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Mit Diensten wie Google durchforsten Leser das Netz nach neuen Nachrichten. Doch Links zu brasilianischen Zeitungsportalen wie „O Globo“ sollen sie nicht mehr finden.

© AFP

Google News: Brasilianischer Boykott

Warum südamerikanische Verleger Google News aussperren. Der Schritt wird von deutschen Verlegern mit Interesse beobachtet.

Brasiliens Verleger wollen sich von Google nicht alles gefallen lassen. Sie wollen jetzt beweisen, dass es auch ohne den US-Suchmaschinenriesen geht. Und vielleicht, so hoffen sie, können sie die Gewichte in der globalen Medienwelt ein Stück weit verändern: 154 Zeitungen aus dem bevölkerungsreichsten Land Südamerikas haben beschlossen, ihre Inhalte nicht mehr über Google News auffindbar zu machen. Das sind etwa 90 Prozent der täglich erscheinenden Titel, mit dabei sind auch große Häuser wie „O Globo“ und „O Estado de São Paulo“. Es ist ein Wagnis, das deutsche Verleger mit Interesse beobachten.

Initiiert worden ist der Boykott vom brasilianischen Zeitungsverband Associação Nacional de Jornais (ANJ). „Wir möchten mit diesem Schritt die Marken- und Autorenrechte unserer Zeitungen besser schützen“, sagt Ricardo Pedreira, Geschäftsführer des Verbandes, über das Experiment. Die Verleger wollten es nicht länger hinnehmen, dass Google News die Inhalte der Zeitungen nutze, ohne dafür zu bezahlen. Vielmehr selbst sogar mit der journalistischen Arbeit anderer Geld verdiene. Gestartet worden ist der Boykott bereits 2011, durch eine Diskussion darüber bei einem Mediengipfel vergangene Woche in Sao Paulo erregte er internationale Aufmerksamkeit.

Google News ist ein Dienst von Google, bei dem Nachrichten von verschiedenen Quellen – vor allem Zeitungen und Nachrichtenportalen – zusammengetragen werden. Auf der Website werden jeweils die Schlagzeilen angezeigt mit zwei, drei kurzen Sätzen aus dem Inhalt der Texte. Technisch ist eine Blockade von Google News mit einem einfachen Programmbefehl möglich. Wie er funktioniert, erklärt Google sogar auf seiner eigenen Website. Dadurch könne nicht nur verhindert werden, dass die Seite bei Google News auftaucht, sondern dass sie überhaupt bei Google zu finden ist, heißt es dort. Wie sinnvoll eine solche Blockade ist, ist allerdings die andere Frage.

Denn für Verlage sind Suchmaschinen wie Google ein wichtiges Instrument, um Leser auf ihre Seite zu holen. Wer nach bestimmten Schlagwörtern zu aktuellen Themen wie beispielsweise „Obama“ und „Wahlkampf“ bei Google News sucht, klickt bei Interesse auf den jeweils angezeigten Link und gelangt so auf die Website der Zeitung. Der Boykott-Versuch in Brasilien zeigt, wie abhängig die Zeitungen von Google sind: „Wir verzeichnen weniger Besucher auf unseren Seiten“, sagt Pedreira, „aber dieser Verlust ist hinnehmbar, wenn es darum geht, unsere Rechte zu schützen.“ Die Verleger wollen zumindest erreichen, dass sich Google mit ihnen an einen Tisch setzt, um über eine Verwertungslösung zu sprechen.

In Deutschland wäre ein solcher Boykott alleine aus kartellrechtlichen Gründen nicht möglich. Eine Branche dürfe sich nicht flächendeckend gegen ein einzelnes Unternehmen organisieren, teilt ein Bundeskartellamtssprecher mit. Das deutsche Pendant zum ANJ, der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger (BDZV) bewertet den Boykott eher zurückhaltend: „Wir finden das natürlich interessant und werden auch genau verfolgen, wie es weitergeht“, sagt Sprecherin Anja Pasquay. Ähnlich reagiert Stefan Scherzer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Zeitschriftenverleger. Der Verzicht der brasilianischen Zeitungen auf Google News sei ein „interessantes, spannendes Signal“, sagte Scherzer am Dienstag auf der Jahrespressekonferenz des Verbandes, bei der er für 2012 ein Umsatzplus der deutschen Zeitschriftenbranche von 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 7,1 Milliarden Euro verkünden konnte. Doch auch er verweist darauf, dass Google-News ein wichtiger Leser-Lieferant für die Websites der deutschen Verlage ist.

Statt eines Boykotts setzen die Verleger ihre Hoffnungen in das von der Bundesregierung im August verabschiedete Leistungsschutzrecht. Damit soll durchgesetzt werden, dass Suchmaschinen wie Google dafür zahlen müssen, wenn sie Textauszüge aus Presseerzeugnissen verwenden. Der Gesetzesentwurf muss noch von Bundestag und Bundesrat diskutiert werden.

Google Deutschland fürchtet nicht, dass die deutschen Verleger nun mit ihren brasilianischen Kollegen gleichziehen könnten. „Für die Verlage macht das einfach keinen Sinn, weil sie mithilfe von Google ein größeres Publikum erreichen“, sagt Google-Sprecher Ralf Bremer. Tatsächlich wären Brasiliens Verleger nicht die ersten, die mit einem solchen Versuch scheitern würden. Nachdem Medienmogul Rupert Murdoch 2010 seine Londoner „Times“ für die Suchmaschine gesperrt hatte, ruderte er Ende September zurück. Die jeweils ersten Sätze eines Artikels der ansonsten kostenpflichtigen „Times“ sollen bei Google News wieder zu finden sein.

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