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Medien: Heimatfilme, eine deutsche Spurensuche

„Alice in den Städten“. „Im Lauf der Zeit“.

„Alice in den Städten“. „Im Lauf der Zeit“. Vielleicht waren Wenders’ frühe Filme die Fortsetzung des Heimatfilms mit schlechtem Gewissen. Und vielleicht hat der neue deutsche Film weniger mit Papas Kino gebrochen, als das Oberhausener Manifest 1962 verkündete. Vom Heimatfilm, dem einzigen originären Genre, das Deutschland zur Filmgeschichte beigetragen hat und das von den Nazis so gründlich vergiftet wurde, kamen sie alle nicht los. Wie ein Zombie geisterte er durch die Sehnsuchtslandschaften noch der 68er. Bis Edgar Reitz in „Heimat“ auch davon erzählte: von der Lebensreise der politisch wie ästhetisch Heimatlosen, von der Suche nach der verlorenen Unschuld.

Heimatfilm? Ja, genau: Fünfzigerjahre, grün ist die Heide, der Berg ruft, und seit den Achtzigern gibt’s den linken Heimatfilm. Für den heutigen Arte-„Heimat“Abend haben Hans Günther Pflaum und Peter H. Schröder Schneisen ins Dickicht von knapp 300 Heimatfilmen geschlagen; ihre Dokumentation „Was kann denn schöner sein?“ (22 Uhr 55) wird flankiert von Jo Baiers 1994er „Hölleisengretl“ (21 Uhr 20) und Hans Deppes „Schwarzwaldmädel“ von 1950 (0 Uhr 25) . Die Autoren haben die Filmbilder ebenso befragt wie Produzenten, Schauspieler, Regisseure, Filmhistoriker und -kritiker. Berührungsangst vor süßen Idyllen oder verlogenen Gefühlen kennen sie nicht, sie erkunden vielmehr das Wahre im Falschen jener zweiten Natur der Technicolor-Wiesen und -wälder.

Etwa die Sehnsucht der Trümmergeneration nach heiler Welt. Die Unbelehrbarkeit der Väter. Die Zurechtweisung des Wilderers im Försterfilm: In Adenauer-Deutschland wird nicht geschossen. Oder die zaghafte Erotik in freier Natur: Zu Hause durfte die Jugend nicht küssen, wegen des Kuppelei-Paragrafen. Oder die Liebe, die heiratspolitisch geregelt wird: Den Hof sollen bitteschön die Richtigen erben. So ordnet eine in Unordnung geratene Gesellschaft ihre Nachkriegsangelegenheiten – im Dorf bleibt das Chaos wenigstens überschaubar. Am schönsten sind die detaillierten Motiv-Montagen: Alle Geierwally-Kletterpartien von 1921 bis 2005. Mengenweise Schuhplattlerszenen, rhythmisiert im Takt verdrängter Gewalt. Die Cabrios jedweder Couleur für die Fahrt ins Grüne. Und Dutzende von Jodlerpartien: Volksmusik goes Dada – ein Heidenspaß. chp

„Heimat, süße Heimat“, Arte,

ab 21 Uhr 05

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