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Google-Murdoch-Microsoft: Mückenstiche im Elefantenhintern

Die Anti-Google-Allianz von Murdoch und Microsoft steht in den USA allein auf weiter Flur. Murdochs Schachzug wird allgemein als Teil seines Versuches gesehen, entgegen jeglichem konventionellen Denken zu beweisen, dass man Qualitätsjournalismus im Internet rentabel betreiben kann.

Als Microsoft-Chef Steve Ballmer vor fünf Jahren erfuhr, dass einer seiner leitenden Ingenieure die Firma verlassen will, wollte er nur eines von ihm wissen: Geht er zu Google? Der Mann bejahte kleinlaut die Frage, wohlwissend, dass dies seinen Chef nicht glücklich stimmen würde. Doch auf das, was dann kam, war er nicht vorbereitet. Ballmer packte einen Stuhl, feuerte ihn gegen die Wand und erging sich in einer Tirade auf Google, die sich gewaschen hatte. „Dieser verdammte Eric Schmidt ist ein verdammtes Weichei. Ich werde ihn lebendig auffressen. Google ist keine Firma, das ist ein Kartenhaus.“

Ballmer hasst den Suchmaschinen-Giganten leidenschaftlich. Deshalb wird er sich diebisch gefreut haben, als vor wenigen Wochen Medienmogul Rupert Murdoch bei ihm anrief. Der Verleger des „Wall Street Journal“, der „New York Post“ und der Londoner „Times“, will sich mit Microsoft verbünden, um Googles Vormachtstellung zu brechen. Murdochs Zeitungen sollen demnächst den Zugriff von Google auf ihre Inhalte blocken und stattdessen exklusiv in der Microsoft-Suchmaschine Bing auftauchen. Über die Details wird noch verhandelt.

Murdochs Schachzug wird allgemein als Teil seines Versuches gesehen, entgegen jeglichem konventionellen Denken zu beweisen, dass man Qualitätsjournalismus im Internet rentabel betreiben kann. Im vergangenen Sommer kündigte der 78 Jahre alte Verleger an, er werde nicht akzeptieren, dass der Journalismus vor die Hunde geht, nur weil man sich daran gewöhnt habe, im Internet alle Informationen kostenlos zu erhalten. Sein Flaggschiff, das „Wall Street Journal“, bietet die meisten Artikel seit längerem im Netz nur gegen Bezahlung an.

Als den Erzfeind des bezahlten Journalismus hatte Murdoch schon damals die Suchmaschine Google ausgemacht. „Google stiehlt unsere Geschichten“, wetterte er. Über Google und Google News gelangten ausschließlich Querleser, die nur einen bestimmten Artikel suchten, auf die Seiten der Zeitungen. Die Suchmaschine löse so das Geschäftsmodell der traditionellen Nachrichtenorganisation auf, die ein breites Spektrum an Themen anbiete. Dass ohne Google auch auf die Webseiten seiner Zeitungen weniger Leser zugriffen, nimmt Murdoch in Kauf: „Ich habe lieber weniger Leute auf unseren Seiten, aber dafür solche, die bezahlen.“

Mit Bing betreibt Steve Ballmer zwar auch eine Suchmaschine, wenn auch eine mit einem bislang harmlosen Marktanteil von zehn Prozent. Aber Ballmer hat einen ausreichenden Groll auf das „Kartenhaus“ Google, dass er bereit ist, Murdoch für die Rechte an seinen Artikeln Geld zu bezahlen. Wenn die Rechnung von Murdoch aufgeht, wird dies eine Revolution in der digitalen Nachrichtenverbreitung auslösen. Google könnte sich genötigt fühlen, ebenfalls zu bezahlen, es wäre ein mögliches Zukunftsmodell für den Journalismus geboren.

Skeptiker wandten allerdings diese Woche ein, dass Murdoch gar nicht die Macht habe, eine solche Revolution herbeizuführen. Michael Wolff, Chef der Nachrichtenwebsite Newser.com, wies in seiner Kolumne darauf hin, dass Murdoch in Wirklichkeit ja nur eine Zeitung in Amerika in die Waagschale zu werfen habe. Die Artikel des „Wall Street Journal“ tauchten ohnehin nicht in ganzer Länge in Suchmaschinen auf, weil das Journal eine Bezahlseite ist. Es handele sich also nur um das Boulevardblatt „New York Post“. „Die mächtige ,New York Post‘“, spottete Wolff. „Das ist ein Mückenstich in einem Elefantenhintern.“

Druck auf Google würde nur entstehen, wenn sich „alle großen Zeitungen und Nachrichtenagenturen einig wären“, wie die Marktforschungsfirma Bernstein analysierte. Dafür gibt es allerdings bislang noch keine Anzeichen. Aber immerhin meldeten inzwischen die Bloomberg News, dass die „Denver Post“ und die „Dallas Morning News“ überlegten, ebenfalls bestimmte Inhalte gegenüber Google abzuschirmen und wie Murdoch mit Bing in Verhandlungen zu treten.

Manch ein Beobachter glaubt allerdings, dass es Murdoch gar nicht darum gehe, ein Geschäftsmodell für den Internet Journalismus zu entwickeln. Douglas Rushkoff von der Nachrichtenwebsite Daily Beast und Michael Wolff von Newser sind sich in der Ansicht einig, dass der altgediente Zeitungsmann Murdoch in Wirklichkeit noch immer einen Krieg gegen das Internet insgesamt führt. Was, fragt Wolff in seiner Kolumne, wenn Murdoch gar nicht will, dass die Leute auf seine Websites gehen? Die Absage an Google könnte genauso gut eine Taktik sein, mehr Leute zum Kauf seiner Zeitungen zu bewegen und diese dadurch noch ein wenig länger am Leben zu halten. So lange zumindest, dass Murdoch deren Tod nicht mehr erleben muss.

Sebastian Moll[New York]

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