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Günther Jauch diskutierte am Sonntag mit seinen Gästen über die Krise in der Ukraine.

© dpa

Günther Jauch zur Ukraine: "Militär löst keinen Konflikt"

Im Osten der Ukraine eskaliert die Gewalt. Günther Jauch fragte seine Gäste deshalb: "Ist Putin noch zu stoppen?" Die Debatte blieb vorsichtig und diplomatisch - bis auf eine gewagte historische Provokation.

Nach gefühlt drei Dutzend Runden auf allen Kanälen zum Thema Ukraine ging es bei Günther Jauch am Sonntag Abend auffallend ruhig und vernünftig zu. Gern sprechen Journalisten und Politikerinnen jetzt mit der Stimme der Diplomatie oder werben doch dafür. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen öffnete gleich vier oder fünf Mal "den Gesprächsraum" und warnte nachdrücklich davor, "die Tür  zuzuschlagen". Sogar die Geheimdiplomatie bekam ihren Auftritt, wenn auch nur indirekt. Der Journalist Fritz Pleitgen erwähnte, dass die Ukraine gegenwärtig ein sehr beliebtes Reiseland für Agenten sei. Erhard Eppler ließ wissen, dass die Freilassung der OSZE-Geiseln wohl nicht ohne die Intervention von Altkanzler Schröder zustande gekommen wäre - von wegen Geburtstagsfeier und Männerfreundschaft, da steckte natürlich mehr dahinter. Genaueres - Jauch fragte nach - könne er hier leider nicht sagen.

Klaus-Helge Donath, Russland-Korrespondent der "taz", sprach grämlich vom Hitler-Stalin-Pakt, nur dass diesmal nicht Polen, sondern die Ukraine aufgeteilt werden solle. Aber niemand ging auf die Provokation ein, vielleicht weil man inzwischen genug hat von schiefen historischen Parallelen und nicht darauf warten mag, ob die sich im Unendlichen treffen. Marina Weisband, Politikerin und geborene Ukrainerin, verwies auf die Toten von Odessa und erklärte, dass ihr die Umarmung zweier Kerle angesichts dieser Tragödie egal sei. Von der Leyen schob noch ein, dass man die Gespräche Steinmeiers mit Lawrow und die Telefonate Merkels mit Putin nicht vergessen sollte, denn die hätten es schließlich gebracht.

Günther Jauch zur Ukraine: Eine Weihestunde der Vernunft

Ja, es war die Stunde der Hoffnung auf das Gespräch, auf Tische, an denen man sitzen sollte, Türen, die offen gehalten, Telefonate, die geführt und Brückenfunktionen zwischen Ost und West, die etwa durch die Ukraine erfüllt werden müssten, anstatt dass sich das Land zwischen Ost und West aufreibe. Im Großen und Ganzen: eine Weihestunde der Vernunft. Von der Leyen bezeichnete gleich in ihrem ersten Statement den just frei gelassenen Oberst Schneider als "sehr besonnen". Man fragt sich angesichts dieser gesammelten Gelassenheit, wo denn all die Sorgen herkommen, die das Thema so lange in den Schlagzeilen und Talkshows halten und ob es nicht bloße Panikmache sei, wenn man eine "Kriegsgefahr in Europa" beschwört. Und für den TV-Moderator ist es natürlich auch nicht so schön, wenn seine Gäste sich meistens einig sind.

Man kann dieses Ringen um Vernunft in der Talkshow natürlich auch als Versuch interpretieren, statt Panik genau das Gegenteil zu inszenieren: Beschwichtigung. Leute, geht an diesem Sonntag ruhig schlafen, es wird schon nicht schlimm kommen. "Wladimir Wladimirowitsch", so sagte Herr Donath von der "taz", und es klang, als sei auch er mit Wladimir Putin befreundet gewesen oder ihm zumindest irgendwie nahe gekommen, also der passe genau auf, was in der Welt passiere. Aha, schließt die Zuschauerin, ein Abenteurer ist er dann wohl nicht.

Von der Leyen erinnerte an den Aufbruch nach Putins Antritt: Man hatte sich jede Menge Modernisierung von ihm versprochen und "Bausteine des Miteinander" zusammen getragen. Ein Einspieler zeigte den Kreml-Chef deutsch redend im Bundestag. Und nun so was. Wer habe das ahnen können. Also das mit der Krim sei nicht tolerierbar, wobei dennoch der Gesprächsraum.... Jauch stellte der Ministerin eine direkte Frage: "Ist Putin nicht inzwischen ein völkisch-nationalistischer Ideologe?" Von der Leyen: "Das ist keine Kategorie, die uns weiter bringt." Ja, so ging es zu: so vorsichtig, so respektvoll, so diplomatisch.

Was braut sich im Osten der Ukraine zusammen?

Dass da was geschieht in Russland, in Kiew, in Odessa und auf der Krim, das keiner so richtig überblickt und einordnen kann, dass sich da was zusammenbraut, was vielleicht dann doch dazu führt, dass nicht mehr die klugen Leute, sondern die scharfen Waffen sprechen, das wurde zwischen den Zeilen gerade dadurch deutlich, dass sich alle gegen eine solche Perspektive verwahrten. Eppler fand dann eine nicht ganz so pathetische Metapher: Er meinte, noch sei die Kuh nicht vom Eis, und die Kuh sei auch schon ein richtiger Stier, und die Europäer müssten "auf die Russen zugehen und Sondierungsgespräche mit ihnen führen".

Pleitgen lobte unsere Regierung für "eine Politik des Augenmaßes" und mahnte, dass man immer die Interessen der anderen Seite ins Kalkül ziehen müsse. Als Jauch dann ein bisschen  Dissens in die Runde streuen wollte und auf den Verteidigungsetat zu sprechen kam und Donath herausforderte, der in der "taz" gemeint habe, man müsse aufrüsten, da eierte Donath aber ziemlich, und die Verteidigungsministerin befand, ihr eigenes Ressort damit nicht gerade aufwertend: "Militär löst keinen Konflikt". Die einzige, die praktische Vorschläge machte, war Weisband. Sie bestand darauf, dass es bald freie und von allen Seiten beaufsichtigte Wahlen in der Ukraine geben müsse, und dann könne man weiter sehen.

Nach so viel tendenzieller Harmonie - in der Runde und in der Perspektive der Politik - fiel Jauch kein knackiges Schlusswort ein. Er murmelte was von Hoffnung auf Deeskalation und gab dann weiter zu den Tagesthemen. Dort sah man dann die Kämpfe und die Brände von Odessa.

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