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Medien: Grüße an das Jahr 2099

Früher gehörte die Utopie zum guten Ton. Jeder Intellektuelle hatte seinen utopischen Trumpf im Ärmel, den er bei Bedarf gegen die schäbige Wirklichkeit ausspielen konnte.

Früher gehörte die Utopie zum guten Ton. Jeder Intellektuelle hatte seinen utopischen Trumpf im Ärmel, den er bei Bedarf gegen die schäbige Wirklichkeit ausspielen konnte. Irgendwann war Schluss damit. Vielleicht im Jahr 1989, als das Volk der Ostdeutschen seine schöne sozialistische Zukunft freiwillig gegen eine häßliche kapitalistische Vergangenheit eintauschte. Wer noch eine Utopie hatte, versuchte sie schnell loszuwerden. Aber nun holt eine ehrgeizige Radioreihe das Vergessene und Verdrängte wieder auf beste Sendeplätze. „Partisanen der Utopie“ heißt eine Kollektion von Hörspielen und Features, die noch einmal die Bestände des utopischen Denkens durchmustert.

Zum Auftakt haben Kai Grehn und Carsten Nicolai „Messages for 2099“ gesammelt. Grußbotschaften prominenter und unbekannter Zeitgenossen an das ferne Jahr 2099. Wie man sich das nächste Jahrhundertende so vorstellt und was man den dann Lebenden unbedingt mitteilen möchte. In einer suggestiven Collage entfaltet sich ein Panorama zeitgenössischer Bewusstseinsformen: naive Fantasie, routinierte Kulturkritik, herzerwärmende Grüße und Wünsche (Deutschlandfunk, 10. Februar, 20 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

Zur Reihe gehört auch Walter van Rossums Radioessay „Das Mögliche hat seine Spur im Sein“ , der sich tief in die Geschichte des Begriffes Utopie eingräbt. Wie alles seine Wurzeln im jüdischchristlichen Zeitbewusstsein und den Bildern von Apokalypse und Erlösung hatte. Wie der britische Jurist Thomas Morus vor 500 Jahren mit einem spektakulären Inseltraum in die Geistesgeschichte einging. Wie Karl Marx das utopische Denken vom Kopf auf Füße stellte, die in schweren Arbeitsschuhen gingen. Und warum wir uns heute nicht mehr als Erbauer, sondern nur noch als Baumaterial der Zukunft denken können (Deutschlandfunk, 13. Februar, 20 Uhr 10).

Christian Hussels Krimi „Das Fressverhalten der Mäuse“ beginnt mit einem Begräbnis. Der Biologe Elbling, so glaubt die Polizei, hat im eigenen Labor Selbstmord begangen. Doch Elblings Neffe macht merkwürdige Entdeckungen. Sein Onkel hat zuletzt das Sterben einiger Labormäuse beobachtet und deren Todeskampf genau protokolliert. Jetzt ist der Beobachter tot, und die Mäuse sind verschwunden. War es wirklich Selbstmord? Der Neffe will sich in eigene Ermittlungen stürzen, da erhält er unheimlichen Besuch (Deutschlandradio Kultur, 11. Februar, 15 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

In ihrem Debütroman „Schneeweiß und Russenrot“ zeichnet Autorin Dorota Maslowska ein schrilles Panorama der Zustände in ihrer polnischen Heimat. Hauptfigur Andrzej vagabundiert durch eine schäbige Kleinstadt, spricht den Drogen zu, wechselt die Frauen, trifft sonderbare Zeitgenossen. Seine Landsleute scheinen vor allem mit ihrem Hass auf die russischen Nachbarn beschäftigt. Im Zweifelsfalle sind immer die Russen an der eigenen Misere schuld. Eine schöne Hörspieladaption des Romans bringt uns die polnische Seele näher (Deutschlandradio Kultur, 12. Februar, 0 Uhr 05).

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