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Harald Schmidt Show: Papst ohne Segen

Die Quoten gehen von Mal zu Mal in den Keller, doch Sat 1 will nicht wahrhaben, was unverkennbar ist: Harald Schmidts Late-Night-Programm ist nicht länger attraktiv.

Sat 1 sagt, es sei viel zu früh. Viel zu früh selbst für eine klitzekleine erste Bilanz des Engagements von Harald Schmidt. Die neue Bescheidenheit eines sonst laut tönenden Privatsenders hat einen sehr guten Grund: Die „Harald Schmidt Show“ liefert, je mehr sie sich vom Starttermin 13. September entfernt, miserable Quoten und Marktanteile. Am Mittwoch dieser Woche wollten nur 530 000 Zuschauer einschalten, am Dienstag waren es 600 000. Die absoluten Zahlen müssen den Sender weniger beunruhigen als die Werte, die über den Verkauf der Werbezeiten entscheiden: Das ist der Marktanteil in der Zielgruppe der 14- und 49-Jährigen. Am Dienstag wurden 5,0 Prozent erreicht, tags darauf 5,4 Prozent. Zweistellig war der Wunsch, die Erwartung von Sat 1, zwölf Prozent wären ein Traum.

In München-Unterföhring ist Panik streng verboten. Harald Schmidt stehe für Relevanz von Sat 1, er sei ein wichtiger Faktor im Senderimage, und, bitte sehr, wie war das denn bei Johannes B. Kerner? Als der vom ZDF zu Sat 1 rübergemacht hatte, fiel er mit seinem Magazin „Kerner“ in ein tiefes Wahrnehmungsloch. Das Format wurde vom Montag nach Donnerstag geschoben, Redaktion und Moderator arbeiteten heftig am Konzept. „Kerner“ ist keine Baustelle mehr. Sendergeschichte wiederholt sich, dafür steht Sat-1-Sprecherin Diana Schardt gerne ein: „Wir betrachten die Quoten ganz entspannt. Uns ist bewusst, dass es etwas Zeit braucht, bis sich die Zuschauer an die regelmäßige Sendezeit um 23 Uhr 15 an zwei aufeinanderfolgenden Tagen gewöhnen.“

Ein Statement mit Tragweite. Erstens wird dem Publikum die Verantwortung für den Erfolg zugeschoben, zum anderen darf der Sat-1-Heimkehrer eine Sonderstellung reklamieren. Während sonst im Sender – wie im übrigen Privatfernsehen – die Bildschirm-Mitarbeiter gnadenlos auf Quoten getrimmt werden, ist Harald Schmidt offenbar jenseits solcher Betrachtung. Sat 1 ist hier nicht mehr weit von dem schiefen Argument der öffentlich-rechtlichen Konkurrenz entfernt, dass schwache Zahlen ein unabweisbarer Beleg für die Qualität einer Fernsehleistung sind.

Harte Projektarbeit, bei Sat 1 spricht man von „organischem Wachstum“, steht auch bei Bonito-TV in Köln an, wo die „Harald Schmidt Show“ konzipiert und produziert wird. Late Night folgt in Form und Dramaturgie einem engen Format, entscheidend ist der Mann an der Rampe und am Schreibtisch: Harald Schmidt. Er steht für Inhalt und Werthaltigkeit der 60 Minuten und er fällt damit. Die ersten vier Wochen legen seine extreme Abhängigkeit von den (Gag-)Autoren offen. Behauptung: Die „heute-show“, die Nachrichten-Satire am Freitag im Zweiten, hat die besseren. Zugleich ist erkennbar, dass Schmidt solo um eine besondere Qualität gebracht wird. Mit einem Widerpart, einem igeligen Gesprächspartner während der „Tischzeit“ in der Show ist der gedankenscharfe, reaktionsschnelle Schmidt anders herausgefordert, da wird er gekitzelt. Bandleader Helmut Zerlett taugt dafür nicht, ein Olli Dittrich wie bei der Premiere oder eine Kunstfigur sind gefragt.

Harald Schmidt setzt in der „Harald Schmidt Show“ erst einmal die sieben Jahre bei der ARD fort, er macht nicht dort weiter, wo er 2003 nach acht Jahren bei Sat 1 und einer Fanbasis von knapp einer Million aufgehört hat. Da war er vier Mal in der Woche der Welterklärer, der Sterndeuter der Intelligenz, wenigstens der Kommentar zum Tag. Dort und damals hat er, wie Feuilletonisten es gerne formulieren, Dinge und Menschen bis zu ihrer Kenntlichkeit entkleidet. Wer nur Schmidt und nicht die „Tagesschau“ gesehen hatte, der hatte zwar nix kapiert, wusste aber Bescheid. Ein Paradoxon, verkörpert von Harald dem Großen. Mit einem geliehenen Schmidt-Spruch auf den Lippen war des Morgens Eindruck zu machen. Oha, ein Schmidtianer, ein Checker!

Jetzt, im Herbst des Jahres 2011, ist der Zuschauer durch die laufende „Harald Schmidt Show“ mit der Kernfrage konfrontiert: Braucht er den Schmidt für seine geistige Durchlüftung noch, soll er am Dienstag und am Mittwoch bis 23 Uhr 15 warten, bis der Mann in Köln auf dem Sat-1-Schirm auftaucht? Der klassische Schmidtianer ist nicht jünger geworden, öfter startet sie auch später als 23 Uhr 15. Und wer nach Mitternacht begeistern will, der muss ein besonderer Mover und Shaker für ein älter gewordenes und damit ermüdetes Publikum sein.

Harald Schmidt, geboren vor 54 Jahren, macht seit 1995 Late Night. Er war Papst, demgegenüber alle anderen nur Luther waren. Das Fernsehen ist nicht stehen geblieben, die berühmten Zeitläufte haben nicht haltgemacht. Mal angenommen, Schmidt ist nur noch eine Kann-Figur des Mediums und keine Muss-Figur mehr. Sooo schlimm wäre das nicht, auch für Helmut Kohl war nach 16 Jahren Bundeskanzlerei Schluss. Und selbst der von Schmidt verehrte Benedikt XVI. päpstelt ohne Garantie aufs ewige Leben.

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