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Medien: Ich sehe, dass ich nichts sehe

DER KRIEG IM FERNSEHEN Auf die Frage, ob Präsident Bush auch in seinem Wochenendhaus Fernsehen schaue, antwortete sein Sprecher Ari Fleischer, der Arroganteste aller Arroganten, der Präsident brauche keinen Fernseher, um über den Lauf des Krieges informiert zu sein. Das wollen wir hoffen.

DER KRIEG IM FERNSEHEN

Auf die Frage, ob Präsident Bush auch in seinem Wochenendhaus Fernsehen schaue, antwortete sein Sprecher Ari Fleischer, der Arroganteste aller Arroganten, der Präsident brauche keinen Fernseher, um über den Lauf des Krieges informiert zu sein. Das wollen wir hoffen. Aber wir brauchen den Fernseher dazu. Ich zum Beispiel habe am Sonntag etwa sechs Stunden vor dem Gerät verbracht. Dabei habe ich Dinge gesehen, die absurder nicht hätten sein können. Etwa die Live-Reportage eines britischen Journalisten aus einem Schützengraben, der mit Helm auf dem Kopf ständig begeistert ausrief: „Alles live, alles live.“ Oder das Briefing der irakischen Armeeführung über den Kriegsverlauf, keine Satire würde sich so etwas Schräges trauen. Irakische Offiziere mit Schnurrbart spielen Norman Schwarzkopf. Fast wäre es zum Lachen.

Ich habe Leichen gesehen. Ich sah in die ängstlichen Gesichter der gefangenen US-Soldaten, und ich sah die Angst in den Gesichtern der Menschen von Bagdad. Ich kenne jetzt Dutzende von Sicherheitsexperten, die ganz toll in Sachen Tomahawk-Raketen Bescheid wissen. Und irgendwann bin ich bei Phoenix auf einen amerikanischen Soldaten gestoßen, der im letzten Golfkrieg dabei war und von seinem eigenen Herzschlag erzählte, den er immer vor lauter Furcht gehört hatte.

Wie geht es einem dabei, so vor dem Fernseher? Einmal dachte ich, es geht mir nahe, wie genau wusste ich nicht. Aber kurz darauf fühlte ich mich eher wie ein blöder Zuschauer, der Wurstbrote isst und Cola trinkt und sich danach ermattet fragt, was wohl mit den Reportern wird, die jetzt noch in Bagdad sind, wenn die große Schlacht beginnt.

Man sieht viel und weiß am Ende nicht viel. Und man ergänzt sich im Kopf die fehlenden Bilder, irgendwie. Der Schriftsteller Jurek Becker hat kurz vor seinem Tod seine Biografie in wenigen Zeilen erzählt, die mehr weglassen als aussagen. Ein Auszug: „Ich wurde am, in, als einziges. Mein Vater war, meine Mutter. Wenn ich auf mein bisheriges zurückblicke, muss ich leider sagen.“ Wenn ich derzeit Fernsehen schaue.

Stephan Lebert

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