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Medien: „Ich trage das Ganze jetzt zu Grabe“

SETTING Wir treffen uns in der „Grünwalder Einkehr“ im Süden von München. Ihr Vorschlag.

Von Barbara Nolte

SETTING

Wir treffen uns in der „Grünwalder Einkehr“ im Süden von München. Ihr Vorschlag. Gusseiserne Pfannen hängen an den Wänden, Trockenblumen und sogar eine ganze Puppenstube hinter Glas. Arabella Kiesbauer kommt eine halbe Stunde zu spät: die Rush Hour. Sie trägt eine hellblaue Lederjacke, weiße Lackpumps, Betonfrisur. Sie wirkt freundlich, nicht so überdreht wie im Fernsehen. Drei Sendungen hat sie heute produziert. Ihre letzten. Nach zehn Jahren Talk hört sie auf. Keine Lust mehr, Frau Kiesbauer? „Die Luft ist irgendwie raus, ja“, antwortet sie.

MATERIALLAGE

„Arabella Fiesbauer“, so titelte die „Bild“ am Dienstag, weil sie in einem Jubiläumsinterview sagte: „In Deutschland wird Quoten bringende Scheiße produziert. Zicken und Deppen regieren den Bildschirm.“ Frank Elstner zickte zurück: „Wer in einem solchen Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.“

Arabella Kiesbauers Glashaus wurde zehn Jahre lang von Fetischisten aller Art besucht, von Sado-Masochisten und sogar von einem Sodomisten, den die Gastgeberin fragte: „Bist du deiner Stute treu?“

„Unser größter Aufreger“, sagt sie, „war sicher der Sexskandal, den wir losgetreten haben.“

Sie selbst inszenierte sich als tabuloses Fräulein. Die „Bild am Sonntag“ überliefert, dass sie mal für eine Million Mark mit einem Scheich ins Bett gehen wollte. Und als sie sich für den „Playboy“ auszog, begründete sie das so: „Ich hüpf’ gerne pudelnackt herum.“

THESE 1

Über Sex reden nur die Leute, die keinen haben.

„Da ist etwas Wahres dran“, sagt sie.

Dass Sie das sagen!

„Ja, ich glaube, dass Sex bei manchen Personen etwas überbewertet wird . Je mehr die Leute drüber reden, desto weniger ist dahinter.“

Sie haben zehn Jahre nur über Sex geredet. Sogar über Fruchtbarkeitsstatuen in Ihrem eigenen Schlafzimmer.

„Das habe ich mal vor vielen Jahren gesagt, das schreibt jeder ab. Die stehen überall in der Wohnung.“

Ottmar Hitzfeld und der Bayern-Mannschafts-Arzt Hans-Wilhelm Müller- Wohlfahrt stehen in der Tür und erkennen Arabella Kiesbauer: nicht.

„Heute“, sagt sie noch, „kannst du mit dem Thema Sex keinen Hund hinterm Ofen hervorholen.“

THESE 2

Trash ist Ihr natürliches Habitat.

„Trash war in unserer Sendung auch dabei, absolut“, sagt sie. Aber eigentlich habe sie einen ganz anderen Hintergrund: „Ich war eher so eine höhere Tochter.“

STECKBRIEF

Der Vater Ingenieur aus Ghana, die Mutter Schauspielerin. „Meine Mama leitete lange das Hansa-Theater in Berlin“, sagt Kiesbauer. Sie selbst wuchs bei der Großmutter in Wien auf, ging auf ein französisches Lyzeum, studierte anschließend Theaterwissenschaft. „Ich bin dankbar“, sagt sie, „dass ich über den Nachmittagstalk Menschen so unterschiedlicher Herkunft kennen lernen durfte.“

Was war eigentlich das Thema Ihrer Diplomarbeit?

Kiesbauer: „Der historische Roman Thomas Beckets im Theater von Anouilh, T.S. Eliot und Christopher Fry.“

Erstaunlich!

„Das schauen Sie mal“, sagt sie: „Richte nicht über andere, bevor du sie nicht kennst!“

Arabella, die verkannte Bildungsbürgerin. „Bevor ich den Talk gemacht habe, habe ich auf 3sat ein Kulturmagazin moderiert“, sagt sie noch, und sie sagt das nicht ganz zufällig. Sie will raus aus der Schmuddelecke. Sie muss raus. Die Schmuddelecke macht dicht. Bärbel Schäfer, Hans Meiser, Nicole – die Kollegen sind längst in der Umschulung. Die Gerichtsshows, die fiktionalen Geschichten haben sie alle verdrängt. Kiesbauer sagt: „Die graben uns das Wasser ab.“ Auch bei ihr sind die Quoten eingebrochen. Sie hat eine Umfrage in Auftrag gegeben, denn sie wollte einfach nicht glauben, dass es egal sein sollte, ob da einer wirklich weint oder das nur spielt. Die Frage an die Zuschauer lautete: Stört es sie, wenn Schauspieler zum Einsatz kommen? Die Antwort war klar: Nein. „Anscheinend sind wir da nicht ganz zeitgemäß“, sagt sie. „Ich habe am Nachmittag den Talk für junge Leute eingeführt. Das erklärt vielleicht auch, dass ich das Ganze jetzt zu Grabe trage.“ Nur: Was soll sie denn sonst machen?

THESE 3

Nachmittagstalk ist das größte Stigma, das das Fernsehen einem anheften kann.

„Das ist eine verbreitete Theorie“, sagt Kiesbauer. „Lange haben mich die Menschen mit dem Begriff Quasselstrippe am Nachmittag in Verbindung gebracht. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass ich auch etwas anderes kann.“ In der Schweiz und in Österreich Castingshows moderieren, das konnte sie, das lief gut. In Deutschland aber floppte im Februar ihre „Comeback Show“. Lag’s am Stigma? Geissen ist auch Nachmittagstalker, Kerner war es mal, und sie moderieren sich mittlerweile durchs ganze Programm. Sind sie besser? Oder ist die Welt ungerecht? Es gibt eine wissenschaftliche Erklärung, und die geht so. „Arabella stellt sich selbst permanent in den Vordergrund“, schreibt Lutz Leukhardt in seiner filmwissenschaftlichen Diplomarbeit (Note: 1,8). Arabella, 35, die Baby-Doll-Kleidchen-Frau, die den Kopf schräg legt und mit den Augen rollt. Nervt ihre Eitelkeit?

THESE 4

Der Stepmaster ist Ihr bester Freund.

Falsch, das Mountainbike. Sie fährt „leidenschaftlich“ gern, sagt sie. Gleich morgen früh geht es in die Tiroler Alpen. Eigentlich wollte sie Anfang der Woche zurück sein im Studio von Pro 7: sich die alten Probleme über Fettleibigkeit und Verrat anhören. Eine Fortsetzung von „Arabella“ war geplant – mit Schauspielern anstatt Gästen, die nach Drehbuch Texte sprechen. Titel: „Das Geständnis“. Eine Kostprobe konnte man sich schon anschauen. Auf Pro 7 lief in den vergangenen Wochen täglich eine viertelstündige Kurzversion. Arabella sah dort, für ihre Verhältnisse, unglücklich aus. Und das war sie offenbar auch: Am Donnerstagabend trennten sich Kiesbauer und Pro 7. „Ich habe für mein Format gekämpft wie eine Löwin“, sagt sie. „Mit den Darstellern fühle ich mich nicht mehr emotional verbunden. Wie denn auch?“

ABGANG

Arabella Kiesbauer nimmt die Reporterin noch bis zur Straßenbahn mit. „Vorsicht, mein Kuchen!“, sagt sie, als wir in die schwarze Limousine einsteigen. Auf dem Boden hinterm Fahrersitz liegen zwei Stücke auf einem Teller. „Links, ja, geradeaus“, dirigiert sie ihren Fahrer durch Grünwald, sie hat wirklich einen Fahrer! „Ich liebe Immobilien“, so erklärt sie ihre Ortskenntnis, „ich finde es eine wunderbare Möglichkeit, mit dem Auto rumzufahren und sich diese wahnsinnigen Protzvillen anzusehen.“

Die letzte „Arabella“-Folge: heute um 14 Uhr auf Pro 7

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