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Szene aus "Child of Eden".

© Ubisoft

Neue Games: Ein Rausch aus Formen und Farben

Bislang waren gute Spiele für Microsofts Bewegungssteuerung "Kinect" Mangelware. Das bildgewaltige "Child of Eden" ist da eine erfreuliche Ausnahme. Ebenfalls im Test: "Alice: Madness Returns", eine düstere Variante von Lewis Carrolls "Alice im Wunderland".

Child of Eden

Die Kamera umkreist ein Objekt, das aussieht wie eine Mischung aus Disco-Kugel und Raumstation. Pulsierende Lichtstrahlen schießen aus dem Fundament hervor, neonfarbene Bälle zischen auf Umlaufbahnen vorbei und zerspringen in tausend Einzelteile, die wie ein nervöser Bienenschwarm aus dem Blickfeld entweichen. Dann stürzt die Kamera in einen Tunnel aus Farben und Licht, dessen Wände im tiefen Bass vibrieren. Schneller und schneller wird die Fahrt, ehe alles mit einem elektronischen Zirpen zu Sternenstaub zerbröselt.

"Child of Eden" ist ein Rausch aus Farben, Formen und Musik - eine intensive synästhetische Erfahrung. Visuelle und akustische Reize arbeiten so wirkungsvoll zusammen, dass sich beim Spieler schon nach kurzer Zeit ein angenehm trance-artiges Gefühl breitmacht. Und das, obwohl es in "Child of Eden" nur darum geht, verschiedene geometrische Figuren möglichst reaktionsschnell abzuschießen. Mit Rez hat der Japaner Tetsuya Mizuguchi schon vor zehn Jahren ein ähnliches Spiel erschaffen, das schnell Kultstatus erlangte. Nun geht Mizuguchi noch einen Schritt weiter: "Child of Eden" unterstützt Microsofts Gestensteuerung Kinect, lässt sich also auch mit bloßen Händen steuern. Die Science-Fiction-Story, die das Spiel erzählt, ist da eher nebensächlich: Im 23. Jahrhundert soll ein Menschenkind im künstlichen Kollektivgedächtnis "Eden", einer Art Matrix, wiedergeboren werden – der Spieler soll helfen, dieses "Projekt Lumi" gegen bösartige Computerviren zu verteidigen.

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In den ersten Spielminuten mag das audiovisuelle Bombardement noch einigermaßen verwirren. Letztendlich ist "Child of Eden" aber sehr einfach zu bedienen. Die rechte Hand steuert ein Fadenkreuz, mit dem sich gleich mehrere Ziele markieren lassen. Stößt der Spieler die Hand dann ruckartig nach vorne, werden die heranfliegenden Viren von Lenkraketen zerstört. Je mehr das im Rhythmus der Musik geschieht, desto besser für den Punktestand. Die linke Hand steuert ein Dauerfeuergeschütz, das gegen spezielle Viren und feindliche Projektile hilft. Um ein vorzeitiges "Game Over" zu vermeiden, sollte der Spieler auch immer nach Lebensboni und sogenannten Euphorie-Bomben Ausschau halten, mit denen er sich schlagartig aus misslichen Lagen befreien kann. Das jeweils nächste Level erreicht man nur mit einer bestimmten Mindestpunktzahl, bei mehreren Versuchen werden die Punkte aufsummiert. Insgesamt macht die Gestensteuerung ihre Sache sehr gut – wer möchte, kann aber natürlich auch mit dem etwas präziseren Xbox-Controller spielen.

Mit vier bis fünf Stunden Spieldauer ist "Child of Eden" ein vergleichsweise kurzes Vergnügen. Gleichwohl ist der Wiederspielwert sehr hoch, denn es macht einfach Spaß, sich Stück für Stück zu verbessern. Stilistisch bewegt sich "Child of Eden" bisweilen hart an der Grenze zum Kitsch: Neonfarbene Wale, Manta-Rochen oder auch der Soundtrack der Genki Rockets sind gewiss nicht jedermanns Sache. Die unzweifelhafte Stärke von "Child of Eden" liegt indes der Fähigkeit, den Spieler voll und ganz in Beschlag zu nehmen.

"Child of Eden" für Xbox 360. Preis: 50 Euro. USK-Altersfreigabe: ab 6 Jahren.
Im September soll das Spiel auch für die PS3 erscheinen.

Szene aus "Alice: Madness Returns".
Szene aus "Alice: Madness Returns".

© EA

Alice: Madness Returns

Im Jahr 2000 veröffentlichte der Game-Designer American McGee eine überaus düstere Variante von Lewis Carrolls Kinderbuchklassiker. McGees "Alice" war kein träumendes Mädchen, sondern eine junge Frau, die – traumatisiert vom Flammentod ihrer Eltern – in einer Nervenheilanstalt dahinvegetierte. Ihre Reise ins Wunderland war ein Abstieg in die dunkelsten Seelentiefen. Die alptraumhaften Geschöpfe, auf die sie dort stieß, ließen sich nur mit Waffengewalt besiegen. Elf Jahre nach dem durchaus erfolgreichen ersten Teil erscheint nun mit "Alice: Madness Returns" die von Fans herbeigesehnte Fortsetzung. Noch immer wird Alice von Halluzinationen und Alpträumen geplagt, und um ihr Seelenheil zu retten, muss sie das Geheimnis um den Tod ihrer Eltern lüften. Erneut beginnt für sie ein Trip ins Wunderland.

Kaum hat der Spieler einen kurzen Prolog im viktorianischen London hinter sich gebracht, wird er auch schon von der zauberhaften Spielwelt gefangengenommen: Alice läuft durch schillernd bunte Wälder mit Bächen und Wasserfällen, an deren Rändern überdimensionierte Pilze wachsen. Vom Rande freischwebender Felsinseln blickt sie hinaus auf ein Wolkenmeer, in dem verwinkelte Uhrtürme wie große Schlachtschiffe treiben. Unterwegs bekommt es Alice mit allerlei bizarren Kreaturen zu tun: Ölmonster brechen aus dem Waldboden hervor, schraubenförmige Libellen attackieren aus der Luft, auch spinnenbeinige Teekannen und knollennasige, gabelbewehrte Zwerge trachten ihr nach dem Leben. Alice erwehrt sich der Brut kompromisslos mit Küchenmesser, Pfeffermühle, Hasenkopf-Zeitbombe und Schirm. Liegt ein Grunzen in der Luft, dann lohnt der Blick nach oben: Geflügelte Schweineschnauzen, die Alice ordentlich mit Pfeffer beschießt, weisen den Weg zu geheimen Orten. Und immer mal wieder tauchen Grinsekatze und Herzkönigin auf.

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Gestalterisch gehört "Alice: Madness Returns" zum originellsten, was die Games-Branche derzeit zu bieten hat. Leider lässt sich das aber nicht über Handlung und Spielablauf sagen. Die meiste Zeit kämpft Alice gegen Monster oder hüpft wagemutig von Plattform zu Plattform. Statt das Wunderland frei zu erkunden, muss sie dabei einem vorgegebenen Pfad folgen. Die Rätsel sind durchweg simpel gehalten: Mal vollführt Alice ihren Schrumpftrick, um durch ein Schlüsselloch in einen verborgenen Raum mit Erinnerungsfetzen zu gelangen, mal gilt es den Schalter eines Dampfgenerators zu finden, der Alice auf eine höhergelegene Plattform bläst. Selbst einfachste Lösungen scheint McGee seinem Publikum nicht zuzutrauen, sondern stößt es immer wieder mit der Nase darauf. Anspruchslose Rätsel und monotone Sammelaufgaben machen "Alice: Madness Returns" auf Dauer zu einer zähen Angelegenheit. Hinter den malerischen Kulissen lauert ein Alptraum spielerischer Art: die Langeweile.

"Alice: Madness Returns". Für PS3, Xbox 360 (je 70 Euro) und PC (50 Euro). USK-Altersfreigabe: ab 16 Jahren.

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