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Medien: Heiße Luft um billige Meilen

Auch die Polittalks konnten von der Flugaffäre nicht lassen

Von Désirée Bethge

Sonntagabend in Deutschland. Es wird wahlgekämpft – auf den TV-Kanälen. Wer möchte, kann sich bedienen. Im ZDF fragt Peter Hahne ab 19 Uhr 15 Joschka Fischer, im Ersten hat Sabine Christiansen eine Runde zu den Bonusmeilen versammelt und wer dann noch nicht genug hat, der kann kurz vor 23 Uhr bei RTL Claudia Roth und Guido Westerwelle im Kreuzfeuer bei Sandra Maischberger und Peter Kloeppel sehen.

Was muss ein Mensch wollen, um sich das alles anzuschauen? Das weiß natürlich niemand genau, aber die Fernsehmacher haben so ihre Vermutungen: Irgendwie soll/will der Zuschauer schlauer werden für seine Wahlentscheidung. Beim ZDF kriegt er: Peter Hahne, eiserne Gartenstühle, eine schöne Landschaft und einen Staatsmann (im Flatterhemd mit Blümchendruck, dessen freier Fall bäuchlings gebremst wird – sind die Zeiten der Askese vorbei???), der stets den Überblick und die Oberhand hat, sich als Mann für unmögliche Spiele anpreist und der uns am Schluss mit seiner Frage, warum der Hahne bloß sowenig Gottvertrauen habe, ausgerechnet er, durchaus amüsiert. Der hatte darauf keine Antwort, wir auch nicht, das Gucken hat sich gelohnt und die Bonusmeilen kamen da vor, wo sie hingehören, am Rande, dafür vielen Dank.

Dafür hatten die dann eine Stunde Platz bei Christiansen. Tenor bei nahezu allen: Der eigentliche Skandal sei, dass durch dieses Thema die wichtigen Anliegen der Republik nicht mehr diskutiert würden. Das erinnert an das berühmte Beispiel von Zeitungen, die wegen Auflage Nacktfotos von ins Bordell verschleppten Frauen abdrucken mit der Unterschrift „Solche Bilder wollen wir nicht mehr sehen“. Ansonsten war die Runde wie gewohnt – ganz munter und von der Moderatorin wenig gestört.

Und dann – da ist man schon leicht geschwächt – ins Kreuzfeuer, das Paradebeispiel von RTL-Chef Hans Mahr, der ja seinen Sender voran bringen will in Sachen politischem Journalismus, wie er verlauten ließ. Angetreten sind Maischberger und Kloeppel sozusagen als Dream-Team deutscher Talker. Erster Eindruck: unterhaltsam und professionell gemacht. Mit Schwarz-Rot-Gold und dezenten Klängen der Nationalhymne beim Intro begreift man sofort: Es geht um Deutschland, und es ist wichtig. Und dann doch: Bonusmeilen. Und leider lange. 15 Minuten von knappen vierzig gehen für die Luftnummer drauf.

Die Frager – sind die schon ein Gespann? Noch nicht wirklich. Aber zumindest hat der nicht nur seine eigenen schlauen Fragen lieb gehabt, sie haben auch bei Fragen vom anderen nachgehakt. Von der Präsenz her haben sie sich abgewechselt, schade, dass Kloeppel so gerne auf die Tischoberfläche draufspricht, schaut er da sein Spiegelbild an? Er ist insgesamt etwas langsamer, Maischberger ist – wie beim Märchen vom Hasen und dem Igel – oft schon da.

Die Befragten: Westerwelle zieht nur zwischendurch, wenn er nicht dran ist, dieses ironisch-grinsende Kasperlegesicht (hat er das eigentlich, seitdem er im „Big Brother“- Container war oder schon immer?), sonst ist er normal und das bringt Punkte – unterm Strich dominiert er mit FDP-Positionen.

Roth lässt sich auf die Debatte ein, kommt zuwenig mit eigenen grünen Positionen vor, ist insgesamt reaktiv, menschelt ein bisschen herum, um Unsicherheiten zu überspielen: „So redet man halt miteinander in der Politik“, appelliert sie an Westerwelle, der höflich zustimmt. Westerwelle fühlt sich überhaupt sichtlich wohl, und wenn er „Darf ich beide Damen bitten…“ sagt, dann verschieben sich plötzlich die Fronten: anstatt Interviewer versus Interviewte heißt es jetzt, Männer, die Politik machen, versus ewig schwätzende Frauen.

Übrigens: Einig sind sich beide Politiker, dass sie uneinig sind in ihren Positionen, keine Koalition, unter keinen Umständen.

Zum Anspruch: Nein, Maischberger und Kloeppel haben es auch nicht geschafft, dass ihre Gäste was gesagt hätten, was sie nicht hätten sagen wollen. Auch ihnen wurden Sprechblasen serviert – aber stetes Nachfragen machte auch dem müden Zuschauer klar: hey, der/die antwortet ja gar nicht! Und offensichtlich haben sie damit gerechnet. Denn am Schluss gab’s ein Spiel: Fragen, die Sie uns sowieso nicht beantworten…

Was merkt man sich: Dass Bonusmeilen kein Thema sind (15 Minuten lang), dass es ganz schwierig ist mit einer vernünftigen Bezahlung der Abgeordneten – wieviel sind Sie wert, Herr Westerwelle? Und dass auch Gegner vernünftig miteinander reden können, ohne koalieren zu wollen.

Fazit: Für den normalen RTL-Zuschauer vielleicht ungewohnt inhaltsschwer, für andere ausreichend informativ, vor allem wurde da nicht ein Pflicht-Fragenkatalog durchgezogen, sondern tatsächlich mehrfach nachgefragt, das bringt Spannung in die Sendung. Jede neue Sendung ist wie ein Schuh, der erst eingelaufen werden muss, Zitat Maischberger – das kann man durchaus mitlaufen.

Die Autorin coacht Führungskräfte und beobachtet für den Tagesspiegel den Wahlkampf.

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