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Medien: „Ich mache mir keine Illusionen“

Elke Heidenreich will keine Büchersendung nach 23 Uhr machen Da sind die „Zeit“-Leser sowieso unter sich, sagt sie

Frau Heidenreich, gehört Literatur überhaupt ins Fernsehen?

Literatur gehört überall hin. In unser Leben, in unsere Küche, in unsere Badewanne. Und natürlich ins Fernsehen. Marcel ReichRanicki hat gezeigt, wie viel man, wenn man die Leidenschaft hat, für die Literatur bewegen kann. Es sehen so viele Menschen fern, die gerne lesen würden, sich in diesem Bücherdschungel aber nicht zurechtfinden. Und wir, die wir uns da zurechtfinden, tun das dann stellvertretend für sie.

Gibt es eine Literatursendung, die Sie gut finden?

Mir fällt keine ein. Überall sitzen schlaue Kritiker und teilen mit, wie schlau sie sind und reden gestelzt und lesen ihre Texte vom Teleprompter ab. Ich weiß nicht, ob es das ist, so temperament- und leidenschaftslos. Ich will das in meiner halben Stunde anders machen. Und einen Teleprompter habe ich noch nie gebraucht.

Sie hatten zu Anfang vor, die Sendung in Ihrem Wohnzimmer zu produzieren.

Daraus wurde nichts, weil ich umgezogen bin. Ich wohnte in einer riesigen Altbauwohnung voller Bücher. Ich wollte nicht in ein Designerstudio mit schwarzen Ledermöbeln, ich wollte eine Umgebung, in der Lampen stehen, Rotweinflaschen, Blumen und ein gescheiter Sessel zum Lesen. Jetzt wohne ich aber in einem kleinen wunderbaren Haus. Und da lass’ ich keinen rein. Jetzt machen wir es in einem noch viel schöneren Ambiente, nämlich in der Kölner Kinderoper, einer Einrichtung der großen Kölner Oper mit 120 Plätzen. Ich werde im jeweils aktuellen Bühnenbild sitzen, auf den Bänken, wo sonst die Kinder sitzen, werden die Zuschauer Platz nehmen. Die hätten bei mir zu Hause keinen Platz gehabt.

Was werden Sie machen?

Mein Gast wird sein Lieblingsbuch vorstellen und ein paar Seiten vorlesen. Das wird eine ganz stille Sache. Für die erste Sendung haben wir viel zu viele Bücher ausgesucht, weil wir zeigen wollten, welche Bandbreite wir uns vorstellen. Außerdem gibt es zwei Einspielfilme, einen über den Nobelpreisträger Naipaol und einen über Richard Ford.

Da passte doch Dieter Bohlen als Gast nicht schlecht.

Ich glaube nicht, dass Bohlen viel liest. Sein Buch ist für meine Sendung nicht interessant, weil es abseits von Literatur ist, auch wenn es sonst vielleicht ganz spannend ist.

Bei der ersten Sendung, der Pilot-Sendung, die dem ZDF zur Begutachtung vorliegt, war Harald Schmidt ihr Gast. Musste das sein?

Harald Schmidt ist mein Nachbar, insofern ergab sich das. Ich habe zu ihm gesagt, du kommst jetzt in die erste Sendung, und so war das. Wir müssen ja erst einmal auf die Schiene kommen, und da wollte mir Harald helfen. Schmidt ist ein großer Leser, mit dem kann ich immer über Literatur reden. Ich kenne keinen anderen, der so viel liest wie er.

Warum haben Sie sich das ZDF ausgesucht?

Mit der ARD bin ich nicht klar gekommen, die Anstalten konnten sich nicht einigen. Und ich wollte auf keinen Fall ins Dritte Programm, wie ich es beim WDR sofort hätte haben können. Nicht wegen mir. Ich war oft genug im Fernsehen. Ich brauche das nicht. Aber die Bücher brauchen es. Man kann sie nicht immer auf nach 23 Uhr verschieben, wenn die „Zeit“-Leser unter sich sind. Das geht nicht. Ich habe mit ZDF-Intendant Markus Schächter gesprochen, und er hat gesagt, die Idee finde ich wunderbar, macht mal.

Was wären die idealen Bedingungen für Literatur im Fernsehen?

Wenn ich statt 30 Minuten eine Stunde hätte. Aber fangen wir doch erst mal an. Ich mache seit vierzig Jahren nichts anderes als Lesen. Ich bin zwar längst nicht so belesen wie Reich-Ranicki, aber ich kenne die neue Literatur besser als er. Ich habe auch Germanistik studiert und kann diese Dinge unterscheiden. Ich möchte mit Lust und Leidenschaft die Leute zum Lesen bringen. Das traue ich mir zu. Die Leute kennen mich aus Talkshows und von Else Stratmann, sie kennen meine Bücher, sie vertrauen mir, sie glauben mir. Ich mache seit Jahren für den WDR Buchbesprechungen im Radio und sollte da auch erst in die Kulturecke nachts um elf gesperrt werden. Ich habe gesagt, wenn ich Bücher bespreche, dann freitags nachmittags im Serviceprogramm zwischen vier und fünf, wenn das Ruhrgebiet neunzig Kilometer im Stau steht. Manchmal werden von einem Buch 2000 bis 3000 Stück verkauft, das sonst keiner beachtet hätte. Ich werde auch beim ZDF Bücher vorstellen, die man ohne viel Vorbildung lesen kann und trotzdem kein Schrott sind.

Was ist denn eigentlich Literatur?

Das interessiert mich nicht die Bohne. Ich finde ein Buch gut oder eben nicht. Und dann sehe ich schon, ob es Literatur ist oder nicht. Ich lese von jedem Buch, das ich mir kommen lasse, fünfzig bis achtzig Seiten. Wenn es mich dann immer noch nicht interessiert, dann tue ich es weg.

Wie lange wollen Sie Literatur senden?

So lange ich Spaß daran habe und mir keiner reinredet. Ich mache mir da keine Illusionen. Es wird sein wie immer. Am Anfang wird man mich loben und sagen, da ist sie ja wieder, so unverfälscht, so nett, so natürlich, und wie schön sie das macht. Nach der dritten, vierten und fünften Folge kriege ich was auf die Mütze, man kann sie nicht mehr hören, sie redet zu schnell, das ist ja schrecklich, außerdem hat sie immer dasselbe an, sie soll sich doch mal kämmen, die hat ja keine Ahnung. Nach der sechsten Sendung sind wir dann Kult, und ab der zehnten, hoffe ich, kriegen wir dann unsere Stunde. So plane ich das.

Und dann den Grimme-Preis.

Den habe ich schon. Ich bin jetzt 60 Jahre alt, ich nehme keine Preise mehr an. Thomas Bernhard hat in „Wittgensteins Neffe“ gesagt: „Ab einem gewissen Alter ist es lächerlich, sich noch preiskrönen zu lassen.“ Mich interessiert etwas anderes. Ich fände es schön, wenn die Leute sagen würden, ich habe das von Ihnen vorgestellte Buch gelesen und war glücklich. Oder das und das Buch hat meine Ehe oder wahlweise das Wochenende gerettet. So soll es sein. Herrlich.

Das Gespräch führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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