zum Hauptinhalt

Großbritannien: Fluchverbot in der BBC

Der britische Sender muss seine Redakteure an die Kandare nehmen. Der Skandal-Moderator Jonathan Ross darf seinen Job aber wohl behalten.

Die BBC und ihr führendes Management sind von ihrem Kontrollrat, dem BBC Trust, wegen schwerer redaktioneller Mängel kritisiert worden und sollen die Redaktionsdisziplin mit „schärferen Strafen und schärferen Kontrollen“ straffen. Starmoderator Jonathan Ross, Auslöser der schwersten Krise der BBC seit der Hutton-Untersuchung über die Irakberichterstattung in 2003, darf seinen mit einer Jahresgage von sechs Millionen Pfund (etwa 7,2 Millionen Euro) dotierten Job aber behalten, wenn er im Januar nach drei Monaten Strafurlaub zu seiner TV-Sendung „Friday Night with Jonathan Ross“ zurückkehrt.

Ross und Co-Moderator Russell Brand hatten einen Skandal ausgelöst, als sie in einer Radiospätsendung auf BBC 2 Obszönitäten auf dem Anrufbeantworter des Schauspielers Andrew Sachs hinterließen und dabei auf sexuelle Kontakte mit Sachs’ Enkeltochter anspielten. Der über 80-jährige Sachs, seit seiner Rolle als Kellner Manuel in der Komikserie „Faulty Towers“ ein Nationaldenkmal, beschwerte sich. Aufnahmen der Sendung wurden über Youtube verbreitet und die Zahl der Beschwerden schwoll auf über 40 000 Beiträge an. Eine Lawine der Kritik rollte auf die BBC zu, weil dort angefangen mit dem Fernsehkoch kaum noch jemand ohne eine Flut von Kraftausdrücken auszukommen scheint.

„Es gibt in der BBC keinen Platz für sorglosen Gebrauch beleidigender und anstößiger Sprache ohne klare inhaltliche Rechtfertigung“, stellte BBC-Trust-Chairman Sir Michael Lyons kategorisch fest und machte klar, dass sich diese Kritik nicht nur auf den Ross/Brand Fall bezog. Die BBC wird von den britischen Printmedien zunehmend als übermächtiger und selbstherrlicher Konkurrent kritisiert, der sich seine eigenen Gesetze gibt. Unterhausabgeordnete, die untersuchen, wie sich die kommerziellen Aktivitäten der BBC mit ihrer öffentlich-rechtlichen Struktur vertragen, übten diese Woche im Rahmen einer Anhörung scharfe Kritik an BBC Generaldirektor Mark Thomson wegen der Gage für Ross. Mit einem Drei-Jahresvertrag von 18 Millionen Pfund (rund 21,60 Millionen Euro) ist er der höchstbezahlte britische Entertainer.

Gerechtfertigt wird das Honorar, weil Ross junge TV-Zuschauer binde, die dem Fernsehen zunehmend den Rücken kehren. Medienexperten zufolge kann die BBC Ross nicht aus dem Vertrag entlassen, weil letztendlich die mangelnde redaktionelle Aufsicht für das Debakel verantwortlich war.

Der zweite Sündenbock der BBC-Affäre, der Komiker und einstige MTV-Moderator Russell Brand, war kurz nach dem Vorfall von seiner Radioshow zurückgetreten. Zu seinen jüngsten Veröffentlichungen gehört ein autobiografisches Buch über seine „Sex-Abhängigkeit“. Matthias Thibaut, London

Zur Startseite