zum Hauptinhalt

Medien: Heuchelei und Hofberichte

Caroline-Urteil: Machtverschiebung zwischen Prominenz und Presse

Schrempp-Rücktritt, Hartz-Skandal, Geschichten aus dem Königshaus. Immer wieder wird bestätigt, was wir alle vermuten, manchmal wissen: Es gibt neben der offiziellen Welt, der Welt der Öffentlichkeit, eine zweite Ebene, die mit Peinlichkeiten, Verfehlungen, Intrigen, Machenschaften, manchmal nur privaten Dummheiten eine Grauzone des gerne Verborgenen schafft. Nur ein Heuchler wird behaupten, dass nicht jede Art des Zusammenlebens solche Formen des Unangenehmen kennt, die man lieber nicht veröffentlicht sieht. Egal, ob es sich um Ehen, Unternehmen oder Parteien handelt. Eine Aufgabe der Medien ist es, die Umtriebe ans Licht zu holen, die der Gesellschaft schaden oder die auch nur von allgemeinem Interesse sind.

Soeben wurde allerdings denen Recht gegeben – Spruch des Europäischen Gerichtshofs zum Schadenersatz an Prinzessin Caroline durch den deutschen Staat –, die schon lange die Privat-Berichte aus dem Leben öffentlicher Personen beargwöhnten. Zu befürchten ist jetzt, dass der Heuchelei mit dem Urteil erst neue Nahrung gegeben wird.

Tatsache ist, dass Öffentlichkeit zu einer eigenen Währung geworden ist. Man hat Medienkarrieren erlebt, die einzig darauf beruhten, dass Menschen sich kamera-attraktiv zu präsentieren wussten. Manche haben dieses Handwerk zu einer eigenen Kunstform weiterentwickelt und wurden richtig reich dadurch, Verona Pooth, oder noch reicher, Paris Hilton. Andere haben das Prinzip wohl begriffen, kamen aber zu spät oder waren einfach nicht gut genug oder denn doch zu „grottig“, die Kaders und Tatjanas dieser Welt. Wieder andere benutzen schon seit langem die Währung „Öffentlichkeit“ in großem Stil, ja bauten in Kombination mit passenden Legenden und wirtschaftlicher Ambition eine florierende PR- und Geld-Industrie auf. Man tut manchem Fürstenhaus nicht unrecht, wenn man ihm einen milliardenschweren Vorteil der jahrzehntelangen privaten Publicity unterstellt.

Man hat als Berühmtheit sehr wohl die Wahl. Erfolgreich verhinderten ein Gottschalk, ein Jauch private Berichterstattung. Wer allerdings Medien nur als Mittel zur eigenen Bekanntheits- und damit Wertsteigerung sieht, ja häufig sich bei ihnen anbiedert, hat einen informellen Pakt geschlossen. Wenn es plötzlich unangenehm wird, kann man nicht mehr Stopp sagen. Wie viele Mütter haben jüngst ihren Nachwuchs vor die Kamera gezerrt, um die aus prominenten Lenden stammenden Kinder (und vor allem sich selbst) reich und berühmt zu machen. Der juristische Schutz vor Öffentlichmachung muss voll und ganz zum Tragen kommen, wenn es sich um Kinder, um Normalbürger handelt oder um solche, die sich strikt für die Trennung von Privatem und Öffentlichem entschieden haben.

Schützen muss man aber auch die Medien vor denen, die sich ihrer nach Belieben zum eigenen Vorteil bedienen und dazu letztlich sogar die Justiz gebrauchen wollen. Es ist atemberaubende Heuchelei, wenn Mitglieder der Gesellschaft für sich die Riten des politischen Parketts und eine entsprechende Medienberichterstattung beanspruchen, sich privat aber wie Gesindel verhalten und dann auch noch nach enthüllenden Meldungen ein paar Millionen Kompensation erstreiten. Genau das ist die eigentliche Gefahr des Straßburg-Urteils: Dass aus Angst vor juristischen Risiken die Schere im Kopf entsteht und wirklich nur noch Hofberichterstattung produziert wird. Das ist nicht nur ein Thema des Boulevard. Die Gesellschaft hat die Trennung zwischen Unterhaltung und Politik schon seit langem aufgehoben. Politiker gerieren sich als Unterhaltungsstars, Unterhaltungsstars werden zu Politikern.Ein Lafontaine ließ sich manchen TV-Auftritt vergüten, auch weil er um seinen Stimmungswert weiß.

Wenn ein Journalist im Zweifelsfall lieber willfährig über den Prominenten berichtet, ist das gesamte System gefährdet. Ob Qualitätspresse, ob Boulevard, Medien dürfen nicht zu PR-Instrumenten von Personen oder Programmen werden. Und wenn es eines Korrektivs bedarf, dann sollten das die Medien untereinander sein. Wer hat schon Lust, nur Applaus-Geschichten über Leute zu lesen, die selbst mit Macht in die Presse drängen und gut damit verdienen? Es gehört auch, bei allem Respekt, ans Licht, was in den privaten Grauzonen passiert, nicht gnadenlos, nicht verdammend, aber als Teil des auch Wichtigen: Tragödien und Komödien des wirklichen Lebens.

Jo Groebel ist Chef des Europäischen Medieninstituts und zugleich Professor an der Universität von Amsterdam.

Jo Groebel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false