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Im RADIO: Aus vollem Hals und unter Tränen

Irren ist menschlich: Die Hörfunk-Woche im Blick von Tom Peuckert.

Vor sieben Jahren schien die Ukraine fast im Westen angekommen. Julia Timoschenko war die telegene Heldin der Orangenen Revolution, an ihrer Seite der charismatische Viktor Juschtschenko. Wenig später versank das Land in politischer Zwietracht, mit dem Giftattentat auf Juschtschenko trat mörderische Gewalt aus der Kulisse. Heute gilt die Ukraine im Westen als Problemzone, die Vergabe der Fußball-Europameisterschaft als eine Art Betriebsunfall. Für ihr Feature „Orange oder Grau“ hat Autorin Pauline Tillmann die EM-Städte der Ukraine bereist. Das Land will sich offen und gastfreundlich präsentieren, aber Armut, Korruption und marode Sozialstrukturen sind nicht zu übersehen (SWR 2, 6. Juni, 22 Uhr 05, Kabel UKW 107,85 MHz).

Wir alle wollen im Leben möglichst wenig Fehler machen. Schon in der Schule ist Fehlerlosigkeit das wichtigste Erfolgskriterium, in der Politik macht bekanntlich nur die Opposition Fehler. Man kann den Fehler allerdings auch als Quelle produktiver Entdeckungen betrachten. Peggy Fuhrmanns Feature „Irren ist menschlich“ erzählt von der Janusköpfigkeit des Phänomens. Der Fehler als Weg ins Offene, als Hintertür, um aus den Grenzen der Vernunft auf das fruchtbare Feld des Zufalls zu gelangen. Andererseits haben ärztliche Kunstfehler meist katastrophale Folgen, ein Fehler in der Schaltzentrale eines Atomkraftwerks kann Tausenden das Leben kosten (Kulturradio vom RBB, 7. Juni, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Fast 20 Jahre lang war Herr Jensen ein Briefträger ohne Fehl und Tadel. Aber nun wird er entlassen und stürzt aus dem schmalen sozialen Netz, das ihn bisher gehalten hat. Herr Jensen ist auf sich allein gestellt, und das geht nicht gut aus. Jakob Heins Hörspiel „Herr Jensen steigt aus“ erzählt, wie ein moderner Jedermann bei dem Versuch, sein bescheidenes Ego auch ohne Job zu behaupten, allmählich zum Grübler und Sonderling wird. Eine schöne Geschichte über die Rolle der Berufsarbeit als Basis unserer geistigen Gesundheit (Kulturradio vom RBB, 8. Juni, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Das Lachen ist eine simple Angelegenheit. Schon der Säugling kann es, jedermann tut es, ohne groß darüber nachzudenken. Aber natürlich lassen sich an das Lachen auch ernsthafte philosophische Erwägungen knüpfen. In Käthe Jowanowitschs und Eva Pfisters Langer Radionacht „Aus vollem Hals und unter Tränen“ geht es um religiöse Lachverbote, um Hofnarren in Geschichte und Gegenwart, um kulturelle Differenzen beim Lachen, um das Lachen als Heilmittel für seelische und körperliche Beschwerden. (Deutschlandradio Kultur, 9. Juni, ab 0 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

Wer „Das Kapital“ schon immer lesen wollte, aber bisher nicht die geistige Spannkraft aufbrachte, kann dem Text nun mithilfe der Künstlergruppe Rimini-Protokoll näherkommen. Ihr Doku-Hörspiel „Karl Marx: Das Kapital, Band 1“ bringt Zeitgenossen vors Mikrofon, deren Leben als Kommentar zur Marx’schen Kapitalismusanalyse verstanden werden kann. Wir hören einen erfolgreichen Anlagebetrüger, einen deutschen Maoisten, der in China reich geworden ist, einen ergrauten Marx-Forscher und andere Kenner des kapitalistischen Alltags. Aus biografischen Anekdoten entsteht ein charmantes Puzzle, das komplizierte Theorie durch anschauliche Lebenserfahrung ersetzt (Deutschlandfunk, 12. Juni, 20 Uhr 10, UKW 97,7 MHz).

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