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TV-Satiriker Jan Böhmermann

© dpa/Oliver Berg

Update

Hamburger Landgericht: Böhmermanns Erdogan-"Schmähkritik" bleibt in Teilen verboten

Teilerfolg für den türkischen Präsidenten: Satiriker Jan Böhmermann darf bestimmte Passagen aus seiner "Schmähkritik" an Erdogan nicht wiederholen. Das Urteil aus Hamburg ist aber noch nicht rechtskräftig.

Eine Zwischenetappe ist im zivilen Rechtsstreit um das Schmähgedicht des Satirikers Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan absolviert. Das Hamburger Landgericht hat seine frühere Eilentscheidung bestätigt. Entscheidende strittige Passagen etwa mit sexuellen Bezügen dürfe Böhmermann weiterhin nicht wiederholen, entschieden die Richter am Freitag. Das gesamte Gedicht verboten sie aber nach wie vor nicht. Sicher ist, dass der Streit weitergehen wird.
Erdogan hatte ein Komplettverbot gefordert, auch seine Klage war damit letztlich nicht vollständig erfolgreich. Satire dürfe für sich einen großen Freiraum beanspruchen, sei nach den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts "aber nicht schrankenlos", betonte die Vorsitzende Richterin Simone Käfer. Sie könne mit dem Persönlichkeitsrecht eines Menschen kollidieren. Die beanstandeten Passagen müsse Erdogan "nicht mehr hinnehmen". Mit seinem Beschluss im sogenannten Hauptsacheverfahren blieb die Kammer exakt der Linie aus dem vorgeschalteten vorläufigen Eilverfahren treu, in dem bereits im Mai vorigen Jahres eine Entscheidung verkündet worden war. Das Urteil ist aber nicht rechtskräftig, beide Parteien können dagegen Berufung am Oberlandesgericht einlegen. Erdogans Anwalt Michael-Hubertus von Sprenger argumentierte vor dem Hamburger Landgericht, dass die Menschenwürde auch für den Staatspräsidenten gelte. Böhmermann habe den Präsidenten gezielt beleidigen wollen und sich „unter dem Deckmäntelchen der Kunst“ versteckt. Böhmermanns Anwalt Christian Schertz argumentierte mit der Satire- und Kunstfreiheit und forderte, das Gedicht im Rahmen der gesamten „Neo Magazin Royale“-Sendung zu betrachten.

Politische Kontroversen

Die nach einer Anzeige Erdogans eingeleiteten strafrechtlichen Ermittlungen wegen des Verdachts der Beleidigung gegen Böhmermann stellte die Staatsanwaltschaft Mainz bereits im Oktober ein. Für zivilrechtliche Entscheidungen gelten aber andere juristische Maßstäbe. Böhmermanns Schmähgedicht hatte auch für große politische Kontroversen gesorgt, weil die Bundesregierung die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Moderator genehmigt hatte.

Das Hamburger Landgericht bezog sich in seiner Ausführungen insbesondere auf jene Passagen, in denen Erdogan mit bestimmten sexuellen Verhaltensweisen in Verbindung gebracht wurde. Aus dem Kontext des Gedichts sei zwar ersichtlich, dass diese keinerlei realen Bezug hätten, betonte die Vorsitzende Richterin. "Beleidigungen und Beschimpfungen muss der Betroffene aber nicht schon deshalb hinnehmen, weil sie ersichtlich nicht ernst gemeint sind." Bei seiner Entscheidung berücksichtigte das Gericht nach eigenen Angaben auch den politischen Zusammenhang angesichts der Lage in der Türkei und Erdogans Verhalten etwa gegenüber seinen Gegnern. Auch wenn dieser sich als Staatschef aus Gründen der "Machtkritik" besonders heftige Kritik gefallen lassen müsse, sei die Abwägung unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Maßstäbe allerdings genauso ausgefallen.

Gemischte Reaktionen

Der deutsch-türkische Kabarettist Fatih Cevikkollu sieht auch Positives an der Auseinandersetzung. Dem SWR sagte er am Freitag, das Beste sei, „dass dieser unsägliche Paragraf abgeschafft wurde“. Der Paragraf 103 ermöglichte ein Verfahren aufgrund der Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter in Deutschland. Er soll nach dem Willen der Bundesregierung zum 1. Januar 2018 abgeschafft werden. Der Bundestag muss allerdings noch zustimmen. Der Deutsche Journalisten-Verband wiederum bedauerte die Entscheidung des Landgerichts Hamburg. "Das ist ein absolut unbefriedigendes Urteil, weil es eine Einschränkung der Satirefreiheit bedeutet“, kritisierte DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall das Urteil. Es sei unverständlich, dass nur in Hamburg die Justiz Verständnis für die Ehrpusseligkeit des türkischen Präsidenten habe, während andernorts erst gar keine Klage zugelassen worden sei. Der DJV-Vorsitzende hält es für „unbedingt geboten“, gegen das Hamburger Urteil weitere rechtliche Schritte einzuleiten. Das wird passieren.

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