

Mindestens das Phrasenschwein wird traurig sein – wenn beim Fußball-Experten Udo Lattek am Sonntag die letzte Klappe bei der Talksendung „Doppelpass“ auf Sport1 fällt. 16 Jahre lang, von Beginn an, in 786 Sendungen hat der ehemalige Weltklasse-Trainer die Journalistenrunde mit seinen Einlassungen ebenso bereichert wie jenes Phrasensparschweinchen, in das bei jeder Plauder-Stanze à la „Der Ball ist rund“ ein paar Euro für den guten Zweck zu werfen sind. Bei allem Respekt – zuletzt hatte man Lattek seine 76 Jahre und den kleinen Schlaganfall aus dem vergangenen Jahr deutlicher angemerkt. Das Phrasenschwein wurde dick und dicker, Latteks Beitrag kürzer. Oder vom Moderator Jörg Wontorra kürzer gemacht.

Erstaunlich eigentlich. Mit oder ohne Lattek: Über kaum etwas wird so gerne unter Männern (und, ja, das stimmt, immer mehr auch Frauen) geredet wie über Lieblingsclubs, Trainerfragen, Meisterschafts- und Abstiegschancen. In Italien gestalten sie damit ganze Abendprogramme. So ein echter Fußball-Talk hat es im deutschen Fernsehen jedoch schwer. Nur im Nischensender „Sport1“, ehemals DSF, konnte der wöchentliche „Doppelpass“ mit über einer Million Zuschauern am Sonntagmorgen zum Quotenhit und Markenzeichen werden.

Ein Unikum. Das öffentlich-rechtliche Pendant „Waldis Club“ war mal zur nächtlichen, kabarettistischen Entsorgung des ehemaligen ARD-Vorzeige-Moderators Waldemar Hartmann bei Länderspielen gedacht, wird zur Verwunderung vieler Fans zum nächsten Bundesligastart aber noch ein bisschen ausgebaut, heute gezeigt zum Pokalfinale (ARD, 22 Uhr 45). Die Pläne von Sat 1, mit Kerner ein eigenständiges Sport-Talkformat zu etablieren, wurden allerdings ad acta gelegt. Kein Wunder, wandern die Champions-League-Rechte ab 2012 von Sat 1 ans ZDF.

Bleibt „Sky90“, die Fußball-Debatte auf dem Pay-TV-Sender am Sonntagabend. Und im frei empfangbaren Fernsehen eben der „Doppelpass“. Hier wird schon mittags Weißbier getrunken wie abends in „Waldis Club“, aber irgendwie ist das nur halb so peinlich. Für diejenigen, die den „Doppelpass“ noch nicht gesehen haben: Am letzten Sonntag um elf Uhr saßen da in einem Münchner Flughafenhotel Lattek, Harald Schmidt, Oliver Welke, ein Mann von „Sport Bild“ und Oliver Bierhoff in einer Runde und diskutierten zwei Stunden lang immer hart am Phrasenschwein vorbei. Dazu Werbung.

Wer hat in Frankfurt versagt? Kann das mit Borussia Dortmund gutgehen? Was tun mit dem Wolfsburger Renegaten Diego? Harald Schmidt blieb blass, Welke spitzfindig, Bierhoff souverän, und Lattek gab neben Sätzen wie „Die Spieler werden jedes Jahr älter“ Anekdoten zum Besten. „Ich hatte auch mal Probleme mit Diego, mit Diego Maradona in Barcelona“. Oder die Geschichte, wie ihn Bayern-Präsident Neudecker in den 1970ern einst in München knallhart gefeuert hat. Zwischendrin sagte Lattek: „Die hören mir hier ja gar nicht mehr zu.“

Auch wenn alle Histörchen erzählt sind, man wird das wohl vermissen. Udo Lattek war der Torsten Frings unter den Experten. Der Geist, der stets verneint. Frings hat seine Bundesliga-Karriere bei Werder Bremen in diesem Jahr beenden müssen. Irgendwann müsse halt mal Schluss sein, sagte Lattek der „Bild am Sonntag“. „Ich habe keine Lust, dass die Leute eines Tages schnell umschalten, wenn sie mich im Fernsehen anschauen.“ Der ganze Aufwand in seinem Alter müsse auch nicht mehr sein. Immer wieder sonntags stehe Lattek um sechs Uhr auf, um von Köln nach München zu fliegen und sich dort in den roten Ledersessel zu setzen. So auch am Sonntag wieder, zum letzten Mal. Lattek soll in Zukunft noch zu besonderen Anlässen als „Ehren-Experte“ das aktuelle Fußballgeschehen kommentieren. „Udo Lattek war von Anfang an beim Doppelpass mit dabei und hat maßgeblich zum Erfolg dieses Formats beigetragen“, sagt Sport1-Chefredakteur Alexander Rösner.

Wer sein Nachfolger werden soll, ist offen. Man wolle diese Aufgabe auf mehrere Schultern verteilen, heißt es bei Sport1. Lattek selbst hielt Paul Breitner für geeignet. „Er wäre perfekt für diesen Job. Er ist wie ich – ein verrückter Hund.“

„Doppelpass“, Sonntag, Sport1, 11 Uhr

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