zum Hauptinhalt

Medien: Heteros brauchen Hilfe

Vorher-Nachher-Show mit schwulen Experten hat in den USA eine Diskussion über die Rolle Homosexueller entfacht

Von Matthias B. Krause,

New York

Die Idee für seinen ersten großen TV-Erfolg kam Produzent David Collins beim Einkaufen. Während er nachmittags durch Boston schlenderte, hörte er, wie eine Frau ihren Ehemann zurechtstutzte. Er solle sich gefälligst künftig genauso modisch kleiden, wie seine schwulen Nachbarn. Bald darauf ging „Queer Eye for the Straight Guy“ auf Sendung und stieg innerhalb von drei Wochen zum Überraschungshit des US-amerikanischen Sommerfernsehens auf. In der Reality-Show, die sehr frei übersetzt ein „schräges Auge für den geraden Typen“ verspricht, nehmen sich fünf schwule Mode- und Lifestyle-Experten einen heterosexuellen Mann vor. Wenn sie fertig sind, weiß der sich zu kleiden, zu benehmen, seine Küche zu nutzen und seine Wohnung einzurichten. Und die Gesellschaftskritiker debattieren nun, ob seit „Queer Eye“ Homosexuelle endgültig salonfähig geworden sind.

Richard Goldstein etwa, Kolumnist der links-alternativen New Yorker Wochenzeitung „Village Voice“ und bekennender Schwuler, hält die Verwandlungsshow für einen nützlichen Mantel. Darunter verstecke sich das gewandelte Verhältnis zwischen Homos und Heteros: „In ,Queer Eye’ bekommen die unausgeformten Kräfte der gesellschaftlichen Veränderung eine Form. Die Show erlaubt beiden Seiten, mit einer Leichtigkeit miteinander umzugehen, die gleichzeitig rührend und merkwürdig wirkt – wie ein Science-Fiction-Film aus den 50er Jahren. Aber es ist kein verbotener Planet, es ist eine Welt im Entstehen.“ Andere Stimmen stören sich allerdings an der stereotypen Formel, nur die Schwulen wüssten sich elegant zu kleiden und kultiviert durch die Welt zu bewegen. Außerdem kritisieren sie das exzessive Product Placement. Die „Fantastischen Fünf“ nutzen ihre Sendezeit auf dem Kabelkanal „Bravo TV“ tatsächlich ausgiebig, um die Waren anzupreisen, mit denen sie ihrem Opfer einen neuen Stil verpassen. Das „New York Magazine“ lästerte, die Show müsse eigentlich heißen: „Queer Eye for the Straight Buy“ – ein schräges Augen für einen guten Kauf. Das sieht Goldstein ähnlich und kommentiert trocken: „Letztlich bewegt sich in Amerika nichts, es sei denn, es bewegt den Handel.“

Gut fürs Geschäft sind die schillernden Experten Allen, Filicia, Kressley, Rodriguez und Douglas ohne Zweifel. Die ersten 13 Folgen haben dem Spartenkanal wöchentlich neue Zuschauerrekorde verschafft, bis zu drei Millionen in der Spitze. Zehn weitere Folgen sind in Vorbereitung. Keine Talkshow kommt mehr ohne die fünf schwulen Berater aus und keine Zeitung, die nicht wenigstens ein paar Worte über sie verliert. Auf dem Höhepunkt der Sympathie-Welle übernahm NBC, Mutterkonzern von Bravo, drei Folgen ins Hauptprogramm, landesweit zur besten Sendezeit. Die hyper-puritanischen Bundesstaaten North Carolina und Georgia verbannten „Queer Eye“ allerdings sicherheitshalber ins Nachtprogramm. Trotzdem schalteten landesweit mehr als zehn Millionen Menschen ein. Kürzlich gingen die Buchrechte für über eine Million Dollar an einen Verlag, noch vor Weihnachten soll das Werk erscheinen.

Eigentlich ist das Konzept der Show so simpel wie das aller Vorher-Nachher-Sendungen. Auf der Autofahrt zu ihrem nächsten Opfer erfahren die Style-Experten die Grunddaten. In der Regel dreht sich ihre Mission nicht nur um Outfit-Korrektur, Wohnungsdesign sowie Nachhilfe im Umgang mit Haaren, Bart, Getränken und Nahrungsmitteln, sondern auch um einen konkreten Termin: Ein Künstler will sich zu seiner Ausstellungseröffnung im besten Licht darstellen, ein Makler seiner Freundin einen Heiratsantrag machen.

Was während der 60-minütigen Sendung wie ein 24-Stunden-Crashkurs aussieht, dauert in Wirklichkeit drei Tage, bis zu 10 000 Dollar dürfen die Designer für die neue Grundausstattung ausgeben. Vorgeschlagen werden die Kandidaten von Freunden oder Verwandten, nach den ersten Folgen kann sich „Bravo TV“ kaum vor Anfragen retten.

So sehr die Fünferbande auch über das Outfit lästert, das sie im Kleiderschrank findet und so brutal sie die Möbel entsorgt, die die Wohnung verhunzen, das Ganze geschieht stets mit überbordendem Charme und enger Absprache. „Das war für mich von Anfang an sehr wichtig“, sagt Produzent Collins, „es soll nicht gemein oder hinterhältig sein. Natürlich wird gelästert, aber dafür sind Freunde nun mal da.“ Beim Zuschauer kommt das Konzept an – über alle Grenzen von Geschlecht und sexueller Orientierung hinweg.

Das ist durchaus bemerkenswert, weil gleichzeitig im Land eine polarisierende Debatte über die Rechte Homosexueller tobt. Weil Kanada seit Anfang des Jahres die Homo-Ehe zulässt und der oberste US-Gerichtshof die Sodomie-Gesetze in Texas für ungültig erklärte, befürchten Konservative, dem Moralverfall sei Tür und Tor geöffnet. Im August wählte die US-Episkopalkirche zudem den ersten sich zu seiner Homosexualität offen bekennenden Kirchenmann zum Bischof von New Hampshire. Trotzdem führt ein Outing Schwule und Lesben in den USA noch immer viel stärker ins gesellschaftliche Abseits als etwa in Deutschland. Präsident George W. Bush bekräftigt derweil sein Nein zur Homo-Ehe. Auf die Frage, wie er zu Homosexualität generell stehe, sagte er: „Wir sind alle Sünder.“

George W. Bush pflegt Cowboy-Stiefel zu seinen Anzügen zu tragen. Eindeutig ein Fall für das „Queer Eye“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false