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In der Schweiz hat Thomas Minder das Volksbegehren "gegen die Abzockerei" vom Erfolg geführt. Bei Jauch muss trotzdem Marcel Reif die Schweiz erklären.

© dpa

"Günther Jauch" - TV-Kritik: Kein Kumpel von Drückerkönig Maschmeyer

Bei Günther Jauchs Talkrunde zur Deckelung von Managergehältern kommen Brüderle und Wagenknecht zusammen, Maschmeyer und der Initiator des Volksbegehrens in der Schweiz. Um das Thema geht es trotzdem nicht. Eher um Gaudi, Zoff und Emotionen.

Deutschland, eine Fernsehdemokratie? Bei Günther Jauch schon. Zum Finale seiner Talkshow wird das Studiopublikum vor die Frage gestellt: Darf ein Firmenchef nur 20 Mal so viel verdienen wie sein Facharbeiter? 58 Prozent der rund 250 Zuschauer sagen ja, 42 Prozent sagen nein. Moderator Jauch sagt, das Ergebnis sei nicht repräsentativ. Es sagt im Endeffekt auch nichts aus, aber es macht Eindruck.

Genauso will die Talkshow sein. Das Thema „Den Managern ans Gehalt! Brauchen wir ein Gesetz gegen die Gier?“ ist aktuell, es taugt zum Aufreger. Günther Jauch stolpert sich vor 5,70 Millionen Zuschauern rein. Mit einem VW-Mitarbeiter spricht er über das Jahresgehalt von VW-Chef Martin Winterkorn. Der verdient 300 Mal mehr als der Mitarbeiter. Das findet der zu hoch. Nichts dagegen, trotzdem nutzt es dem Thema viel zu wenig, was „einer aus dem Volk“ dazu meint. Aber Stimmung ist gemacht und die Position markiert, solch ein komplexes Problem sei mit Meinung zu lösen.

Entsprechend hat sich Günther Jauch seine Runde zusammengesetzt. Ein Teilnehmer soll den anderen „fressen“. Wird schon ein Gesamtbild draus. Also reagiert Rainer Brüderle, der Spitzenkandidat der FDP, immer wieder auf Sarah Wagenknecht. Die Links-Politikerin, die wie keine zweite eine Fernsehstunde mit durchgedrücktem Rücken absolvieren kann, postuliert die Forderung, die in nur leicht abgewandelter Form zur Zuschauerfrage mutieren wird. Brüderle will die Eigentümer/Aktionäre befinden lassen, wie Manager bezahlt werden sollen. Mit kaum verhohlener Dirndl-Rhetorik bezeichnet er Wagenknecht mal als Propagandistin der „kommunistischen Plattform“, mal als Vertreterin der „Politkommissare“. Das macht Stimmung, Informationen zur Sache bringt es nicht.

Bei Carsten Maschmeyer verhält sich Jauch zu Beginn der Sendung nachgerade absurd. Jauchs Talkshow wird vom NDR verantwortet. Im NDR arbeitete und arbeitet der schärfste Maschmeyer-Kritiker ever: Christoph Lütgert. Der ehemalige Chefreporter des Senders und Autor der Dokumentation „Der Drückerkönig und die Politik“ stänkerte im Vorfeld der Jauch-Sendung bei „Spiegel online“ über Maschmeyers Einladung: „Natürlich ärgert mich das, denn gerade wir im NDR hatten Maschmeyer entlarvt - als großen Abzocker, der viele Millionen Euro mit dem Unglück Tausender Menschen gemacht hat.“ Auch für den Moderator findet Lütgert deutliche Worte: „Dass der RTL-Quizonkel Günther Jauch wochentags die ARD-Quote zerschießt und am Sonntag als ARD-Dampfplauderer unsere Glaubwürdigkeit beschädigen darf, finde ich schwer erträglich.“

Das mit dem Dampfplauderer geht zu weit. Tatsächlich aber meint Jauch, er müsse die Leistung des AWD-Gründers kritisch aufarbeiten, tatsächlich glaubt Maschmeyer, er könnte sein öffentliches Bild retuschieren. Was er in der Schlussviertelstunde zu Motivation und Anstachelung der Leitungsbereitschaft zu sagen hat, das klingt nicht nach dem Wörterbuch des Unmenschen. Es wird Maschmeyer wenig bis nichts nutzen. Jauch dagegen hat hier sein Ziel erreicht: Er hat nachgewiesen, dass er kein Kumpel vom Drückerkönig ist. Ja und? Dass der Fußball-Kommentator Marcel Reif in der Runde sitzt, verdankt sich der tiefen Duz-Freundschaft zwischen Moderator und Sportsmann („Ein Tor ist gefallen“) und der schlichten Tatsache, dass Reif seit 17 Jahren in der Schweiz lebt, also etwas von dem Volk verstehen muss, das sich per Volksabstimmung „Gegen die Abzockerei“ entschieden hat. Thomas Minder, der Initiator des Entscheids, ist gleichfalls in den Gasometer gekommen – da braucht es keinen „Schweiz-Erklärer“ Reif.

Die Manie, Themen volkshochschulhaft auszubreiten und in eine Stimmungslage zu überführen, hat die Jauch-Truppe mittlerweile perfektioniert. Hier ein Zweiergespräch, da ein Einspielfilm, dort eine Abstimmung – ist das eine Talkshow in der ARD oder „Stern TV“, das mit Jauch von RTL ins Erste rübergemacht hat? „Günther Jauch“ ist in seiner Zerfaserung eine Misstrauenserklärung an das eigentliche, das zugrunde liegende Format: eine Diskussion, ein Streit der Meinenden und der Meinungen. Die Klärung eines Sachverhaltes, einer auch schwierigen Frage. Bei „Günther Jauch“ zerfließt ein Thema in Emotion, ins Katz-und-Maus-Schema. Und dass Jauch, der mindestens so sehr als Populist wie als Journalist agiert, den FDP-Heroen Brüderle am Schluss fragt, ob er sich für seine Dirndl-Äußerung nicht endlich entschuldigen möchte (möchte er nicht), macht klar, was seine Sendung wirklich beabsichtigt: Den Mächtigen zur Gaudi des Volks in den Ausschnitt gucken.

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