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Hubert Seipel mit Wladimir Putin - der Journalist der ARD interviewt Russlands Präsident für die Talkshow von Günther Jauch.

© dpa (Knut Sodemann, Armin Plöger)

Günther Jauch: Wladimir Putin schlägt Haken, Hubert Seipel hakt nicht nach

Dass Russlands Präsident Wladimir Putin der ARD ein Interview gibt, ist etwas Besonderes. Aber es war auch besonders langweilig. Die Diskussion bei Günther Jauch danach überzeugte allerdings.

Das Putin-Interview. Russlands Präsident Wladimir Putin exklusiv bei der ARD. Eine mediale und vor allem seltene Kostbarkeit? Die, die beim Ersten Deutschen Fernsehen die Entscheidungen treffen, sind davon überzeugt. Deswegen wird der übliche Ablauf der Sendung von Günther Jauch auch über den Haufen geworfen. Erst wird das Interview gezeigt. Und dann sollen Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Putin-Befrager Hubert Seipel, WDR-Chefredakteurin Sonia Seymour Mikich und Historiker Heinrich August Winkler das Interview für 5,61 Millionen Zuschauer politisch einordnen.

31 Minuten und 24 Sekunden dauert das Gespräch. Auf der einen Seite Hubert Seipel, Fernseh-Journalist und Macher des Porträts „Ich, Putin“. Auf der anderen Seite, der russische Staatspräsident Wladimir Putin. Jauch will von Seipel wissen, warum Putin so gerne mit ihm spricht. Die Antwort: „Nun bin ich aber auch nicht dieser missionarische Type. Sondern ich frage und lasse die Leute auch antworten." Man müsse sich als Journalist nicht heroisch als Freiheitskämpfer hinstellen.

Also ein Freiheitskämpfer ist Hubert Seipel tatsächlich nicht, ein Speichellecker ist er aber auch nicht. Er stellt lange, detailfreudige, sanft kritisch formulierte Fragen. War Putins Rede vor dem Deutschen Bundestag zu pessimistisch? Ist der Ton zwischen Obama und Putin rauer geworden? Droht die Wiederauflage des Kalten Krieges? War die Annexion der Krim ein Bruch des Völkerrechts? Wie erfolgreich sind die Wirtschaftssanktionen? Putin beantwortet das alles, endlos lang und mit vielen Seitenaspekten. Meistens hat man am Ende schon vergessen, was am Anfang gefragt wurde.

Wladimir Putin: Westen denkt nicht nach, ist blind.

Nur einmal wird er ganz handfest. Da wirft er dem Westen vor, nicht nachzudenken, blind zu sein. Hin und wieder hat man das Gefühl, jetzt gibt es eine konkrete Antwort. Aber dann schlägt Putin einen Haken und schildert seine Sicht der Dinge. Er forderte etwa, in der Ukraine-Krise das Gesamtbild im Auge zu behalten. „Das Wichtigste ist, dass man das Problem nicht einseitig betrachten darf.“ Das ukrainische Militär setze im Kampf mit prorussischen Separatisten Raketen ein, aber dies werde nicht erwähnt.

Dann warnte Putin vor den Folgen von Sanktionen gegen Russland. Russische Banken könnten am internationalen Finanzmarkt nun auch weniger Kredite an russische Unternehmen vergeben, die mit deutschen Partnern arbeiteten. „Früher oder später hat das nicht nur für uns Auswirkungen, sondern auch für Sie.“ Tausende Arbeitsplätze in Deutschland hingen von der wirtschaftlichen Kooperation mit Russland ab.

Wie Borschtsch ohne alles

Auch für die Ukraine seien die Sanktionen gefährlich. Russische Banken hätten Kredite über umgerechnet 20 Milliarden Euro im Nachbarland vergeben. Mit Sanktionen treffe der Westen russische Banken und damit auch die Ukraine. Hier kam dann der Einwurf mit dem fehlenden Nachdenken des Westens. Zwar hätten die EU- und US-Sanktionen Russland geschadet. Russland müsse wegen der westliche Exportverbote nun bestimmte Waren selbst herstellen, was auch eine Chance sei.

Seipel hakt nie nach. Zum Schluss aber will er es wissen: Hat Putin Fehler gemacht? Die Antwort! Eine blumige Abhandlung über den Begriff „Fehler“. Was hatte Seipel da auch erwartet? Eine Beichte? Eine Selbstbeschuldigung? Das Gespräch – ein braves Frage-Antwort-Spiel. Langweilig. Ohne Höhepunkte. Wie ein Teller Borschtsch ohne Rote Bete, Zwiebeln, Weißkohl, Kartoffeln, Tomaten und Rindfleisch.

Historiker Heinrich August Winkler, Journalist Hubert Seipel, der Wladimir Putin interviewte, Moderator Günther Jauch, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyenund WDR-Chefredakteurin Sonia Seymour Mikich in der Talkshow "Günther Jauch".
Historiker Heinrich August Winkler, Journalist Hubert Seipel, der Wladimir Putin interviewte, Moderator Günther Jauch, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyenund WDR-Chefredakteurin Sonia Seymour Mikich in der Talkshow "Günther Jauch".

© ARD

Die folgende Talkrunde, also die eigentliche Günther-Jauch-Show, ist dagegen richtig interessant. Vor allem Sonia Seymour Mikich, lange Jahre Korrespondentin in Russland hat genug Expertenwissen und eine Freidenkerhaltung, das sie sich nicht in den Extremen „Putin-Hasser“ oder „Putin-Versteher“ verirrt. Ursula von der Leyen ist gut vorbereitet, staatsbürgerlich konziliant. Putins Aussage, dass er ethnische Säuberungen von russischen Minderheiten befürchtet, beurteilt sie als abenteuerlich.

Putin-Interviewer Hubert Seipel wirkt verärgert und verschnupft. Er ist wohl böse auf die Redaktion, da sie ihn auf einem Bild zusammen mit Putin in Tarnkleidung gezeigt hat. Und dann versteht er auch noch die Anmoderation von Jauch falsch. Der stellt Putin nicht als das Böse in der Welt dar, sondern die Sicht, die viele Menschen von Putin haben.

Fazit: Eine längere Sendung als üblich. Langweiliger Anfang. Lebhafter und munterer Talkteil.

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