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Medien: Gottschalks Wahnsinn

Der Entertainer wechselt vom Zweiten ins Erste. Dort will er am Vorabend eine „Tagesshow“ machen

Thomas Gottschalk hat sich entschieden, der Moderator und Entertainer wechselt vom Zweiten ins Erste. Von Januar 2012 an wird er sich von Montag bis Donnerstag in einer „Tagesshow“ vor der „Tagesschau“ mit „unterhaltsamen Themen des Tages“ beschäftigen, wie die ARD am Freitag mitteilte. 30 Minuten soll die Live-Sendung dauern. Mit Gästen aus den Bereichen Lifestyle, Entertainment und Kultur sowie zugeschalteten Experten möchte Gottschalk über das aktuelle Zeitgeschehen diskutieren. Studiopublikum gibt es nicht, aber per Twitter, Facebook oder Skype können sich Zuschauer an den Gesprächen beteiligen.

„Der Ernst des Lebens gehört in die ‚Tagesschau’. Aber es gibt ja Gott sei Dank neben Politik, Seuchen und Finanzkrisen auch noch den ganz normalen täglichen Wahnsinn. Für den bin ich in Zukunft zuständig“, sagte Gottschalk. Das Konzept erinnere ihn an seine Anfänge in der ARD. Gottschalk hatte seine Karriere als Moderator 1971 bei Bayern 3, dem Jugendfunk des Bayerischen Hörfunks, begonnen. Mindestens zehn Jahre seines Lebens habe er täglich vor dem Mikrofon gesessen. Der Herausforderung einer täglichen „Tagesshow“ fühlt sich Gottschalk auch deshalb „durchaus gewachsen“.

Strippenzieher des Wechsels waren WDR-Intendantin Monika Piel, ARD-Programmdirektor Volker Herres und MDR-Chef Udo Reiter. Piel jubelte am lautesten, sie lobte Gottschalk als „stilprägende Persönlichkeit der deutschen Fernsehunterhaltung“. Das ZDF bedauerte Gottschalks Abschied. „Thomas Gottschalk und das ZDF waren über Jahrzehnte eine erfolgreiche Symbiose. Wir hätten das gerne fortgesetzt. Leben bedeutet aber auch Veränderung und Thomas Gottschalk hat sich für einen Wechsel entschieden. Ich wünsche ihm dafür alles Glück und viel Erfolg“, sagte ZDF-Intendant Markus Schächter. Andere im ZDF waren weniger diplomatisch, die Aussage „Es geht auch ohne Gottschalk“ gibt die Stimmung einer Mehrheit in Mainz wider.

Eine Schockwelle ist am Freitag nicht durch die Anstalt gerollt, wirklich geschockt war das ZDF, als Gottschalk am 12. Februar mit Blick auf den schweren Unfall von Samuel Koch in der Dezember-Ausgabe von „Wetten, dass..?“ das Ende seiner Moderation angekündigt hatte: „Für mich persönlich liegt auf ,Wetten, dass..?’ jetzt einfach ein Schatten, der es mir schwer machen würde, jemals wieder zu der guten Laune zurückzufinden, die Sie zu Recht von mir in dieser Sendung erwarten.“ Die Entscheidung wurde mit Respekt aufgenommen, seitdem gibt es Spekulationen über die Zukunft der Show, von Gottschalk und seinem Nachfolger bei „Wetten, dass..?“. Eine Spekulation ist am Freitag beendet worden, zugleich ergeben sich durch das ARD-Engagement von Thomas Gottschalk zwei Fragen: Warum wechselt er, ist er der Herausforderung wirklich gewachsen?

Der 61-Jährige wird für das Erste deutlich mehr arbeiten als für das ZDF, dafür wird er deutlich besser bezahlt. Thomas Gottschalk lebt im kalifornischen Malibu und in seinem Schlösschen am Rhein ein aufwendiges Leben. Das will finanziert sein. Das ZDF schnürte ihm ein Angebot mit Shows zur Primetime und einem Late-Night-Talk. Gottschalk, so heißt es aus dem ZDF, wollte mehr, er wollte eine erhöhte Frequenz an Late-Night-Auftritten. Das wollte das ZDF nicht, das sich hier mit Markus Lanz bestens vertreten sieht. Bei der Pressekonferenz zur Wahl von Thomas Bellut als Schächters Nachfolger unterstrichen beide, dass das Angebot nicht nachgebessert werde. „Tenor: ,Das ZDF pokert nicht’.“ Bis zum 3. Dezember wird Gottschalk weiter exklusiv für das ZDF arbeiten, drei Ausgaben von „Wetten, dass..?“ moderieren. Unklar blieb am Freitag, ob es noch mehr Auftritte werden, beispielsweise bei der Benefizgala „Ein Herz für Kinder“ oder dem ZDF-Jahresrückblick. Bei der Frage, wer „Wetten, dass..?“ übernimmt, bleibt der Sender seiner Linie treu. Es gebe Gespräche, die Namen Hape Kerkeling und Jörg Pilawa seien nicht falsch. Verkündet werden soll das Ergebnis Anfang kommenden Jahres. Die Fortsetzung von „Wetten, dass..?“ ist für Sommer/Herbst 2012 geplant.

Gottschalks Vorgänger bei der Fernsehshow, Frank Elstner, sagte dem Tagesspiegel: „Was immer Thommy beruflich macht, ich werde ihm dafür die Daumen drücken.“ Das ist erst mal nett und zweitens nötig.

Thomas Gottschalk geht mit der „Wochenshow“ fürs Erste ein hohes Risiko ein. Nirgendwo ist die ARD so konstant erfolglos wie im Vorabendprogramm zwischen 18 und 20 Uhr. Hier aber soll ordentlich Werbegeld verdient werden. Also wird Kai Pflaume, Deutschlands bester Moderations-Roboter, mit „Drei bis Kai“ das x-te Quiz exekutieren, neue Krimi-Formate sollen für neue Spannung sorgen, die Soap „Verbotene Liebe“ läuft weiter und Punkt 19 Uhr 30 heißt es: „Tagesshow“ mit Thomas Gottschalk.

Die redaktionelle Federführung für das neue Vorabend-Format liegt beim WDR und bei der WDR mediagroup. Die Produktion der Sendung soll die RTL-nahe Bertelsmann-Tochter Grundy Light Entertainment übernehmen. Der Moderator und die Produzenten arbeiten derzeit in Los Angeles am Konzept der Show. Anfang kommenden Jahres dürfte der Entertainer mit seiner Familie dann vermutlich seltener in den USA sein, sondern häufiger auf seinem 150 Jahre alten Schloss in Remagen nahe Bonn.

Thomas Gottschalk muss bei der „Tagesshow“ schließlich wissen, worüber er spricht. Die Novität läuft zudem nach „Brisant“ und vor der „Tagesschau“, es wäre ein klassisches Eigentor, wenn er den „Brisant“-Themen hinterhechelt und sich am „Tagesschau“-Büfett vorneweg bedient. Es muss eine besondere Mischung werden, mit einer besonderen, besonders originellen Präsentation. Gottschalk wird wissen, dass er neben „Wetten, dass..?“ nur wenige Quotenerfolge verzeichnen konnte, auffallend erfolglos war sein Late-Night-Talk „Gottschalk Late Night“ bei RTL. Ein ehemaliger Redaktionsleiter sagt im Rückblick: „Thommy kann Gottschalk, Talk kann er nicht.“

Was passiert, wenn der Fernsehliebling in den einstelligen Marktanteil abrutscht? Dann wäre Thomas Gottschalk mit seiner „Tagesshow“ gescheitert. Aus der ARD ist zu hören, dass sich sein Engagement nicht auf den Vorabend beschränken muss. An der möglichen Rettungsbrücke zur Abendshow soll bereits gebastelt werden. Was ausbleibt: Das ZDF wird ihn nicht zurücknehmen, die Privaten schlagen sich beim Gedanken an den „Status Quo“-Fan fluchtartig in die Büsche. Mit 61 fängt ein öffentlich-rechtliches, niemals aber ein Privatleben an.

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