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Medien: „Hier wird Musik geschreddert“

Ex-Innenminister Gerhart Baum kämpft für einen anderen Umgang mit Klassik im RBB Kulturradio

Herr Baum, warum engagiert sich ein ehemaliger Innenminister für klassische Musik im Radio?

Ich war ja auch Kulturminister und bin heute vor allem an neuer Musik interessiert. Seitdem das RBB Kulturradio vor zweieinhalb Jahren sein Programm reformiert hat, hat es erheblich an Substanz verloren: Etats wurden gekürt, Sendezeiten erheblich reduziert und Konzertreihen eingestellt. Der Sender unterwirft sich mehr und mehr der Quote.

Quote ist ein Ausdruck von Akzeptanz. Das Kulturradio hatte vor der Programmreform nur noch 26 000 Hörer am Tag. Sie sind FDP-Mitglied, einer Partei, die immer für Wettbewerb plädiert.

Nicht Wettbewerb um jeden Preis. Natürlich soll sich ein Sender um neue Hörer bemühen, aber nicht auf Kosten der Qualität. Der Sender hat einen Kultur- und Bildungsauftrag, so rechtfertigen sich die Gebühren. Wir bereiten juristische Initiativen in Brüssel und Karlsruhe vor.

Was stört Sie genau am Programm des RBB Kulturradios?

Zu der Musik, die dort im so genannten Tagesbegleitprogramm gespielt wird, kann man höchstens seine Geschirrspülmaschine ausräumen. Sie beansprucht den Hörer nicht: nicht seine Neugier, nicht seine Kreativität. Selbst anspruchsvolle Musik wird geschreddert, zerhackt: Eine Sonate von Schumann wird entstellt, indem man nur einen einzelnen Satz spielt. Es gibt keinen Respekt vor Künstler und Kunstwerk. Unterschiedlich Programmteile werden willkürlich aneinander gefügt.

Wollen Sie gleich am frühen Morgen vom Radio beansprucht und nicht lieber erst einmal unterhaltsam geweckt werden?

Geweckt werden möchte ich bei einem Kulturradio nicht durch seichte Gute-Laune-Moderationen. Ich bevorzuge WDR3, wo ich frühmorgens anspruchsvolle Interviews über Kulturereignisse höre. Auch das Programm von Deutschlandradio Kultur ist viel substanzieller als das vom RBB.

Wenn es Sender gibt, die Ihrem Anspruch und dem anderer Musikliebhaber genügen – kann sich da das RBB Kulturradio nicht um einen breiteren Hörerkreis bemühen?

Anders als das überregionale Deutschlandradio hat der RBB einen regionalen Kulturauftrag. Er muss das musikalische Leben in Berlin/Brandenburg abbilden.

Ist das RBB Kulturradio populistischer als die Kulturwellen der anderen öffentlich-rechtlichen Rundfunkhäuser?

NDR Kultur ist nicht viel besser. Ich sehe da eine Tendenz. SWR 2 und WDR 3 geben keinen Anlass für eine solche Kritik. Es geht auch anders.

Und Sie glauben, Sie können sie aufhalten.

Wir haben die „Initiative Das Ganze Werk“ für Berlin-Brandenburg gegründet. Ich will meine Lebenserfahrung und Erfahrung als Politiker dafür nutzen, Kulturschaffenden zu helfen, die heute einen schweren Stand haben. Die Leistungseliten drängen in diesem Land die kontemplativen Eliten immer weiter zurück. Das will ich nicht einfach so hinnehmen.

Das Interview führte Barbara Nolte.

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