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Medien: Helga ist „gorgeous“

Vom Sinn und Unsinn englischsprachiger Werbung

Sie sehen auf einem Bild ein Cabriolet, das Sonnenlicht reflektiert im blauen Lack. Darüber das Bild einer Frau im weißen Bikini, die vergnügt durch ein Gewässer stolziert. Jetzt übersetzen Sie mal den Slogan dazu: „Life by Gorgeous“. Und? Erfolgreich? Glückwunsch. Viele der englischen Werbebotschaften werden in Deutschland falsch oder gar nicht verstanden. Bei einer Umfrage, die das Marktforschungsunternehmen Endmark durchführte, lautete die kurioseste Variante des Slogans „Life by Gorgeous“ tatsächlich „Leben in Georgien“. Dabei geht es um ein Luxusauto. Anglizismen als Distinktionsmittel einer weltmännischen Kundschaft, vielleicht war das die Strategie. „Hoffen wir mal, dass sie das vorhatten“, sagt der Werbeforscher Ulrich Lachmann. „Vermutlich haben ein paar Leute einfach nicht nachgedacht.“

Seit geraumer Zeit gilt es als schick, die deutsche Sprache retten zu wollen und Anglizismen zu verteufeln. Die Diskussion wird längst nicht mehr nur von Konservativen geführt. Wenn englische Werbeslogans fast nicht verstanden werden, wäre Werbung nicht besser dran ohne Anglizismen?

Nicht unbedingt. Laut Bernd Samland, Geschäftsführer von Endmark, sind Anglizismen nicht per se schlecht. Für seinen letzten Auftrag – es ging um Dieselmotoren – erfand er den Slogan „Power, Propulsion, Progress“; Kraft, Antrieb, Fortschritt. Da der Hersteller Dieselmotoren für den US-amerikanischen, europäischen und chinesischen Markt produziert, bot sich ein englischer Slogan an, zumal seine Kunden der englischen Sprache mächtig sind.

Fest steht: Auch die Werbebranche kann sich nicht der Globalisierung entziehen. Viele Unternehmen setzen auf eine einheitliche Vermarktungsstrategie: eine Marke, ein Spruch, ein Spot. Wer nur eine Kampagne in Auftrag gibt, spart Geld, sagt Werbeforscher Lachmann. Für die wachsende Zielgruppe international geprägter Job-Hopper und Studenten, die alle gut Englisch können, verlieren nationale Besonderheiten an Bedeutung. Doch es gibt auch Fälle, in denen englische Werbeslogans gar nicht passen, so Lachmann. Wenn nationale Unterschiede nicht zu glätten sind, wie beim Humor: Der deutsche Durchschnittsbürger lacht nicht zwangsläufig über britische Witze. Oder bei Lebensmitteln und Produkten, die auf Schönheit abzielen. Auf den Kinoplakaten von „König Arthur“ wurden die Brüste der Britin Keira Knightley eigens für den US-Markt um zwei Nummern optisch vergrößert. In Europa würde das wohl eher Befremden auslösen.

„Die englische Sprache wird als international, modern, weltläufig überbewertet“, kritisiert Samland. Deutsche Werber verschleiern mit englischen Werbeslogans „ihre eigene Kreativlosigkeit“. Ein guter Werbespruch aber ermöglicht Identifikation. Wie beim Slogan der Zigarettenmarke „HB“ aus den 50er Jahren: „Wer wird denn gleich in die Luft gehen?“ Eine Folge des inflationären Anglizismengebrauchs ist der Verlust eines weiteren wichtigen Attributs für die Werbung: der Einzigartigkeit. „Wenn alle auf Englisch mit ähnlichen Vokabeln arbeiten, wird Werbung ein austauschbares Wischiwaschi“, sagt Samland. Wenn die versammelte Branche englische Phrasen benutzt, böte sich Deutsch als Werbesprache förmlich an.

Dabei wird das Potenzial nationaler Eigenheiten oft verkannt. Der Autohersteller Volkswagen weiß sie für sich zu nutzen. In Deutschland wirbt der Autohersteller mit Werbefilmen, die Vertrauen, Sicherheit und Zuverlässigkeit suggerieren. Für die USA ließ der Konzern einen Spot mit angloamerikanischen Deutschlandklischees produzieren: Eine blonde, dominante Deutsche in Lederstiefeln und tiefem Dekolleté – „Helga“, natürlich – fordert einen Amerikaner im Befehlston und schlechtem Englisch zur Spritztour auf. Der Spot mit dem Slogan „Joyride with Helga“ hat in den USA Kultstatus erlangt. Hierzulande würde der Spot nicht wenige brüskieren.

Wie viel Geld Unternehmen für missverstandene Werbung verpulvern, lässt sich indes nur schwer beziffern. Samlands Studie zufolge finden viele Deutsche auch die Spots toll, deren Slogans sie gar nicht verstehen.

Alice Bota

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