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Szene aus "Harveys neue Augen".

© Daedalic

Spieltest: Schrecken des Klosters

Gefräßige Termiten, ein Hypnose-Hase und eine Hauptdarstellerin, die nicht wirklich harmlos ist: Das Rätselabenteuer "Harveys neue Augen" bietet ähnlich schwarzen Humor wie der Vorgänger "Edna bricht aus".

Blonde Zöpfe, Schleifchen im Haar – die Klosterschülerin Lilli ist ein Ausbund an Artigkeit. Das scheue Wesen wird bei jeder Gelegenheit von den Mitschülern gehänselt, denn die halten Lilli für eine ausgemachte Streberin. Und in der Tat erledigt Lilli brav jede noch so sinnfreie Aufgabe, die sie von der strengen Oberin Ignatz auferlegt bekommt: Sie fegt gewissenhaft das Herbstlaub hin und her, gräbt Gartenbeete um und befreit den Schaukelbaum von lästigen Termiten. Dass Lilli in ihrer Tolpatschigkeit gleich mehrere Mitschüler ins Jenseits befördert, mag noch als böse Anhäufung von Missgeschicken durchgehen. Wer hätte auch ahnen können, dass ein honigbekleckster Halbstarker die Termiten in einen Fressrausch versetzt? Mit jedem neuerlichen Todesfall aber wächst der Verdacht, dass all dies kein Zufall sein kann. Lilli indes ist brav und pflichtbewusst wie eh und je.

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Der Hamburger Spieleschmiede Daedalic ist mit "Harveys neue Augen" eine Großtat gelungen: Das Point-and-Click-Adventure strotzt nur nur so vor skurrilen Figuren, Wortwitz und absurder Situationskomik. "Harveys neue Augen" ist die Fortsetzung des 2008 veröffentlichten Rätselabenteuers "Edna bricht aus", das damals viele Preise einheimste. Die einstige Hauptfigur Edna – ein schizophrenes Mädchen, das aus der Psychiatrie entkam – übernimmt im neuen Spiel eine Nebenrolle: als Lillis einzige Freundin in der Klosterschule. Die Handlung kommt ins Rollen, als sich der arglistige Kinderpsychologe Dr. Marcel ankündigt, um Lilli eine äußerst zweifelhafte Verhaltenstherapie zu verpassen – mit Hilfe des blauen Plüschhasen Harvey, der von nun an als Aufpasser durch Lillis Unterbewusstsein streift.

Dies ist die Basis für eine Vielzahl lustig-morbider Ereignisse inner- und außerhalb der Klostermauern. Den Machern von "Harveys neue Augen" gelingt es ausgezeichnet, das an sich ernste Thema psychischer Störungen spielerisch zu verarbeiten, gerade weil sie den moralischen Zeigefinger konsequent außen vor lassen. Lilli gibt während des gesamten Spiels nur ein paar putzige "Ähs" und "Öhs" von sich – welche unterschwelligen Aggressionen in dem zarten Geschöpf lauern, darauf deutet die Erzählerstimme hin: "Lilli hatte Shy schon immer sehr hübsch gefunden. Viel hübscher als sich selbst. Aber einer Mitschülerin im Schlaf die Haare abzuschneiden, um sich selbst eine Perücke daraus zu machen, gehörte sich nicht."

In Lillis Leben gehört sich eben vieles nicht, und genau das scheint auch ihr großes Problem zu sein. Hat die Antiheldin wieder einmal für einen makabren Todesfall gesorgt, erscheint sogleich ein Rudel fröhlicher "Zensurgnome", die den Tatort mit rosa Farbe überpinseln. Mehrfach unternimmt das Spiel Ausflüge in Lillis Psyche – filmische Trips wie "Being John Malkovich" oder "The Science of Sleep" lassen grüßen. Vorzüglich ins bisweilen surreale Geschehen passt die süffisante Erzählstimme von Schauspieler Götz Otto, die nicht mit Seitenhieben auf allerlei gesellschaftliche und popkulturelle Phänomene spart. Und dann wären da natürlich noch die vielen schrägen Gestalten – vom chronisch missgelauten Clown bis zum Tempelritter-Nerd, der in der Klosterkirche mit einem Presslufthammer nach Schätzen sucht.

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Bei aller inhaltlichen Originalität spielt sich "Harveys neue Augen" wie ein klassisches Adventure: Im Mittelpunkt stehen Kombinations- und Logikrätsel. Unterwegs findet Lilli allerlei Nützliches – Salzstreuer, Kontaktlinsen, Meerschweinchen – das sie in ihrem Inventar verstaut und bei Bedarf hervorzaubert, um es mit Gegenständen und Personen zu kombinieren. Darüber hinaus kann Lilli anderen Spielfiguren per Dialogfunktion wichtige Lösungshinweise entlocken. Gestandene Adventure-Fans werden mit den Rätseln kaum Schwierigkeiten haben, für Anfänger ist die eine oder andere Kopfnuss dabei. Als Hilfe dient eine Hotspot-Funktion, die potenziell wichtige Gegenstände auf dem Bildschirm markiert. Grafisch pflegt "Harveys neue Augen" einen reduzierten Comic-Stil, der sich stark von den aufwändigen Zeichnungen anderer Daedalic-Adventures (The Whispered World, A New Beginning) unterscheidet. Der optische Minimalismus passt gleichwohl hervorragend zu dem überaus trockenen Humor des Spiels.

"Harveys neue Augen" für PC. Preis: 35 Euro. USK-Altersfreigabe: ab 12 Jahren.

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