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Im RADIO: Castingshow im Straflager

In Deutschland gibt es mehrere Millionen Analphabeten. Höchst erstaunlich für ein Land mit allgemeiner Schulpflicht und einem dicht geknüpften sozialen Netz.

In Deutschland gibt es mehrere Millionen Analphabeten. Höchst erstaunlich für ein Land mit allgemeiner Schulpflicht und einem dicht geknüpften sozialen Netz. Für ihr Feature „Immer im Verborgenen“ sind die Autorinnen Maren-Kea Freese und Marianne Wendt in das Innere eines dunklen Kontinents vorgedrungen. Analphabeten sind schweigsame Menschen, die in der Regel alles tun, um ihren Makel zu verbergen. Das Repertoire der Tricks, mit denen die Umwelt getäuscht wird, ist groß, die Momente seelischer Verzweiflung sind häufig. Den Autorinnen ist es gelungen, einige der Schriftunkundigen vor ihrem Mikrofon zum Reden zu bringen. Sie befragen aber auch Politiker, Sozialpädagogen, Lehrer und Arbeitsvermittler über einen sozialen Missstand, gegen den hierzulande überraschend wenig unternommen wird (Kulturradio vom RBB, 8. Dezember, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

Am Samstag zu vorgerückter Stunde hat auch die Erotik ihren Platz auf den Kulturwellen. Standesgemäß kommt dabei die schöne Literatur ins Spiel. Immer Samstagnacht lesen erotische Stimmen aus erotischen Büchern vor. Diesmal ist die Schauspielerin Corinna Kirchhoff mit den sinnlichsten Passagen aus Gustave Flauberts „Madame Bovary“ an der Reihe. Man hat die Lebensträume der Emma Bovary auf den Konsum schlechter Romane zurückgeführt. Man hat ihre Sehnsucht als Urbild des modernen weiblichen Emanzipationsdranges gedeutet. Obwohl Landarzt Charles Bovary alles für seine Frau zu tun bereit ist, hohe Verschuldung inbegriffen, kann er deren Gier nach großen Gefühlen nicht befriedigen. Emma verfällt Leon und die bürgerliche Lebenskulisse bricht mit lautem Krachen zusammen (Deutschlandradio Kultur, 11. Dezember, 22 Uhr 30, UKW 89,6 MHz).

Früher war die Tugend ein Befehl. Ein festes System von Lehr- und Merksätzen, niedergeschrieben in Bibel und Fibel. Heute ist alles ins Fließen und Rutschen gekommen, wer von Tugend redet, macht sich verdächtig. In fünf Hörstücken widmet sich Autor Matthias Baxmann der Bedeutung der Tugend für die Gegenwart. Unter dem Titel „Tugend voran!“ lässt er philosophische Experten die Dimensionen des Begriffs erläutern. Man kommt von den sogenannten Kardinaltugenden zu den umstrittenen deutschen, von simplen Benimmregeln zur Metaphysik der Moral (Kulturradio vom RBB, 13. bis 17. Dezember, jeweils 14 Uhr 10).

Selbst außerhalb unserer Städte können wir nur einen Bruchteil der Sterne sehen, die am Himmel leuchten. Es hat mit einem Phänomen zu tun, das Astronomen Lichtverschmutzung nennen. Ein nicht nur für Romantiker betrüblicher Sachverhalt, wie Gerhard Fitzthum in seinem Radioessay „Die dunkle Seite des Lichts“ deutlich macht. Durch exzessiven Gebrauch des elektrischen Lichts gerät auch die Tier- und Pflanzenwelt in Bedrängnis. Sogar der Mensch, der gewisse Hormone nur bei Dunkelheit produziert, ist gefährdet, wenn die Nacht zum Tag gemacht wird (SWR 2, 13. Dezember, 22 Uhr 05, Kabel UKW 107,85 MHz).

Auch Russland hat populäre Castingshows. Suzanne Bontemps’ und Tom Schimmecks Feature „Roter Holunder“ erzählt von einer, die alljährlich unter den Strafgefangenen des Landes für Aufregung sorgt. In den mehr als 1000 Lagern wetteifern Häftlinge um die Teilnahme an einem Galakonzert, das in wechselnden Städten veranstaltet wird. Die Konkurrenz ist gewaltig, gefragt bei den Bewerbern ist nicht nur musikalisches Talent, sondern auch gute Führung und soziales Engagement im Gefängnisalltag. Auf die Finalisten des Knast-Grand-Prix wartet ein Auftritt vor Publikum, im günstigsten Fall eine Entlassung auf Bewährung (Deutschlandfunk, 14. Dezember, 19 Uhr 15, UKW 97,7 MHz).

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