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Medien: „Ich komme eindeutig von links“

Robin Detje über das Politikmagazin, das er ab September herausgeben will

Herr Detje, Sie wollen eine neue Zeitschrift gründen: „Abstand“. In der Ankündigung unter www.abstand.info nehmen Sie „Cicero“ und die „Zeit“ aufs Korn. Für beide Blätter haben Sie selbst geschrieben. Was stört Sie?

„Cicero“ ist ein Selbstmarketingprojekt. Es gibt kaum einen Autor im Heft, der nicht unter seine Artikel schreibt, für welche Lobbyistenorganisationen und Vereine er tätig ist. Kritischer, unabhängiger Journalismus kommt in „Cicero“ nicht vor. In der „Zeit“ lese ich zunehmend übermoderierte Texte. Manchmal habe ich das Gefühl, da laufen kleine Nummerngirls durch den Text und sagen „Hey, jetzt wird’s wieder spannend!“. Da hat man wohl Angst, dass die Leute das Thema nicht interessiert. Also wird man eingelullt und „mitgenommen“. Mir fehlt die im positiven Sinne fordernde Strenge.

Warum braucht der deutsche Leser eine Zeitschrift wie Ihre?

Die Qualitätszeitungen bedienen ihre Leser nicht mehr, weil sie es von ihrer Unternehmenskultur her nicht mehr können. Sie sagen zwar: „Immer an die Leser denken.“ Aber die Leser, die sie im Auge haben, sind ein maschinelles Konstrukt. Das sind keine Menschen mehr, mit denen Aug’ in Auge geredet wird. Die Leser sind längst woanders.

Im Untertitel heißt es: „Magazin für Weltinnenpolitik, Wirtschaft und Kultur“. Was verstehen Sie unter Weltinnenpolitik?

Ich habe mich nach dem 11. September noch einmal weiter politisiert. Mir wurde klar: Was im Grenzgebiet von Pakistan geschieht, kann letztlich genauso meine Gesundheit beeinträchtigen wie die Gesundheitsreform. Also wird Abstand sich für beides gleich stark interessieren. Für die Weltbank genauso wie für die Sicherheit im Online-Banking.

Götz Aly, Annett Gröschner und Marcia Pally sollen zum Autorenkreis gehören. Wo steht Ihre Zeitschrift politisch?

Ich komme eindeutig von links, aus Hausbesetzer-Sympathisanten-Kreisen. Ich war aber immer zu schisserig, da selber rein zu gehen. Ich bin politisch inzwischen bei Karl Popper und Helmut Schmidt gelandet. Das Magazin wird sich sicher als ein Projekt zur Stärkung der Zivilgesellschaft verstehen. In dem Rahmen darf jeder ran. Dabei ist mein Interesse an dem großen Essay „Müssen wir wieder mehr beten?“ sehr gering. Mein Interesse an einer machtpolitischen Analyse des Vatikans ist dagegen ist groß.

Wie wäre „Abstand“ zum Beispiel mit der Visa-Affäre umgegangen?

Man muss sich eben dafür interessieren, was in der Ukraine wirklich passiert. Da muss man das Geld zusammenkratzen und jemanden hinschicken, anstatt hier mit Joschka Fischer zu sitzen und zu fragen: „Stürzen Sie jetzt? Stürzen Sie nicht?“ Das ist nicht das Thema. Ein bisschen Jahrmarkt ist zwar in Ordnung, man darf auch mal jemanden stürzen. Aber das kann nicht das Ziel sein. Das kommt zum Dessert.

Auch den Politikern, so wird zurzeit oft geklagt, geht es mehr um Machterhalt als um inhaltliche Gestaltung.

Das ist ja der zentrale Vorwurf an Schröder, dass er nicht inhaltsgetriebene Politik macht, sondern Politik verkauft. Aber die Journalisten machen es ihm leicht. Ich kenne Pressesprecher aus der Bundesregierung, die mir offen erzählen, dass sie in die Pressekonferenzen gehen, ihre verwundbaren Stellen genau kennen und nur darauf warten, fertig gemacht zu werden. Und von den Journalisten kommt nichts. Aber das können wir ändern.

Sie wollen in „Abstand“ auf Fotos verzichten. Planen Sie eine Bleiwüste?

In den modernen Zeitungen ist das Machtverhältnis zwischen Bild und Text verrutscht. Immer größere Fotos entschuldigen sich bei den Lesern dafür, dass überhaupt noch Text daneben steht. Das wollen wir wieder gerade rücken. Und weil wir eine ganz klare Haltung haben, sagen wir erstmal: Es geht auch ohne. Oder wir stellen sie in einen Mittelteil, wie in alten Büchern. So dass im Text steht: „(Abb. 1)“, und wenn man das Foto sehen will, muss man blättern. „Abstand“ wird natürlich kein fades Blatt sein, wir werden mit allen Themen und Genres spielen und mit allen Möglichkeiten, die wir haben. Wir sind begeisterte Spieler. Wir reden mit einem tollen Comiczeichner, der schon zugesagt hat, einem Amerikaner. Wir werden in jedem Blatt Illustratoren haben, die ihre Figuren über die Seiten jagen.

Was machen Sie bis zum geplanten Erscheinen der ersten Ausgabe im Herbst?

Ich bin ja jetzt rumgelaufen und habe viel auf die Kollegen geschimpft. Das hört auf. Ich muss ein solide finanziertes kleines Unternehmen gründen, das überlebensfähig ist. Es gibt Interessenten mit Geld, aber noch nicht so viele, dass eine kritische Masse erreicht wäre, so dass wir den Gesellschaftervertrag unterschreiben könnten. Es ist also durchaus noch Platz im Club. Und dann wird endlich das Blatt gemacht.

Mit Robin Detje sprachen Jan Oberländer und Kai Splittgerber.

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