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Medien: Handy-TV zur WM 2006 fraglich

Technik und Geräte sind da, doch noch wird um die Standards gestritten

Die Aussichten könnten besser nicht sein: Mobiles Fernsehen auf dem Handy könnte zum großen Zukunftsgeschäft werden. Auf eine Größenordnung von 450 Millionen Euro jährlich bereits in fünf Jahren schätzt das Berliner Medienberatungsunternehmen Goldmedia die Marktchancen eines TV-Angebotes, das dann wirklich den Namen „Überallfernsehen“ verdient.

Die technischen Voraussetzungen dafür sind bereits vorhanden – jedenfalls im Grundsatz. Mit dem Handyableger des erfolgreichen digitalen Antennenfernsehens DVB-T, der darum auch den Namen DVB-H trägt, und dem konkurrierenden Standard DMB (Digital Media Broadcasting), der in Asien bereits im Regelbetrieb ist, steht der Verbreitung des Handy-TV prinzipiell nichts mehr im Wege. Auch die nötigen Handys – gerade hat Nokia mit dem N92 das erste DVB-H–Handy vorgestellt, und für DMB gibt es bereits eine Auswahl von Geräten – sind verfügbar.

Doch gerade diese Konkurrenz der beiden Handy-TV-Standards könnte nun dazu führen, dass eine Hoffnung sich nicht erfüllt: dass bereits zur Fußball-WM 2006 in Deutschland die Fußball-Fans auch jenseits der Stadien mit Weltklasse-Fußballbildern versorgt werden.Das befürchtet Michael Lessig von Goldmedia. Jedenfalls nicht als Angebot im Regelbetrieb, denn durch Deutschland geht in Sachen Handy-TV ein Nord-Süd-Riss.

Zwar haben sich die Landesmedienanstalten darauf verständigt, die Vorteile und Nachteile beider Technologien wert- und politikfrei gegeneinander abzuwägen, dennoch lassen sich gewisse Präferenzen nicht verleugnen. So stammt die DMB-Technologie direkt von einer anderen Technik ab, die seit vielen Jahren von den süddeutschen Bundesländern vorangetrieben wurde: Doch DAB, das Digital Audio Broadcasting für den digitalen Rundfunkempfang, konnte sich bislang nicht richtig durchsetzen. Anders sieht es mit DVB-T aus, das in Berlin vor nun gut drei Jahren gestartet ist und nun sukzessive – zumindest in den Ballungsgebieten – den alten analogen Fernsehempfang über die Antenne ablöst. „Technologisch spricht auch beim Handy-TV einiges für DVB-T beziehungsweise DVB-H“, meint Michael Lessig: „Während mit DMB maximal sechs Programme pro Kanal zu den mobilen Empfängern transportiert werden können, reicht ein DVB-Kanal aus, 30 Programme und mehr im Handyformat zu senden.“

So gibt es nach Einschätzung des Goldmedia-Beraters auch bei den Mobilfunkprovidern, die über entsprechende Verträge und Geräte eine bedeutende Funktion für die Einführung und Verbreitung des Handy-Fernsehens hätten, eine klare Präferenz für die DVB-H-Technologie. So haben beispielsweise die Netzbetreiber T-Mobile, Vodafone, E-Plus und O2 gerade eine Vereinbarung unterschrieben, die für den norddeutschen Raum gilt. In einer Absichtserklärung haben sich die Landesmedienanstalten von Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein für den Einsatz von DVB-H ausgesprochen und eine Erprobungsphase für die Fußball-WM angekündigt. Zumindest in WM-Städten soll damit der Empfang des Fußball-TV auf dem Handy möglich sein. Auch wenn Berlin nicht zu dieser norddeutschen Allianz gehört, dürfte es auch in der Hauptstadt – von der das digitale Antennenfernsehen schließlich seinen Ausgang nahm – mobile Livebilder von der WM geben, sagt Lessig.

Wenn allerdings all diese Voraussetzungen bereits erfüllt sind, stellt sich die Frage, warum das Handy-TV nicht bereits Mitte 2006 in den Regelbetrieb geht, um diesen Erfolg dann über die WM hinaus sicherzustellen? Die rasche Lösung scheitert derzeit an zwei technischen Gegebenheiten: So verfügt zwar das süddeutsche DMB bereits jetzt über die nötigen Frequenzen, bietet aber im Vergleich zu DVB-H weniger gute Möglichkeiten für kostenpflichtige Zusatzdienste, wie sie von den Betreibern gewünscht werden. Das wäre wiederum mit DVB-H machbar, hier ist die Einbindung multimedialer Inhalte und der Rückkanal kein Problem, wohl aber die Frequenzsituation. Die Radiowellenkonferenz, die darüber entscheidet, findet erst im Sommer 2006 statt. Hinzu kommt: DVB-H hat seine Vorteile vor allem in Ballungsgebieten, in der Fläche gilt die von den Süddeutschen präferierte Technik als kostengünstiger. Möglicherweise liegt die Lösung dieses Dilemmas in einem weiteren Standard, dem vom Bundesforschungsministerium geförderten DXB. Er verbindet die Vorteile beider Techniken so, dass die derzeitigen Konkurrenten in einem Handy vereint würden. Der einzige Nachteil: DXB wird wohl für den Markt nicht vor 2008 zur Verfügung stehen, den Fußballfans hilft das für die WM 2006 also auch nicht.

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