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„Man muss sich eines Tages entscheiden: Produziere ich Opel oder Ferrari?“ Harald Schmidt, 55, macht sich nach eigenen Angaben keinen Kopf darüber, warum seine Show bei Sat 1 gescheitert ist. Foto: dapd

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Harald Schmidt im Interview: „Abstieg, Aufstieg…das ist was für Werktätige“

Am Dienstag kehrt der Moderator auf den Bildschirm zurück. Harald Schmidt über seinen Wechsel zum Pay-TV-Sender Sky, Ausbeutung seiner Mitarbeiter, Oliver Pocher und die Generation Smartphone.

Herr Schmidt, wegen Ihnen haben wir jetzt Sky abonniert.

Ehrlich?

Ja, Sie sagen doch, Sie seien mit Sky beim besseren Fernsehen gelandet.

Absolut richtig.

Nun sind dort aber Kollegen von Ihnen – Oliver Pocher und Lothar Matthäus.

Na und? Sowohl mein Freund Olli als auch der verehrte Lothar Matthäus sind Große ihres Genres. Das bestreitet keiner. Matthäus beispielsweise ist unangreifbar, wenn er sich als Experte zum Spiel äußert. Sie gucken so, das ist so.

Also ist der Wechsel vom Free-TV zum Pay-TV für Harald Schmidt kein Ab-, sondern ein Umstieg?

Ich habe einen neuen Raum betreten. Das habe ich neulich in einer Todesanzeige gelesen. Das gilt auch für diese Situation. Nein, das mit Abstieg, Aufstieg, das ist was für Werktätige. In der Welt eines, ich komm’ jetzt nicht auf den Namen, gibt es diese Kriterien nicht.

Kennen Sie Brian Sullivan, den Sky-Deutschland-Chef?

Selbstverständlich.

Der Mann ist US-Amerikaner, spricht kein Wort Deutsch, hat Ihre Show nie gesehen. Wie haben Sie ihn überzeugen können?

Gar nicht, ich lernte ihn erst kennen, als der Deal schon beschlossen war. Internationale Alphatiere erkennen sich gegenseitig. Außerdem, und jetzt mach’ ich Ihr Argument platt: Die WDR-Intendantin spricht Deutsch, kennt seit 40 Jahren Thomas Gottschalk und hat ihn für den ARD-Vorabend engagiert.

Hat es Gottschalk bei RTL jetzt schlechter getroffen als Sie bei Sky?

Thommy muss sich die Aufmerksamkeit mit der wirklich sehr, sehr netten, attraktiven Michelle Hunziker teilen und mit dem Superalphatier Dieter Bohlen, während ich mich hier bei Sky einordne in ein Premiumprodukt. Außerdem bin ich jetzt in der Nähe meines geliebten Fußballs. Da habe ich am vergangenen Freitag sogar Berti Vogts kennenlernen dürfen. Der war gar nicht böse auf mich wegen des einen oder anderen Berti-Vogts-Witzes in meiner Show.

"Bisher hörte ich ja hauptsächlich den Satz: Schade, Schmidt kommt zu spät."

Schön für Sie. Muss man jetzt damit rechnen, dass Sie von Sky-Sendung zu Sky-Sendung wandern?

Nein. Ich freue mich, wenn ich eingeladen werde, bin bei den Eröffnungsspielen der Fußball-Bundesliga und beim DFB-Pokal dabei, als Fan-Experte, als leidenschaftlicher Dilettant. Ich war schon immer Fußballfan. Ich habe mit meinem Vater im Stuttgarter Neckarstadion Uwe Seeler spielen gesehen, Willy Entenmann, Charly Dörfel. Jetzt darf ich mich auch dazu äußern, bei Sky. Das war irre, in Berlin beim Pokalfinale, ein Blick in die Dortmunder Kabine, oder wenn die Bayern an mir vorbei zum Warmlaufen kommen. Vor 80 000 Leuten.

Sie sind Bayern-München-Fan.

Ja, und vom VfB Stuttgart. Beide Mitgliedsausweise kann ich auf Wunsch vorzeigen. Grundsätzlich geht es mir aber immer darum, ein tolles Spiel zu sehen. Ob nun Erzgebirge Aue gegen den 1.FC Köln neulich am Montagabend, eine ganz bittere Geschichte, oder Bayern und Real in der Champions League.

Zurück zur Late-Night-Show. Sie machen das ja nicht für sich alleine. Haben Sie eine Vorstellung vom Pay-TV-Publikum, den rund drei Millionen Sky-Abonnenten?

Bisher hörte ich ja hauptsächlich den Satz: Schade, Schmidt kommt zu spät. Jetzt kommt seine Late-Night eine Stunde früher, und ich muss dafür bezahlen. Das heißt, ich bin als Zuschauer in der Situation eines Politikers, der sagt, wir brauchen die Energiewende, aber Strommasten bitte nicht und Windrad nur weit weg von mir. Und Atomenergie bitte gar nicht.

Ihre potenziellen Zuschauer also ...

… ich muss Sie mal korrigieren: Ich mach’ die Sendung in allererster Linie für mich. Ich habe mich nie in die DNA meiner Zuschauer reingehängt, freue mich über jeden, der zuguckt. Noch mehr freue ich mich über jeden, der ein Abo kauft.

Aber die nur 600 000 Zuschauer zuletzt bei Sat 1, das Quotendesaster haben Sie doch persönlich genommen. Das kann Ihnen nicht egal gewesen sein.

Doch. Ich würde Ihnen wahnsinnig gern den Gefallen tun, in eine Verteidigungsrolle zu fallen. Man muss sich eines Tages aber entscheiden: Produziere ich Opel oder Ferrari?

Wo wir bei Opel sind: Musste es sein, dass Sie nach dem Abgang Ihres Partners Oliver Pocher aus der Schmidt-Show im Ersten diverse Spötteleien hinterhergeworfen haben, die sich auch auf Pochers Geistesgröße bezogen haben. Das wirkte ungewohnt unsouverän, kleingeistig.

Kleingeistigkeit und Unsouveränität sind ganz wichtige Merkmale deutscher Geistesgrößen. Es gibt diese Schilderung des Schriftstellers und Kulturkritikers Hans Mayer, wo Adorno und Horkheimer beim Kaffeetrinken sitzen. Horkheimer beobachtet, dass Adorno den Würfelzucker nicht in den Kaffee schüttet, sondern an ein Pferd weitergibt.

Was wollen Sie damit sagen?

Dass es viel zu anstrengend ist, Kleingeistigkeit und Unsouveränität von sich fern zu halten.

Sie sagten vorhin: „mein Freund Olli“. Das glauben wir Ihnen nicht.

Ich habe sechs Milliarden Gags gemacht, darunter ein paar über Pocher. Es waren zwei schöne Jahre mit ihm. Wenn Olli jetzt durch die Tür reinkommt, würd’ ich sagen: He, lieber Olli, setz dich hin, ich werde gerade von der Hauptstadtpresse kritisch in die Mangel genommen. Was sagst du dazu?

Haben Sie Precht in Ihrer Show als Gast? - Sicher nicht.

Adorno, Horkheimer, Hans Mayer, solche Namen werfen Sie zwischen die Gags weiter in Ihre Show rein?

Wir zitieren Namen, von denen die Generation Smartphone nichts gehört hat. Das bedeutet für mich: So lange weitermachen, bis es wieder heißt, es gibt noch einen, der Hans Mayer, wenn nicht verstanden, so doch gelesen hat. Der könnte doch auch mal mit Richard David Precht essen gehen.

Haben Sie Precht in Ihrer Show als Gast? Mit dem könnten Sie über Adorno reden.

Sicher nicht. Der macht doch Primetimeshow im ZDF, oder? Talkgäste bleiben Bestandteil der Show, genauso wie die jungen Wilden als Sidekicks, Klaas Heufer-Umlauf, Pierre M. Krause oder Olli Dittrich. Neu kommen Mirjam Weichselbraun und Stefanie Stappenbeck dazu.

Die „Schmidt-Show“ bleibt ohne Reform, ohne Innovation, ohne Weiterentwicklung.

In der Theologie begeht der Glaube Selbstmord. Ein toller Satz von Karl Rahner. Das hat mich von der Lektüre jeglicher katholischer Hintergrundliteratur befreit und meine Show vor vielen Fehlern bewahrt. Ich sage mir immer: Kerzchen und Marienbild, da sind wir richtig.

Was ist eigentlich mit Ihrer Gage für die Show? Steigt da bei Harald Schmidt noch die Stimmung?

Die Gage ist für mich nicht mehr das Entscheidende. Da habe ich mich lange von gelöst. Das Entscheidende für mich ist, die Sendung machen zu können. Wichtiger, als dass ich Geld verdiene, ist, dass ich die Produktion bezahlen kann.

Sie denken mehr an andere als an sich.

Ich könnte ja locker Geld verdienen als Mediensöldner. Hier ’ne Moderation, dort ’ne Gala, da ein Panel. Interessiert mich alles nicht. Ich brauche Kapital, eingehaltenen Lohn, wie die Marxisten wissen, um meine Mitarbeiter, die Produktion und das Studio bezahlen zu können.

Das klingt nach Arbeitgeberverständnis.

Ne, ich bin ein Ausbeuter. Und dazu brauche ich Werkzeug für die Knechte.

Das Gespräch führten Markus Ehrenberg und Joachim Huber

Harald Schmidt wurde am 17. August 1957 in Neu-Ulm geboren. Nach Schauspielstudium und Bühnen-Engagements erste TV-Erfahrungen 1988  mit „MAZ ab!“. Es folgte „Schmidteinander“. Seine Late-Night-Show etablierte Schmidt von 1995 bis 2003 bei Sat 1, danach in der ARD, zuletzt wieder bei Sat 1, wo die Show wegen schlechter Quoten eingestellt wurde. Ab Dienstag (22 Uhr 15) kehrt die Schmidt- Show beim Pay-TV-Sender Sky Atlantic HD dreimal die Woche auf den Bildschirm zurück. Schmidt lebt mit Lebensgefährtin in Köln und hat fünf Kinder.

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