zum Hauptinhalt
Gangs of Birmingham.

© Arte

Gangster-Drama: Mützen mit Rasierklingen

„Peaky Blinders“: Arte zeigt ein packendes, britisches Gangsterdrama, ein Genrestück, das verschiedene englische Milieus jenseits von „Downton-Abbey“-Gemütlichkeit zusammenbringt .

Birmingham, 1919. In den Fabriken ist die Hölle los, die Straßen sind dreckig und von rußschwarzen Arbeitern bevölkert. Doch einer galoppiert erhaben und elegant gekleidet auf einem Rappen durch die Menge - Thomas Shelby. Sein Pferd lässt er von einer Wahrsagerin segnen: Ein Trick, um die Leute auf das nächste Pferderennen aufmerksam zu machen. Shelby möchte da ganz groß ins Wettgeschäft einsteigen. Er ist der Kopf einer Gangsterbande, die das Viertel Small Heath fest im Griff hat: den „Peaky Blinders“.

Obwohl sein älterer Bruder Arthur gerne Anführer wäre, setzt sich „Tommy“ (Cillian Murphy) im Familien-Clan durch, denn er besitzt Autorität und denkt strategisch: So provoziert er einen Konflikt mit Zigeunern, um an den mächtigen Buchmacher Billy Kimber heranzukommen. Und eine Ladung gestohlener Regierungswaffen nutzt Tommy für kühle Schachzüge. Wird er die Waffen selbst nutzen, sie an Kriegsminister Winston Churchill zurückgeben oder teuer an die IRA verkaufen?

„Peaky Blinders“, die sechsteilige BBC Two-Serie, die Arte von Donnerstag an ausstrahlt, überzeugt vor allem durch ihren visuellen Stil. Die Düsternis der englischen Industriestadt, die beengten Verhältnisse in den von Klinkerbauten und Kopfsteinpflaster dominierten Straßenzügen ergeben eine bedrückende Atmosphäre, das coole Auftreten der Gang wird zur Verheißung. Wie im Italo-Western schlendern sie in Zeitlupe daher, musikalisch begleitet von Nick Cave, Arctic Monkeys und Tom Waits. Doch ihr Glamour ist trügerisch. Der Spitzname „Peaky Blinders“ bezieht sich auf ihre Schiebermützen, in deren Schirmen Rasierklingen verwoben sind, um ihre Gegner in Straßenkämpfen zu verletzen - und wenn nötig zu blenden.

Eiskalter Engel

„Peaky Blinders“ wurden in der Tat Jugendbanden in Birmingham Ende des 19. Jahrhunderts genannt, die wegen ihrer modischen Mützen auffielen und durch Revierkämpfe und Überfälle in die Schlagzeilen gerieten. Die Rasiermessermütze ist jedoch eine Erfindung des Roman-Schriftstellers John Douglas, der die Peaky Blinders zum Mythos stilisierte. Die Serie von 2013 ist der Versuch eines historischen Gangsterepos, eines „Boardwalk Empire“ auf britischem Boden.

Dem bekannten Autor und Produzenten der Serie, Steven Knight (Drehbuch zu David Cronenbergs „Tödliche Versprechen“, Regie und Buch zu „No Turning Back“ von 2013), gelingt ein recht packendes Genrestück, das verschiedene englische Milieus jenseits von „Downton-Abbey“-Gemütlichkeit zusammenbringt und nebenbei gesellschaftliche Phänomene der Zwischenkriegszeit verdichtet: das Nachwirken des Großen Kriegs, in dessen Schatten die Kriminalität gedeiht, den einsetzenden irischen Unabhängigkeitskampf, dazu der Konflikt der Kommunisten mit dem Staat.

Die erlebten Schützengrabenkämpfe etwa verfolgen den äußerlich harten, innerlich versehrten Kriegsveteran Tommy weiterhin im Schlaf. Sein Jugendfreund Freddie, ein polizeilich gesuchter Kommunist (fantastisch: Iddo Goldberg), schwängert seine Schwester Ada und provoziert so Konflikte innerhalb des Shelby-Clans. Tante Polly (glaubwürdig: Helen McCrory) hält mit Mühe die Familie zusammen und zügelt Tommys Temperament.

Harte Knochen

Vor allem ist es der enigmatischen „Eiskalten-Engel“-Ausstrahlung des irischen Schauspielers Cillian Murphy (eindrucksvoll als Scarecrow in „The Dark Knight Rises“) in der Hauptrolle zu verdanken, dass die erste Staffel so manche Drehbuchschwäche übersteht. Seinem Gegenpart Sam Neill als Inspector Campbell nimmt man den harten Knochen nicht recht ab, wie auch dessen Geheimwaffe, die schöne Irin Grace (Annabelle Wallis), die die Bande infiltriert, wenig authentisch wirkt.

In England ist die Serie ein Erfolg und geht bereits in die dritte Staffel, vielleicht auch deswegen, weil in Staffel zwei ein Cillian Murphy ebenbürtiger Charakterdarsteller hinzukommt: Tom Hardy. Er wird zum Konkurrenten von Tommy Shelby, der seinen Machtbereich auf London ausdehnen will.

„Peaky Blinders - Gangs of Birmingham“, Arte, Donnerstag, 20 Uhr 15, Episoden 1 und 2

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false