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Medien: Im Radio: Bei Knopfdruck Mord

Ein Mord ist noch immer das einfachste Mittel, eine dramatische Handlung in Gang zu setzen. Das gilt für Bühnenstücke wie für Kinothriller, und selbstverständlich auch für das Radiodrama.

Ein Mord ist noch immer das einfachste Mittel, eine dramatische Handlung in Gang zu setzen. Das gilt für Bühnenstücke wie für Kinothriller, und selbstverständlich auch für das Radiodrama. Allerdings ist Mord nicht gleich Mord. Ein Mord kann bloßen Nervenkitzel beim Publikum verursachen, oder aber eine ganze Geschichtsepoche metaphorisch verdichten, man denke an Raskolnikows Beilhieb gegen den Kopf der Wucherin. Zwischen flüchtigem Knalleffekt und komplexem Symbol ist alles machbar mit so einem künstlerischen Mord.

Betrachten wir zwei Hörspielmorde. Da ist der authentische politische Mord, der als historischer Mythos in die Kunst einwandert: der Fall Rosa Luxemburg. Nach ihrem gewaltsamen Tod im Januar 1919 wird die Revolutionärin nicht nur zur Märtyrerfigur der Linken, sondern auch zur viel beschriebenen Heldin der deutschen Literatur. In Lothar Trolles Hörspiel "Der Herbst der R.L." erleben wir Rosa Luxemburg bereits in der Grauzone zwischen Leben und Tod. Eine fahnenflüchtige Bürgerstochter, eine verlassene Geliebte, eine Sterbende, die den Sinn ihres Opfers bezweifelt. Trolle blendet deutsche Vergangenheit und Gegenwart ineinander und inszeniert das Selbstgespräch seiner Heldin mit großartiger surrealer Poesie. Aber den Mord am Ende, den Schuss durch die Schläfe, das letzte, knappe Zucken eines Körpers, den die Seele verlässt, dieses ganz harte Finale, erzählt er mit einem Maximum an realistischer Energie. Der Mord ist kein Symbol, sondern eine Katastrophe, ein Schrecken (Deutschlandfunk, 28. November, 20 Uhr 10, UKW 97,7 MHz).

Was die Grausamkeit des literarischen Mordens betrifft, scheint der Schwede Henning Mankell so leicht nicht zu überbieten. Vier Teile hat die Radiofassung seines Krimis "Die falsche Fährte", und sie beginnt mit einer Serie von Ritualmorden: Ein ehemaliger schwedischer Justizminister und ein renommierter Kunsthändler werden skalpiert aufgefunden. Der Autor lässt keinen Zweifel daran, dass die Opfer ihr furchtbares Ende verdient haben. Doch wer ist der Mörder mit der Indianermaske? Und warum beginnt die Geschichte im Stil einer alten Legende, irgendwo tief im armen Süden der Welt? Der ermittelnde Kommissar Wallander wird langen Atem brauchen, um die Fäden zu entwirren. Aber nach der ersten Folge wird der Hörer an seiner Seite bleiben, weil er sich ebenso brennend für die Hintergründe der Verbrechens interessiert. Mit weniger monströsen Morden wäre diese atemberaubende Spannung wohl nicht zu haben gewesen (Radio Kultur, 28. November, 22 Uhr, UKW, 92,4 MHz).

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