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Geschichte: Enteignen? Aufarbeiten!

Axel Springer lädt zum „Springer-Tribunal“. Der Verlag will mit seinen einstigen Gegnern aus der Studentenbewegung die Vergangenheit bewältigen

Der Verlag Axel Springer („Bild“, „Die Welt“) will mit seinen einstigen Gegnern aus der Studentenbewegung die Vergangenheit bewältigen. Ein „Springer-Tribunal“ soll über die damalige Rolle der Verlags-Blätter, aber auch anderer Publikationen und der Akteure der Studentenbewegung sprechen. „Wir möchten wissen, wie es damals wirklich war“, erklärte der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner. Die Veranstaltung soll im Oktober in der Berliner Verlagszentrale stattfinden – „sofern die damaligen Akteure der Einladung folgen“. Konzernsprecherin Edda Fels sagte dem Tagesspiegel, dass der Verlag für „das Experiment“ auf wichtige Personen und Persönlichkeiten zugehen werde. Namen wollte sie keine nennen.

Das „Springer-Tribunal“ des Verlages nimmt jenes erste „Springer-Tribunal“ auf, zu dem sich 1968 Studenten in Berlin getroffen hatten. Auf Einladung des Republikanischen Clubs sollten „Zeugen“ gegen die Springer-Zeitungen vor dem Hintergrund der tödlichen Schüsse auf den Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 aussagen. Das „Springer-Tribunal“ wurde am 9. Februar zwar eröffnet, nach einem Abend aber vertagt. Die geplante Fortsetzung fand niemals statt. „Die Axel Springer AG bedauert das und will Abhilfe schaffen“. Der Verlag lade diesmal selbst zum „Springer-Tribunal“ ein. Döpfner sagte, „uns ist bewusst, dass unser Haus und unsere Blätter seinerzeit journalistische Fehler gemacht haben. Wir haben dies in der Vergangenheit zugegeben und tun dies auch heute“, betonte der Springer-Chef. Der Verlag werde nichts vertuschen. Er wünsche sich das allerdings auch von jenen, die bis heute unbeirrt an den alten Gewissheiten und Mythen festhielten. Döpfner hatte jüngst die 68er aufgefordert, sich bei Springer für ihre Angriffe von damals zu entschuldigen. Man habe seinem Haus Unrecht getan. Während der Studentenproteste war das Springer-Haus an der Kochstraße immer wieder Ziel von Demonstrationen, besonders heftig am Gründonnerstag 1968, nach dem Attentat auf den Studentenführer Rudi Dutschke am 11. April 1968.

Der Springer-Konzern erhofft sich für das „Tribunal“ 2009 auch Unterstützung von jenen Verlagen, die sich an der Vorbereitung des „Tribunals“ 1968 beteiligt hätten. „Besonders freuen würden wir uns, wenn diejenigen Wettbewerber, die seinerzeit finanziell so großzügig waren, auch diesmal wieder einen kleinen Obolus zur Unkostendeckung entrichten würden“, erklärte Döpfner. Er spielte damit auf die (kolportierte) Unterstützung der Verleger Rudolf Augstein („Der Spiegel“) und Gerd Bucerius („Die Zeit“) für das „Tribunal“ 1968 an. Springer-Sprecherin Fels nannte diesen Passus in der Presseinfo „selbstironisch“.

Schon an einem solchen Detail mag sich die Notwendigkeit eines neuerlichen „Tribunals“ zeigen. Die letzten Publikationen zum Thema brachten keine eindeutige Klarheit, wer genau wen genau wofür genau bezahlt hat. Ausweislich der Recherche von Hans Leyendecker, Autor der „Süddeutschen Zeitung“, haben beide Verleger „nach den vorliegenden Unterlagen nicht eine Mark“ für das „Springer-Tribunal“ fließen lassen. Peter Schneider, Schriftsteller und Aktivist in der „Enteignet-Springer“-Kampagne, hatte sich dagegen an Zahlungen erinnert – „bis zum Beweis des Gegenteils“. Auf Frage, ob er die Einladung annehmen werde, sagte Peter Schneider der dpa: „Man müsste sehen, wie viel Ernst dahinter steht.“ Im Übrigen sei er verblüfft, wie stark sich Springer von der Kritik von damals immer noch getroffen fühle. Joachim Huber

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