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Medien: „Ich bereue das nicht“

Pippi Langstrumpf liegt hinter ihr: Inger Nilsson dreht für das ZDF Krimis

Jördis Triebel sieht schlimm aus. An diversen Körperstellen mit aufgeschminkten Wunden und jeder Menge Kunstblut schaurig-schön präpariert. Gleich soll sie sich auf den Boden des kleinen Waldstücks legen, und da bleibt sie dann erst mal. Die 29-jährige Schauspielerin, gerade in der Titelrolle von „Emmas Glück“ im Kino zu sehen, hat hier den Part der Helena Hillerström übernommen, erstes Opfer eines Serienkillers in Mari Jungstedts Krimi „Den du nicht siehst“. Eine undankbare Aufgabe: Das Drehbuch will, dass die Leiche vor dem Abtransport von drei Menschen betrachtet wird: der Kommissar Robert Anders, den Walter Sittler spielt, sein Assistent Thomas (Andy Gätjen) und die Gerichtsmedizinerin Ewa (Inger Nilsson), die auch ein wenig an der Toten herumzupft. Die Betrachter sollen aus allen möglichen Perspektiven gefilmt werden. Das dauert. Lange. Man sieht die Ameisen zumarschieren auf die vorbildlich starre Triebel – von wegen Traumberuf. Gleich zwei der in Gotland spielenden Bücher der schwedischen Autorin Jungstedt lässt das ZDF von der Hamburger Produktionsfirma Network Movie unter dem Sammeltitel „Der Kommissar und das Meer“ verfilmen. Neben Jungstedts Debüt „Den du nicht siehst“ wird auch „Näher als du denkst“ mit der Regisseurin Christiane Balthasar gedreht. Die beiden 90-minütigen Filme sollen im Herbst 2007 gesendet werden.

Nilsson, Inger Nilsson ...? Die Darstellerin der erfahrenen – und im Roman nicht vorhandenen – Gerichtsmedizinerin Ewa sticht aus der Besetzungsliste hervor. Ist das nicht Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf, das stärkste Mädchen der Welt? Ja, die Inger Nilsson ist es, mittlerweile 47 Jahre alt. Hört man ihr zu, begreift man rasch, dass der frühe Ruhm ihr auch geschadet hat. „Ich wünsche mir, nur noch als Schauspielerin arbeiten zu können, schließlich ist das der Beruf, für den ich ausgebildet bin“, sagt Nilsson, die ihren Lebensunterhalt vorwiegend als Sekretärin in einem Krankenhaus verdient. Von 1973 bis 2005 war sie in gerade mal vier Filmen zu sehen, weil man dem berühmten Kinderstar nichts zutraute. „Nach einer langen Zwangspause bin ich jetzt etwas optimistischer – der Schatten von Pippi verliert langsam an Kraft“, lächelt Nilsson scheu. Wegen des bekannten Namens, sagt sie, seien die Ansprüche an sie stets besonders hoch gewesen. „Erfüllen konnte man sie nie, denn am Ende sagte jeder: ,Als Pippi fand ich sie aber besser.‘ Als ob man das vergleichen könnte!“

In diesem Sommer spielt sie mit einer freien Theatergruppe in einem Park vor den Toren Stockholms. „Ein Lustspäl“, sagt sie selbst, weil sie kein englisches Wort passend findet, einen alten Bauernhof-Schwank mit ihr als zänkischer und eifersüchtiger Magd. Überhaupt sei es zuletzt besser geworden, auch für den Herbst habe sie eine Reihe kleiner TV-Rollen in Aussicht, immerhin. Von einem „Opfer“, das sie für den frühen Ruhm bringen musste, will sie nicht sprechen: „Ich bereue das nicht, es war ja eine tolle Rolle. Doch ich hätte früher Grenzen ziehen und mein Privatleben gegenüber der Presse besser schützen müssen“, blickt sie zurück, aber damals sei es nicht üblich gewesen, sich zu wehren, „schon gar nicht für ein zehnjähriges Mädchen – das sollte nur dankbar sein und mitspielen“. Auf die Frage, ob es nicht eine arg lange Reise zum erwachsenen Selbst sei, die ihr zugemutet worden sei, antwortet sie wie eine Frau, die sich das Jammern verboten hat: „Ist nicht jeder von uns auf dieser Reise?“

Der gefürchtete „Brunetti-Effekt“, der entsteht, wenn vertraute deutsche TV-Helden an fremden Orten herumstehen und so angestrengt wie erfolglos spielen, sie seien gar keine Deutschen, soll bei diesen Krimis vermieden werden. Also hat man den Kommissar, der im Buch „Anders Knutas“ heißt, in Robert Anders umgetauft und ihm ein paar verschüttete deutsche Wurzeln angedichtet. Walter Sittler betont dennoch die „schwedische Gelassenheit“ seiner Figur, bei der von melancholischer Misanthropie à la Wallander aber wenig zu spüren ist. Der Kommissar hat ein geradezu provokant harmonisches Familienleben mit Gattin und Kindern, ist ein erprobter Teamplayer und „kann damit leben, dass er nicht immer recht hat“, wie Sittler sagt.

Der nicht nur zupackende, sondern bei aller Freundlichkeit auch sehr präzise 42-jährige Regisseur Anno Saul („Kebab-Connection“) bleibt trotz der Sechstagewoche, die das Team seit Ende Juni absolviert, in jedem Moment aufmerksam – und unnachgiebig. Das Team ist willig, aber schwitzt doch, zudem leiden die Nasen unter der prächtigen Algenblüte. Als am Vortag nach einer etwas sorglos verpatzten Einstellung eine Stimme halb amüsiert, halb genervt „Kommt jetzt die Neunte oder die Achte?“ fragte, brummte es von der anderen Ecke des Sets: „Gefühlt die Zwölfte.“ Nach zwei Stunden konnte man sicher sein, dass auch sämtliche schwedischen Komparsen zwei Sätze Deutsch so schnell nicht wieder vergessen würden: „Wir machen’s noch mal“ und „Alle wieder auf Anfang!“.

Helge Hopp[Gotland]

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