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Ehre, wem Ehre gebührt. Boris Becker wurde für die Läuferstaffel ausgewählt, die das olympische Feuer nach London brachte.

© dpa

Here he comes: Boris and Boris

Belächelt in Deutschland, respektiert in Großbritannien: Boris Becker spielt eine erfolgreiche Doppelrolle: Bei uns ist der ehemalige Tennis-Profi eine reine Boulevardgröße, für die BBC kommentiert er den Sport.

Die ARD-Olympiaberichterstatter haben sehr gute Ideen und weniger gute. Die absolut blödeste hatten sie am Donnerstag. Studiomoderator Michael Antwerpes maß seinen Gästen den Oberschenkelumfang. Also auch Boris Becker. Der war aus anderem Grund gekommen, doch entkam er weder dem „Bum-Bum-Boris“-Intro noch dem Maßband. Zwischendurch sagte der frühere Wimbledon-Sieger eingängige, erfahrungsgesättigte Sätze zum olympischen Tennisturnier.

Das hatte Substanz, wird aber keine Nachhaltigkeit auslösen. Boris Becker ist und bleibt in deutschen Medien und in der deutschen Öffentlichkeit eine reine Boulevardgröße. Die letzte große („Bild“-)Geschichte drehte sich um seine Frau Lilly, die in Miami gegen Intim-Fotos vorgegangen war. Becker, das war in Deutschland der große Tennisheld, der vom nicht wirklich ernst genommenen Becker abgelöst wurde, sich auch hat ablösen lassen. Becker befährt zwar nicht die Lothar-Matthäus-Schiene, zuweilen besteht Verwechslungsgefahr.

Das ist der deutsche Becker. Es gibt ihn noch als den britischen Becker, und da scheint er ein anderer zu sein. Auch auf der Insel gehört gehört Boris Becker zur regelmäßigen Promiszene, auch wenn sein Ruhm nicht mehr so groß ist wie 2005, als die BBC ihm eine Bio-Dokumentation widmete. Der Titel: „Großbritanniens liebster Deutscher“. Vor zwei Wochen etwa mischten sich Becker und Frau Lilly in Smoking und Glitzerkleid unter die Gäste beim „Sports for Peace“, einem Wohltätigkeits-Dinner zu Ehren von Boxer Muhammad Ali im Victoria & Albert Museum. Boris machte unter Stars wie Rocker Bob Geldof, Boxer Wladimir Klitschko und Rennfahrer Lewis Hamiliton nicht nur eine gute Figur, sondern war derjenige, wie so oft, der mit einem „Soundbite“ für die Presse genau die richtige Tonlage traf: „Muhammad Ali ist der größte lebende Sportler. Er wurde vom Athleten zum Friedensstifter, er wurde ein globaler Kämpfer und Sprecher für Gerechtigkeit. Er hatte ein unglaubliches Leben.“

Boris Becker lebt in produktiver Symbiose mit den britischen Tabloids: Ausführlich wird zwar über seine finanziellen Nöte, die bevorstehende Zwangsversteigerung seines Hauses auf Mallorca, seine Frauenaffären und Steuerprozesse berichtet („Is bonking Boris going bust?“), aber man sieht in ihm eher einen Irrenden, der auf Umwegen nach dem rechten Weg sucht. Als Becker jüngst von dem „stilvollen“ Haus, das er seit drei Jahren in Wimbledon mietete, in ein „etwas bescheideneres Domizil“ umzog, berichtete die „Daily Mail“ voller Sympathie und suggerierte, dass sich Boris und seine Familie in der Burghley Road wie ganz normale Bürger niederlassen wollen. „Offenbar hat er die Absicht, beim zweiten Mal den verantwortlichen Familienvater zu spielen.“

Beckers Promifaktor ist immer noch hoch bei den Briten. Ein Jahr lang war er „Team Captain“ bei der dann eingestellten BBC-Quizshow „They think it’s all over“. Er begann eine neue TV-Karriere als Pokerspieler, allgemein geschätzt werden seine Selbstironie und sein Witz. Als er zu einem der prominenten olympischen Fackelträger auserkoren war, schrieb er vor dem Ereignis: „Werde die olympische Fackel um 17 Uhr tragen. War heute morgen bei der Physiotherapie und habe meine Knöchel pflastern lassen. Fühle mich wie vor einem Wimbledon-Finale“. Es sei eine riesige Ehre, gefragt zu werden, sagte er: „Als Deutscher ist das nicht die Regel in England, es zeigt, dass man mich hier respektiert“.

Die Briten schlossen Boris ins Herz, weil er als 17-Jähriger sein erstes Wimbledon-Turnier gewann – ein fröhlicher Außenseiter, der Favoriten stürzt, damit identifizieren sich die Briten gerne. Aber er hat sich dann bei der BBC als präziser Sportkommentator einen Namen gemacht – zurzeit begleitet er Olympia-Tennis für den Sender. „Die BBC sagt, dass mein Englisch die Show belebt“, wehrt Boris bescheiden ab. Aber wenn er zusammen mit John MacEnroe in der Kommentatorenbox sitzt, sind seine Beiträge voller Einsicht, elegant und idiomatisch formuliert. McEnroe ist Spezialist für Spieltechnik, Becker hat sich auf die Spielerpsyche spezialisiert. Etwa als sich Andy Murray beim Wimbledon-Finale 2012 warm- hüpfte und Becker das als Zeichen der Nervosität auslegte: „O dear“, sagte er. Vor dem Spiel hatte er im „Daily Telegraph“ analysiert: „Wenn man älter wird, ist es schwieriger, seine Nerven zu beherrschen, denn man weiß, dass es nicht mehr so viele Chancen da draußen gibt.“

Das stimmt. Auch für den 44-jährigen Boris Becker.

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