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Medien: Hassans Suche

Hasan Nuhanovic, ein zarter Mann mit Brille, Anfang Dreißig, war UN-Dolmetscher in Bosnien, als im Sommer 1995 das große Morden in Srebrenica losbrach. Damals befahlen ihm UN-Blauhelme, seine Eltern und seinen jüngeren Bruder zur Eile anzutreiben.

Von Caroline Fetscher

Hasan Nuhanovic, ein zarter Mann mit Brille, Anfang Dreißig, war UN-Dolmetscher in Bosnien, als im Sommer 1995 das große Morden in Srebrenica losbrach. Damals befahlen ihm UN-Blauhelme, seine Eltern und seinen jüngeren Bruder zur Eile anzutreiben. Wie Tausende anderer sollten sie die Umgebung der Schutzzone Srebrenica verlassen. Heute weiß Nuhanovic, dass seine Familie, wie 8000 weiterer Opfer des Massakers von General Mladic, nie wiederkehren wird. Alpträume lassen ihn nicht los.

Durch Leslie Woodheads Dokumentarfilm über den Genozid von Srebrenica spinnt sich Nuhanovics Suche nach Gerechtigkeit wie ein roter Faden. Mit schwarz-weißen Bilderfolgen, bewusst unterbrochen durch Standbilder, weist der sensible und zornige Filmemacher jedoch weit über ein einzelnes Leben hinaus, das zu Unrecht „Schicksal“ genannt wird. Sein Film stellt die Frage nach Völkermord im 20. und 21. Jahrhundert: Wie konnte er geschehen, in Armenien am Anfang des letzten Jahrhunderts, in Hitlers Deutschland, Kambodscha, Ruanda und Srebrenica. Massenmorde im Satellitenzeitalter, das die Gräber auf Bildern aus dem All erkennen lässt?

„Es ist weder Zufall noch Versagen, dass Völkermord immer wieder zugelassen wird“, sagt Samantha Power vom Harvarder Institut für Menschenrechte, „sondern das Ergebnis einer Außenpolitik, die dem Menschenleben keinen Stellenwert einräumt.“ Am Tag vor dem Massenmord gedrehte Dokumentarszenen lokaler Fernsehsender zeigen, wie auf der UN-Basis Potocari nördlich von Srebrenica Tausende bosnischer Muslime zusammengepfercht wurden. Mladics Soldaten rissen Männer und Jungen zwischen 14 und 94 Jahren von ihren Familien los, um im Namen eines „Großserbien“ die Region „ethnisch zu säubern“. Drei Tage dauerte der geplante Massenmord. Am Schluss steht Hasan Nuhanovics Wunsch, seine kleine Tochter möge eines Tages ohne seelische Last mit den serbischen Kindern spielen. Seine Utopie wirkt wie eine Szene in weiter Ferne.

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