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Wie von Muttern. Lukas Schauttner (Oliver Stokowski) probiert siebenbürgische „Hätschenpetsch“-Marmelade, die er aus seiner Kindheit kennt. Foto: ZDF

© Cos Aelenei

Heimat lässt nicht los: Die Kindheit ruft

Im ZDF-Film „Das Geheimnis in Siebenbürgen“ trifft ein Unternehmensberater auf seine Vergangenheit.

Von Susanna Nieder

Wie sieht Heimat aus? Sanfte Hügel, Abendsonne, ein Dorf in Siebenbürgen mit rot-weißen Häusern um eine große Kirche? Oder ein schickes Berliner Einfamilienhaus im Mittagslicht?

Auf keinen Fall wollte Lukas Schauttner (Oliver Stokowski) jemals wieder in dieses Dorf zurück, das da so vertraut in der grünen Landschaft liegt wie ein Ort aus den Märchen der Brüder Grimm. 1987 wurden seine Eltern und er von der rumänischen Geheimpolizei Securitate von hier vertrieben.

Die Kamera zeigt Schauttners Heimatgefühle, lange bevor er sie sich eingesteht. Auch die Musik lässt keinen Zweifel, wo die Sehnsucht ihn hinzieht – nur will er es nicht wissen. Er ist als Wirtschaftsprüfer in Siebenbürgen, eine Fabrik soll begutachtet und möglichst geschlossen werden. Seine Kanzlei hat Schlampereien übersehen, die eigene Existenz hängt dran – allerdings auch die der rumänischen Dorfbewohner.

Sorgfältig erzählt „Das Geheimnis in Siebenbürgen“ (Buch: Thomas Kirchner, Bearbeitung: Rolf Silber) von einer Suche nach sich selbst. Die Guten und die Bösen gibt es nicht, nur Irrtümer und den Schmerz, der daraus entsteht. Oliver Stokowski spielt großartig das Hin- und Hergerissensein zwischen dem, was Schauttner sich aufgebaut und dem, was er verdrängt hat.

Beeindruckend ist auch das Verhältnis zwischen Schauttner und seiner Frau Doris (Katharina Böhme), die Suche nach der Liebe ohne Schuldzuweisungen. Irritierend ist nur, dass beide Darsteller zehn Jahre zu alt für ihre Rollen sind und überhaupt die Zeitrechnung nicht recht hinhaut. Wenn man sich davon nicht stören lässt, ist „Das Geheimnis von Siebenbürgen“ ein gut erzählter, berührender ZDF-Film.

Schon am Flughafen bringen zwei rumänische Sicherheitsbeamte Schauttner aus der Fassung, weil sie altes Entsetzen hochholen. In solchen Momenten wird die Kamera (Philipp Timme) verwackelt und so persönlich wie ein Super-8-Film aus der Familiensammlung. Es wird nicht leichter durch die zärtlichen Erinnerungen, die ihn ebenfalls bestürmen, ausgelöst durch den Geschmack von selbst eingekochter Marmelade oder den Anblick einer altmodischen Kommode. Und vor allem durch die Bilder von Mara (Dorka Gryllus), seiner Jugendliebe, die Schauttner nicht aus dem Kopf gehen. Er trifft sie wieder. Was ist damals wirklich passiert?

Während Schauttner damit beschäftigt ist, sich seine Vergangenheit vom Leib zu halten, Maras Bruder Nikolai (Merab Ninidze) auf alten Feindschaften beharrt und der deutsche Leiter der rumänischen Fabrik (Jürgen Tarrach) die Hände ringt, nehmen sich die Frauen der Sache an: Doris, die sich samt Tochter ins Auto setzt und nach Rumänien fährt, Mara, die hartnäckig nachbohrt, und Lukas Schauttners Zimmerwirtin Irmgard Florescu (Dorothea Walde), eine alte Siebenbürgener Sächsin, die immer nur das Beste erwartet.

In einer der schönsten Sequenzen singt Irmgard Florescu zusammen mit anderen alten Frauen so lange vor Schauttners Fenster, bis alle beim Schnaps zusammensitzen. Regisseur Martin Enlen versteht es, Heimatgefühle und Kindheitserinnerungen zu wecken. Auch wenn man noch nie in Rumänien war – die Pferdefuhrwerke, die zerfurchten Gesichter der rumänischen Komparsinnen, die bunten, leicht bröckeligen Häuser wirken nicht kitschig, sondern so echt wie Erinnerungen an die eigene Kindheit. Susanna Nieder

„Das Geheimnis in Siebenbürgen“, ZDF, 20 Uhr 15

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