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Medien: Geschichten aus dem Wiener Filz

Was war die Welt Wiens noch wohl geordnet, als Gerhard Weis 1998 zum Generalintendanten des Österreichischen Rundfunks gewählt wurde: hier die Roten, dort die Schwarzen. Und der ORF befand sich fest in der Hand der beiden Dauer-Koalitionsparteien.

Was war die Welt Wiens noch wohl geordnet, als Gerhard Weis 1998 zum Generalintendanten des Österreichischen Rundfunks gewählt wurde: hier die Roten, dort die Schwarzen. Und der ORF befand sich fest in der Hand der beiden Dauer-Koalitionsparteien. Jetzt aber haben ÖVP und FPÖ mit einigen Machtbastionen aufgeräumt; den ORF als "größte Medienorgel des Landes" haben sie zu einer Stiftung gemacht, und Monopolist ist er auch nur noch bis Ende Dezember. Dem Aufsichtsgremium des ORF, das früher Kuratorium genannt wurde und jetzt Stiftungsrat heißt, dürfen keine Vertreter oder Angestellten politischer Parteien angehören. Auch wenn Regierung und Parteien selbstredend nur Personen ihres Vertrauens in das 35-köpfige Gremium geschickt, wenn sie die Intendantenwahl zur "Chefsache" gemacht haben und sich mit ihrer Mehrheit mühelos durchsetzen können: So kurz ist die Leine nicht mehr, an der man den ORF führen kann.

Bis zum 14. Dezember können Kandidaten für den ORF-Generaldirektor - so der neue Amtstitel - benannt werden; die Wahl findet eine Woche später statt. Bis heute aber ist kein aussichtsreicher Bewerber in Sicht. Jan Mojto, Österreicher slowakischer Herkunft und Manager bei Leo Kirch, wäre ein Wunschkandidat gewesen. Er soll, wie einige andere mit den in Österreich so geliebten "großen" Namen, abgesagt haben. Mittlerweile ist der Mojto Aufsichtsratschef der Kirch Media AG. Gewiss ist aber auch, dass mancher Kandidat es vorzieht, nicht zu früh aus der Deckung zu gehen. Der erste, der es nach langem Schweigen getan hat, ist Amtsinhaber Gerhard Weis, 63 Jahre alt. Begründung: Es habe sich kein anderer Bewerber gefunden, der "mit Glaubwürdigkeit den Erfolgskurs des ORF weiterführen" könnte. Eigentlich wollte er im Herbst in Pension gehen, aber dann fühlte er sich von der Regierung hinausgemobbt. Sein Kampfgeist erwachte. Jetzt sagt er: "Sollte ein politischer Mord geplant sein, stelle ich mich gerne als Leiche zur Verfügung."

Und dann gibt es noch Kandidaten, auf deren Nennung man hätte verzichten können. Am Montag bestätigte der Stiftungsrat, dass sich ARD-Moderator Max Schautzer ("Pleiten, Pech und Pannen") auf die Spitzenposition beworben hat. Dem 61-jährigen Klagenfurter werden keine Chancen eingeräumt, ORF-Generaldirektor zu werden. Er muss jetzt abwarten, ob er überhaupt zu einem Gespräch nach Wien gebeten wird.

Der ORF ist die mächtigste Medienmaschine des Landes; für Menschen, die als seriöse Journalisten bei Rundfunk oder Fernsehen arbeiten wollen, sogar die einzige Möglichkeit im Land. Schwer haben es da Zeitgenossen, die der ÖVP/FPÖ-Regierung nicht in den Kram passen. Mit Dauerinterventionen versuchen FPÖ-Politiker, die Mannschaft mürbe zu machen. Manche sind "freiwillig" gegangen. Andere, die vielleicht etwas werden wollen, gebärden sich wie Opportunisten: Sportchef Elmar Oberhauser etwa, der Jörg Haider "als Präsidenten des FC Kärnten" im Rahmen einer verlängerten Sportsendung zwölf Minuten interviewte - genau zu dem Zeitpunkt, an dem sich das breite Publikum zu den erwarteten Hauptnachrichten einschaltete. Oder Kärntens Landesintendant Gerhard Draxler, der ein Interview Haiders mit sich selbst ins Programm hob. Walter Seledec, Chef vom Dienst bei den TV-Mittagsnachrichten und deklarierter Freiheitlicher, hat bis vor kurzem noch den FPÖ-Verteidigungsminister beim Antrag auf eine Privat-Fernsehlizenz beraten. Und als die Hauptnachrichten neulich den FPÖ-Fraktionsvorsitzenden im Parlament, Peter Westenthaler, interviewen wollten, wurde das Team dazu in Seledecs Privatwohnung zitiert.

Gerhard Weis ist 1998 mit den Stimmen der Roten zu seinem Intendantenamt gekommen; gleichwohl hat die neue Regierung wenig Parteipolitisches gegen ihn vorzuweisen. In der Wendezeit hat Weis versucht zu lavieren, verscherzte sich aber danach viele Sympathien, als er massiv gegen die von der Regierung gewünschte Reform der Rundfunkanstalt agierte. Diese Reform beschränkt etwa die schleichend eingedrungenen "Sonderwerbeformen" wie Product Placement oder Unterbrecher-Werbung, begrenzt die für beide Marktführer sehr attraktive Kooperation mit der "Kronen-Zeitung" und schreibt vor, dass zur Hauptsendezeit "in der Regel" wenigstens auf einem der zwei ORF-Kanäle "anspruchsvolle Sendungen" laufen sollen. Weis wehrte sich mit Händen und Füßen, warnte vor unerträglich sinkenden Einschaltquoten und unerträglich hohen Einnahmeverlusten - und ließ eine Art Sabotage betreiben: Die Übertragung eines Grillparzer-Stücks aus dem Burgtheater habe nur 82 000 Zuschauer oder zwei Prozent Marktanteil erbracht, erklärte er. Üblich seien auf ORF 2 am Hauptabend aber 27,2 Prozent. Bis Jahresende seien noch weitere Kulturprogramme geplant, Verdis "La Traviata" beispielsweise. Die Frage, ob "anspruchsvolles Programm" automatisch eine langatmige Theater- oder Opernaufführung bedeuten muss, oder ob nicht auch breitenwirksamere Angebote denkbar wären, beantwortete Weis nicht.

Besonders vehement und nachhaltig allerdings hatte sich Weis gegen das Privatfernsehen gesperrt, das die Monopolstellung des ORF ankratzt. Private konnten bisher nur aus den Nachbarländern senden; vom 1. Januar an dürfen sie es auch in Österreich. Und so klein und unrentabel scheint das Land mit seinen acht Millionen Einwohnern dafür nicht zu sein: Immerhin haben sich sieben Gesellschaften um eine bundesweite, weitere 20 um lokale "Ballungsraum"-Lizenzen beworben.

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