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Hinnerk Schönemann: Der Mann für die Beulen

Am Theater ist er gescheitert. Doch im Fernsehen und Kino glänzt Hinnerk Schönemann in tragikomischen Nebenrollen.

Eigentlich ist Schauspieler Hinnerk Schönemann, 34, ein offener Typ. Bereitwillig erzählt er, wie er als Jugendlicher aus der DDR ausgewiesen und nach der Wende Nachbar von Egon Krenz wurde. Er berichtet von seinen schulischen Problemen, denn er war als Kind hyperaktiv. Auch schildert er, wie er am Theater gescheitert ist – nur eines verrät er nicht: Welche Automarken er fährt. „Wenn man als junger Mensch sagt, dass man zwei Autos hat, dann sagen die Leute: Der hat eine Meise.“

Nur so viel ist klar: Schönemann hat ein Auto, „das mich zur Arbeit bringt, und dann habe ich eine Angeberschüssel“. Und ein altes Feuerwehrauto, das er jetzt für einen Traktor aufgeben will. Vor einem Jahr zog er in das Haus seiner Familie in der Nähe von Plau am See in Mecklenburg-Vorpommern. Dort wird der Traktor gebraucht. „Ich liebe Autos“, sagt Schönemann, der schon zuvor gesammelt hat: Schildkröten, Schlangen und Fische. Bis zu 100 Tiere besaß er zeitweilig, als letzte hat er gerade zwei große afrikanische Landschildkröten abgegeben. „Die Ruhe von den Kröten, die hat mich irgendwie angemacht.“

Seine Leidenschaft für schnelle Wagen darf Schönemann als Kommissar Simmel im ZDF nur gebremst ausleben. Simmel ist der nicht sehr clevere und bei Frauen wenig erfolgreiche Kollege von Kommissarin Marie Brand (Mariele Millowitsch) – der aber vom Gegenteil überzeugt ist. „Marie Brand und die Nacht der Vergeltung“ heißt der dritte Fall der Krimi-Reihe, in der der Geschäftsführer eines Babyartikel-Herstellers, seine Geliebte und seine Frau erschossen aufgefunden werden. Und Simmel einen Schreck bekommt, als er bei seiner neuen Freundin einen Schwangerschaftstest findet.

Die Rolle des Kommissars Simmel ist eine der pointierten Nebenrollen, auf die Schönemann in Kino und Fernsehen abonniert ist. Er zählt zu den Schauspielern, die beinahe jeder schon einmal irgendwo gesehen hat, aber nur die wenigsten wissen, wo. In „Das Leben der Anderen“ spielte er einen jungen Stasi-Mitarbeiter, der bei seinem Vorgesetzten in der Kantine mit einem DDR-Witz aufläuft. In Christian Petzolds „Yella“ war er der verlassene Ehemann von Yella (Nina Hoss), der sein Auto in Wut und Verzweiflung von der Brücke ins Wasser steuert. Gerne wird Schönemann als Polizist besetzt, als Polizist „mit Meise“ (Schönemann). Wie der eifrige Eddie Stachowiak in der grimmepreisgkrönten Serie „Dr. Psycho“, der wie Simmel begriffsstutzig, zudem aber noch mit einem Minderwertigkeitskomplex behaftet war. Schönemann liegen die tragikomischen Momente, er spielt „Figuren, die eigentlich total traurig sind, aber gegen die Wand laufen und sich eine Beule holen“. Man lacht und leidet mit.

Der in Rostock geborene Schönemann hat unruhige Zeiten hinter sich. Seine Eltern hatten in der DDR einen Ausreiseantrag gestellt. „Da ist man schon ein bisschen aussätzig.“ Sein Stiefbruder appellierte während der Demonstration 1987 zum Todestag von Rosa Luxemburg an die Freiheit der Andersdenkenden, landete im Knast und wurde von der BRD freigekauft. Anfang 1988 wurde Hinnerk Schönemann aus dem Ost-Berliner Arbeiterbezirk Friedrichshain mit seinen Eltern, dem Stiefbruder und zwei jüngeren Schwestern in den Westen abgeschoben – und landete in der Nähe der Hamburger Reeperbahn. „Bei uns war ja alles dunkel und grau, und dann das pralle Leben, die ganzen Lichter“, erinnert sich Schönemann. Der 14-jährige Hinnerk (plattdeutsch für Heinrich) gewöhnte sich schnell an das neue Leben. Nach der Wende zogen seine Eltern wieder nach Berlin , ausgerechnet an den Majakowskiring. Ihr Nachbar: der letzte Partei- und Staatsratsvorsitzende der DDR, Egon Krenz. „Das war völlig absurd“, sagt Schönemann. „Man guckt raus, und dann ist da der Krenz mit seinem großen Gebiss, der irgendwas mit seiner Perle im Garten macht.“ Manchmal habe er auch geklingelt und gefragt: Haben Sie mal ein Ei? Haben Sie mal eine Leiter? Auf mehr als oberflächliche Gespräche hat Familie Schönemann verzichtet.

Hinnerk ging seinen Weg. Statt, wie als Kind erträumt, eine Tierhandlung zu eröffnen, absolvierte er eine Schauspielausbildung, war drei Jahre am Thalia-Theater in Hamburg engagiert. Die endlosen Proben in dunklen Räumen, dass nichts aufgezeichnet wurde, machte ihm zu schaffen. „Ich hatte keine Kontrolle. Ich wusste nicht, wo eine Grenze ist, wann man gut und wann man schlecht ist.“ Dann doch lieber filmen. Ihn fasziniert „das Kleinere, das hinterher viel größer ist“, das präzise Arbeiten. Seine Hyperaktivität empfindet er nun als nützlich. „Ich konnte in der Schule unter Druck nichts abrufen. Als Schauspieler ist es genau das Gegenteil: Ich kann diese Energie und Kraft perfekt umsetzen.“

Demnächst ist er in einem Kinofilm über das Leben von Klaus Störtebeker zu sehen, Schönemann spielt einen Piraten mit dem vielversprechenden Namen „Keule“. Das reimt sich schon mal sehr schön auf Beule.

„Marie Brand und die Nacht der Vergeltung“, 20 Uhr 15, ZDF

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