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Medien: „Ich strampelte wie ein Hamster im Rad“

Christiane Gerboth, die Unermüdliche: Wochentags moderiert sie die Pro 7-Nachrichten, sonntags „Focus TV“

Frau Gerboth, wir sitzen hier ganz unjournalistisch um neun Uhr morgens zusammen. Sind Sie eine Frühaufsteherin?

Ja. Jeden Morgen gehe ich ins Fitnessstudio. Und wenn ich das einmal nicht schaffe, dann bin ich ein wenig unausstehlich.

Ein harter Anfang. Außerdem sollen Sie jeden Tag mindestens fünf Tageszeitungen und diverse Magazine durcharbeiten. Wie schaffen Sie das?

Ganz gut. Punkt acht Uhr, eine Stunde, bevor ich ins Fitnessstudio gehe, sitze ich in meinem StammCafé im Prenzlauer Berg und kämpfe mit anderen Frühaufstehern um die Zeitungen. Das Schöne ist: Ich gewinne meist. Was ich im Café nicht schaffe, das wird im Büro nachgearbeitet. Sie werden staunen, wenn ich Ihnen sage, dass ich an meinem einzigen freien Tag in der Woche, dem Sonnabend, fast nur lese. Aber dann meistens Bücher.

Sieht ganz so aus, als wäre Ihnen das gedruckte Wort lieber als Fernsehen.

Ich gebe zu: Ich liebe das gedruckte Wort. Aber Fernsehen find’ ich auch ganz schön.

Sie sind die Chefin vom Dienst und die Moderatorin der Nachrichten von Pro 7. Diese Nachrichten beginnen wie die „Tagesschau“ um 20 Uhr. Wie ähnlich sind sich die beiden?

Wir haben mit der „Tagesschau“ kaum etwas gemeinsam. Pro 7 ist ein sehr junger Sender mit einem sehr jungen Publikum. Schon allein das unterscheidet uns. Als ich vor zehn Jahren anfing, habe ich gesagt, so wie Pro 7 Nachrichten macht, darf man es nicht machen. Heute sage ich: Um überhaupt noch junge Menschen für Politik zu interessieren, muss man Nachrichten genau so machen, wie wir es tun. Uns sehen die jungen Leute, die bei Umfragen immer behaupten, mit Papa und Mama ausschließlich „Tagesschau“ zu gucken. Aber wenn man da mal etwas genauer nachhakt …

Sind „Tagesschau“ und die Pro7-Nachrichten überhaupt noch vergleichbar?

Nein. Beide sprechen voneinander getrennte Zielgruppen an. Aber die Öffentlich-Rechtlichen haben viel von uns gelernt. Noch vor fünf Jahren haben mich ZDF-Redakteure beinahe angewidert gefragt, was wir immer mit diesen Grafiken und bunten Balken wollten. Ich habe denen damals gesagt, warten Sie es ab, in drei Jahren sind Sie auch so weit. Heute haben sie uns, was das angeht, beinahe schon überholt.

Nachrichten im Unterhaltungsfernsehen von Pro 7: Noch Nachrichten oder schon auf dem Weg zur Show?

Höre ich da Puristen jammern? Glauben Sie mir: Ich würde die Sendung nicht moderieren, wenn es keine Nachrichten-Sendung wäre.

Der Hessische Rundfunk bildet gerade die ersten Video-Journalisten aus, die alles alleine machen. Müssten die Privaten nicht spätestens jetzt die nächste Innovationsstufe zünden?

Da hat uns der HR tatsächlich überholt. Aber ich bin dagegen, Kameramänner und Cutter abzuschaffen. Das ist nicht gut für die Qualität der Filme. Und wir leben schließlich von der Qualität.

Das Geheimnis Ihres Erfolgs?

Früher war das Formulieren von Moderationen eine Kunst, ein Art Hochamt. Auch für mich. Eine Thema in 25 Sekunden auf den Punkt zu bringen, das ist nicht ganz einfach. Heute verstehe ich mich eher als Übersetzer dessen, was passiert. Wir wollen erklären, was hinter den Dingen steckt. Dabei versuche ich, möglichst anschaulich zu sein. Ich bemühe mich um eine sehr einfache Sprache.

Ihr Publikum ist also eher einfach gestrickt.

Ganz im Gegenteil. Wir haben es zwar mit einem desinteressierten Publikum zu tun, keineswegs aber mit einem uninformierten. Unsere Zuschauer kennen sich zum Beispiel bei allem, was mit ebay zu tun hat, viel besser aus als ich. Wir müssen uns nicht in die Niederungen der Alltagssprache begeben. Aber wir müssen die Leute erreichen.

Und deshalb pflegen Sie die bunte Mischung.

Die Leute wollen bunte Themen. Aber wir erreichen auch sehr gute Quoten, wenn wir über Jugendarbeitslosigkeit berichten. Daran sieht man: Der Mensch lebt nicht nur von Herrn Bohlen allein. Aber unter uns: Manchmal wird es sogar mir zu bunt.

Sie sind nicht nur Moderatorin, sondern auch doppelte Chefin vom Dienst. Wie groß ist Ihr Einfluss auf die Nachrichten?

Da ich für Pro7 und Sat 1 zuständig bin, muss ich natürlich darauf achten, dass Unterschiede erhalten bleiben. Aber es gibt ja auch noch meine Chefredakteurin und ihren Stellvertreter.

Sie arbeiten für die Sat1-Nachrichten, die Nachrichten von Pro7 und außerdem noch für „Focus TV“. Sie sind die mächtigste Frau im deutschen Nachrichtenfernsehen, oder?

Erstens: Ich bin nicht mächtig. Zweitens wollte ich nie nur Sprecherin sein. Das allein hätte mich nicht ausgefüllt.

Dann müssen Sie ein Workaholic sein.

Ich denke schon, dass ich meinen Beruf mit Leidenschaft ausübe.

Eine schöne Überschrift: Ich bin eine leidenschaftliche Frau.

Warum nicht. Könnte man durchaus so sagen.

Sie haben auch gesagt, Ihre Arbeit verlange einen Schuss Besessenheit.

Ich glaube, dass jeder Nachrichtenjournalist mindestens Spurenelemente von Besessenheit in sich haben muss. Wenn man zum Beispiel am 11. September 2001 Dienst hat und 200 Menschen zu führen hat, dann muss man schon besessen sein. Sonst schaffen Sie das nicht.

Und wie sieht die ganz normale Besessenheit aus?

Jedenfalls nicht so, dass ich 24 Stunden am Tag mit meiner Arbeit beschäftigt bin. Ich gebe zu: Noch vor ein paar Jahren war das bei mir anders. Da strampelte ich wie ein Hamster im Rad und habe gar nicht mitbekommen, wie viele Menschen aus meinem privaten Umfeld einfach verschwunden sind. Heute mache ich das anders und achte auf mich. Aber wenn Frau Merkel eine schlechte Rede im Bundestag hält, dann könnte ich mich immer noch eine Stunde lang darüber erregen. Wenn Sie das Besessenheit nennen wollen, bitte.

Würden Sie den Satz unterschreiben: Wehe den Journalisten, die nur Journalisten kennen?

Aber ja.

Wie finden Sie es, wenn Sie mit „Focus TV“ das Magazin „Focus“ unterstützen müssen?

Irrtum, müssen wir nicht und tun wir nicht. Wir sitzen natürlich zusammen und tauschen uns aus. Aber es gibt keinerlei Einflussnahme auf unser Programm. Auch wenn unser gemeinsamer Chefredakteur Markwort heißt. Wir greifen die Themen auf, von denen wir meinen, dass sie in der Luft liegen.

Das hört sich an wie ein journalistischer Traum.

Ist es auch.

Und wovon träumen Sie, wenn Sie nicht arbeiten?

Ich bin nicht so eingefahren, dass ich mir nicht auch hin und wieder überlegen würde, was das Leben wohl sonst noch zu bieten haben könnte.

Sie glauben also an ein Leben nach dem Fernsehen?

Das können Sie aber glauben.

Das Gespräch führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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